Am Mikrofon ist Karin Fischer.
Es ist einiges passiert diese Woche, weltpolitisch und wichtige Weichenstellungen auch für die Zukunft, für die Zukunft Europas, der internationalen Beziehungen, der Verhältnisse im Nahen Osten. Und im Mittelpunkt dieser Veränderungen steht wiederum ein Mann, der seine Rollen wie seine Äußerungen im Takt von Stunden oder Tagen zu wechseln scheint, US-Präsident Donald Trump. Er hat aktiv in den Krieg Israels gegen den Iran eingegriffen.
Und er hat ein allerdings eher Verhaltenesbekenntnis zur NATO abgegeben beim Gipfel diese Woche in Brüssel, die wiederum das historisch neue Ziel von 5% Verteidigungsausgaben beschlossen hat. Wir sind keine politische Sendung, aber wir wollen dazu kurzfristig ein paar Analysen wagen zum Politikstil Donald Trumps und auch historische Linien ziehen, wo das möglich ist.
Über Donald Trumps außenpolitisches Gebaren in historischer Perspektive spreche ich mit dem Historiker und Amerikanisten Volker Depkat, Professor für American Studies an der Universität Regensburg und jetzt im Studio des Bayerischen Rundfunks in Regensburg zu Gast. Danke fürs Kommen, Herr Depkat. Guten Tag, Frau Fischer.
Wir sprechen am Donnerstagmittag vor Ausstrahlung dieser Sendung und Stand heute gibt es eine große Verwunderung unter den politischen Beobachtern des NATO-Gipfels, vor allem allerdings über die europäischen Staatsmänner, die alles getan hätten, um Trump zu gefallen. Vom verkürzten Programm bis zum royalen Empfang.
Der Gipfel sei zu einer Wohlfühloase für Donald Trump gemacht worden, schreibt der Spiegel. Sogar von Heranwanzen an den US-Präsidenten war die Rede. Wie haben Sie das wahrgenommen? Sagen wir so, die europäischen Staatschefs haben sich alle Mühe gegeben, Donald Trump in dem Gefühl zu wiegen, dass das alles allein seine Initiative und das Ergebnis seiner politischen Bemühungen ist.
Und ich will auch seinen Anteil jetzt an diesem Politikwechsel gar nicht kleinreden. Aber es ist nun keinesfalls so, dass die europäischen Staatschefs allein Donald Trump gebraucht hätten, um zur Einsicht zu gelangen, dass das Europäische Bündnis oder dass die Europäer ihre Verteidigungsanstrengungen erhöhen müssen, einfach weil jetzt mit Russland eine konkrete Gefahr gegeben ist. Insofern sehe ich auf europäischer Seite eine Veränderung.
Nicht immer einfache und auch keineswegs immer lineare, aber im Endeffekt dann doch auch klare Einsicht in die Realitäten der neuen Welt, in der wir jetzt leben. Und in dieser Welt gehört es eben auch dazu, dass man einen wankelmütigen amerikanischen Präsidenten in dem Gefühl wiegt, dass das alles nur auf ihn zurückgeht und nur mit ihm zu tun hat. Ich glaube, da haben die europäischen Staatschefs insgesamt einen ganz guten Job gemacht.
aber eben aus wohlverstandenem eigenen Interesse heraus. Damit ist ja aber schon ein riesiger Weg bezeichnet, den Donald Trump auch in der Außenwahrnehmung hinter sich hat, in dieser Amtszeit vom unberechenbaren Politclown, als den manche Beobachter ja auch heute noch sehen, zum Staatsmann, der eben außenpolitische Stärke beweist, obwohl er ja versprochen hatte, die USA aus jedem Krieg rauszuhalten.
Naja, wie staatsmännisch das Ganze jetzt ist, wird sich noch weisen müssen, denn wir sind ja mitten in einer sich entfaltenden Krise. Es ist ja gar nicht ganz klar, was jetzt aus diesen Bombenangriffen vom vergangenen Wochenende geworden ist, wie stark wirklich die Beschädigungen an dem iranischen Atomprogramm sind. Ja, es gibt geleakte Geheimdienstinformationen, nach denen das Atomprogramm eben keineswegs ausgelöscht wurde.
Also der Erfolg im Iran steht tatsächlich noch dahin. Ja, aber jetzt ist gerade heute auch wieder bekannt geworden, dass der amerikanische Geheimdienst sich selbst berichtigt und dann doch davon ausgeht, dass massive Schäden angerichtet worden sind. Aber man weiß eben jetzt nicht mehr so ganz, was man überhaupt von der Lage halten soll und wer da nun recht hat. Und das ist natürlich schon auch bezeichnend oder auch bedenklich.
dass man selbst demokratischen Staaten nicht mehr glauben kann. Also dass Diktatoren lügen und dass man diktatorischen Verlautbarungen nicht Glauben schenkt, das scheint mir ja allgemein anerkannt zu sein. Aber dass man ja selbst auch bei Demokratien Zweifel haben muss,
über die Wahrhaftigkeit staatsoffizieller Verlautbarungen. Das ist schon ein Zeichen für die Krise, in der die Demokratien momentan sind. Und nochmal, momentan ist es gar nicht ganz klar, was da überhaupt am Wochenende angerichtet worden ist an Schaden. Ob das Atomprogramm jetzt wirklich nachhaltig zerstört worden ist, wie es jetzt die neuesten Geheimdienstinformationen nahezulegen scheinen. Oder ob es nur um wenige Monate zurückgeworfen worden ist, wie es gestern noch hieß.
Also auch hier ist der Rauch buchstäblich noch nicht verflogen. Aber so die Quintessenz seines Verhaltens lautet so ein bisschen, oder das Muster vielleicht auch, wer sich Donald Trump in den Weg stellt, wird abgestraft ohne Rücksicht auf politische, wertebasierte, diplomatische Regeln. Das haben wir ja schon mehrfach erlebt. Ist das sozusagen die Quintessenz? Ich glaube, dass für Donald Trump internationale Beziehungen, vor allen Dingen in erster Linie direkte Beziehungen zu Menschen,
Staatsmännern und Staatsfrauen sind. Er sieht das Feld der internationalen Beziehung als ein Netzwerk von persönlichen
Und dann hängt es immer ganz davon ab, wen er mag und wen er nicht mag. Man weiß ja auch nie, wie lange er jemanden mag. Also das Fall from Grace, der Entzug der Unterstützung kann ja von jetzt auf gleich passieren. Und das ist ja eigentlich wirklich ein Paradigmenwechsel. Es ging ja eigentlich in der internationalen Politik der USA und auch anderer Länder nach 1945 darum,
Darum Außenpolitik unabhängig zu machen von den Launen und Befindlichkeiten eines einzelnen Staatslenkers. Das war ja das ganze Prinzip von Institutionen, von Regeln, von Verfahren, um eben den außenpolitischen Prozess rational oder größtmöglichst rational zu organisieren und ihn unabhängig zu machen von den Launen und Befindlichkeiten eines einzelnen Staatslenkers.
von den Launen, von den Befindlichkeiten, von den momentanen Einschätzungen einzelner Staatslenker. Und da scheinen wir jetzt hinter zurückzufallen, weil es dann doch immer ganz davon abhängt, wem Donald Trump gerade seine Gnade schenkt. Und das macht den ganzen politischen Prozess ja so unberechenbar. Das macht ihn aber auch so gefährlich, weil man sich eben auf nichts mehr verlassen kann. Aber warum funktioniert das denn so gut? Ich meine, die Frage stellen wir uns täglich mit Blick auf die USA. Wenn ich jetzt aber noch mal bei den Europäern bleibe...
Ich meine, das Wort völkerrechtswidrig in Bezug auf den Angriff der USA auf die iranischen Atomanlagen wird ja überhaupt nur noch von Politikerinnen in den Mund genommen, von denen man genau das auch erwartet, nämlich von der Linken in Deutschland beispielsweise. Also ich denke, europäischerseits ist das Verhalten gegenüber Trump auch eine Einsicht in die machtpolitischen Realitäten dieser neuen Welt. Europa ist zwar weiterhin eine Wirtschaftsmacht,
Und wird als solche auch von den USA durchaus gesehen. Aber alle anderen Faktoren und Felder von politischer Macht, das ist militärische Macht, aber auch politische Macht,
Da ist Europa inzwischen wirklich verzwergt. Europa kann nicht mit einer Stimme sprechen. Europa hat keine gemeinsame Außenpolitik. Wir haben keine eigene Verteidigungspolitik. Und das sehen die Amerikaner. Und entsprechend gering geschätzt wird Europa zurzeit. Deshalb werden wir jetzt überall an die Seite gestellt und müssen sehen, wie wir damit an den Tisch kommen. Darum geht es ja.
Und in dieser Situation ging es jetzt vor allen Dingen darum, das Wohlgefallen von Donald Trump sich zu sichern.
Ich spiele so ein bisschen auf das Hochhalten der sogenannten westlichen Werte an und den zivilisatorischen Fortschritt, auf den man sich ja immer auch beruft. Jetzt ist die USA der mächtigste Staat der Welt und Donald Trump macht, was er will. Deutschland ist ein sehr wichtiger Player innerhalb von Europa, drückt aber in Bezug auf Benjamin Netanyahu und Israels Krieg in Gaza beide Augen zu. Aus Gründen, die deutsche Geschichte und die sogenannte Staatsräson
die seit Oktober 23 eben offenbar als unverbrüchliche Solidarität mit der israelischen Regierung verstanden wird. Und die NATO tut jetzt alles, um Donald Trump zu gefallen. Was sind das eigentlich, Volker Depkert, in weltpolitischer Dimension betrachtet für Signale? Ich glaube, dass Signale einer Rückkehr der Realpolitik sind.
Ich glaube, der Diskurs über werteorientierte Politik, der ja dann für die Zeit des Kalten Krieges so zentral war und der ja auch unser Denken über deutsch-amerikanische und europäisch-amerikanische Beziehungen bis heute bestimmt, hat immer verdeckt, dass unter dem Wertediskurs
ganz handfeste politische Interessen auf allen Seiten involviert waren. Die Amerikaner haben ja jetzt nicht allein Wert getrieben und aus lauter Altruismus Europa verteidigt, sondern sie haben in Europa Truppen stationiert und Waffen stationiert, um den Vormarsch des Kommunismus aufzuhalten. Das war die amerikanische Interessenslage zwischen 1945 und 1991.
Die Politik des Containment, die Politik der Eindämmung der Sowjetunion, die eben jetzt nicht einfach nur als ein anderer machtpolitischer Gegner gesehen wurde, sondern die Sowjetunion war eigentlich ein ideologischer Feind. Die Sowjetunion stellte die Grundlagen des American Way of Life, der eben in...
ja Individualismus, Grundrechten und freier Marktwirtschaft gründete, durch ihre bloße Existenz in Frage. Allein die Existenz der Sowjetunion als die der freiheitlichen Ordnung radikal entgegengesetzte Ordnung war nicht nur eine militärische, nicht nur eine ökonomische, vor allen Dingen auch eine ideologische Bedrohung für die USA. Und die hat man zwischen 1945 und 1991 in Europa bekämpft.
Und die Europäer waren froh, dass die Amerikaner da waren und auch da geblieben sind, weil eben auch Westeuropa doch sehr stark gefügt war über einen antikommunistischen Konsens. Und diese Interessenskonstellation ist mit dem Ende des Kalten Krieges an ihr Ende gekommen. Das ganze Auseinanderdriften von Europa und Amerika ist ein Prozess, der ziemlich bald nach dem Fall der Mauer in Berlin am 9. November 1989 einsetzt.
Es gibt ja noch einen anderen zweckrationalen Satz, der sehr auf die USA zutrifft, aber vielleicht auch auf viele andere Länder. So nach dem Motto, wir kooperieren auch mit Schurken. Hauptsache, es sind unsere Schurken. Jetzt mal in der Geschichte gesprochen. Sind gerade die Deutschen nach 1989 da auch einfach naiv gewesen politisch ein bisschen, weil wir das Ideal des Weltfriedens, der Aufhebung der Blöcke so deutlich vor Augen hatten? Ja.
Wir konnten uns das ja auch leisten, weil wir ja tatsächlich in keinem der großen Konflikte, auch des Kalten Krieges, irgendwie mit Mann und Material und auch dann später auch mit Soldatinnen irgendwie involviert waren. Ich erinnere an die Debatten über den Einsatz im ehemaligen Jugoslawien, was das für ein Dammbruch war in Deutschland. Deutsche Truppen erstmals außerhalb des eigenen Landes aktiv zum Zwecke der Friedenssicherung.
Also der Kalte Krieg war eben auch für Deutschland eine ausnahmehafte Situation, weil wir ja tatsächlich bis auf die Verteidigung unseres eigenen Landes mit Außenpolitik so nicht viel zu tun hatten. Und insofern hat das vielleicht jetzt auch was damit zu tun, dass Deutschland jetzt wieder zurück als Akteur der Weltpolitik kommt.
sich auch begreifen will und begreifen muss und alle daraus resultierenden Folgen auch jetzt mitbedenken muss. Aber der Kalte Krieg war für Deutschland insgesamt eine ausnahmehafte Situation, von der wir jetzt nicht immer ausgehen könnten, dass das jetzt so das Normale definiert.
Dann bleiben wir noch ein bisschen bei der Weltpolitik und auch bei der Realpolitik, um weitere historische Linien zu ziehen. Vielleicht mal in die andere Richtung von der USA als sozusagen Weltpolizist nach dem Zweiten Weltkrieg, die Sie jetzt schon sehr intensiv beschrieben haben, bis zur jüngeren America-First-Politik von Donald Trump. Diese Politik, die gab es ja aber auch immer wieder in der Geschichte der USA.
Und die war immer gleichermaßen umstritten. Also wenn ich mir jetzt die Zeit des Kalten Krieges nochmal angucke,
Da ist dann auf der einen Seite die wertgetriebene Politik, die Idee, dass Amerika Demokratie und freie Marktwirtschaft in der Welt verbreiten müsse, dass es seine eigene Macht dazu einsetzen solle, Demokratie und freie Marktwirtschaft zu verteidigen, wo immer das geht. Das war wie gesagt nie selbstlos, das war nie altruistisch, weil eben der Export von Demokratie in die Welt die eigene Demokratie auch absichern sollte.
Da war die Idee, dass Demokratien eigentlich inhärent friedvolle Staaten sind, die nicht Krieg gegeneinander führen, weil man in Demokratien halt immer Mehrheiten für einen Kriegsbeschluss organisieren muss. Und das ist in Demokratien, die im Gedanken der Selbstbestimmung des Einzelnen gründen, eben schwierig. Insofern ist die Idee, dass eine Welt, die die Grundlagen schafft für demokratische Ordnung, eben auch eine Welt, in der die USA und ihre Demokratie sicher sind,
Aber gerade der Vietnamkrieg führt ja dann in den USA zu einer intensiven Debatte darüber, wohin uns denn nun diese ganze wertgetriebene Politik getrieben hat.
Wir verteidigen unterschiedslos Demokratie in Südostasien. Wir verteidigen Demokratie in Europa. Wir verteidigen Demokratie wo immer. Und das Ergebnis ist ein Desaster wie in Vietnam, wo unsere Soldaten einen Krieg sterben, mit dem sie tatsächlich nichts zu tun haben, mit dem die USA auch nicht viel zu tun hat. Und dann kommt ja zum Beispiel ein Henry Kissinger, Außenminister und auch außenpolitischer Berater unter Richard Nixon in den 1970er Jahren, der sagt,
Unser Idealismus, die Welt überall sicher zu machen für Demokratie, muss ersetzt werden durch einen realistischeren Blick auf die amerikanischen Interessen und wir müssen uns selber beschränken auf das, was für die USA wirklich wichtig ist und es kommt ja dann zur sogenannten Entspannungspolitik, es kommt zum Ausgleich mit China.
Also es ist nicht so, dass das nicht bereits auch während des Kalten Krieges in den USA selbst schon immer umstritten war, wie weit denn die amerikanische Verantwortung für die Verteidigung von Demokratie und freier Marktwirtschaft in der Welt reicht.
Und jetzt mit Donald Trump sehen wir eben jemanden, der eigentlich merkwürdig herumeiert zwischen den Interessen seiner Kernwählerschaft, die eigentlich am liebsten Amerika aus allen internationalen Konflikten raushalten würde. Und gerade jetzt der Angriff auf Iran, die Möglichkeit eines weiteren amerikanischen Krieges im Nahen Osten, bringt ja auch einen Teil seiner Basis gerade gegen ihn auf. Es gibt einen Tucker Carlson, der sagt,
Das ist nicht, wofür wir dich gewählt haben. Es gibt eine Majority Taylor Greene, auch eine von den ganz fundamentalistischen Trump-Befürwortern, die auch nicht verstehen kann, dass der Präsident, den sie eigentlich gewählt haben, um Amerika aus allen internationalen Konflikten rauszuhalten, nun jetzt eigentlich unprovoziert einen Bombenangriff auf den Iran fährt.
Und gleichzeitig scheint mir sein eigenes Agieren in dieser Krise merkwürdig ungerichtet zu sein. Ja, möglicherweise wollte er tatsächlich ein Momentum nutzen und die von Israel vorbereitete Gelegenheit, um schnellen Sieg persönlich auch einzufahren.
Aber in dem Zusammenhang und auch wiederum historisch betrachtet, wird eine andere Frage wichtig. Amerika aus jedem Krieg raushalten, das ist ein selbstformulierter Anspruch. Und die Frage, wie eine Nation, der versprochen wurde, dass man sich eben nicht in Lagen einmischt, auf diesen Krieg vorbereitet wird,
Dazu gibt es einen hochinteressanten Vergleich, den Sie im Podcast mit Jörg Thaddeus lang und breit ausgeführt haben in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg. Auch vor dem Eintritt der USA als Kriegsteilnehmer damals funktionierte das über ein Medium, nämlich das Radio.
Ja, ich meine das Radio, also wir sprechen über die Präsidentschaft von Franklin Delano Roosevelt, das ist der Präsident der Weltwirtschaftskrise, das ist der Präsident des Zweiten Weltkrieges und das ist der erste Radiopräsident in der Geschichte der amerikanischen Demokratie, der das neue Mittel des Radios auf imaginative Weise nutzt, um Mehrheiten für seine eigene Politik zu organisieren und das durchaus mit einer populistischen Dynamik.
weil er eben das Radio als ein Medium erkannt hatte, mit dem er direkt mit seinen Wählern und Wählerinnen sprechen konnte.
Also so das Radio als der Präsident am Armbrotstisch, wo der Präsident unter Umgehung der institutionalisierten Politik und ihrer Entscheidungswege seinem Volk in direkter Kommunikation seine neue Politik erklärt. Das war zunächst eben der Wohlfahrtsstaat, der eingerichtet werden sollte und dann ab 1939 auch zunehmend ein klarer Kriegskurs oder dass er die Amerikanerinnen und Amerikaner, die also überhaupt keine Lust hatten auf einen weiteren Krieg nach dem Ersten Weltkrieg,
Schritt für Schritt davon überzeugte, dass Amerika sich nicht würde heraushalten können aus den entstehenden Konflikten in Asien und Europa. Und dann nutzt er eben das Radio als ein Mittel der direkten präsidentiellen Kommunikation mit seinen Wählerinnen und Wählern in der Hoffnung, dass die dann Druck auf die gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Kongress machen, damit dann der Präsident schlägt.
die Gesetze bekommt, die er braucht. Denn wir müssen uns klar machen, ein Präsident in den USA kann keine Gesetze einbringen. Er ist angewiesen immer, ob er nun im Parlament die Mehrheit hat oder nicht, er ist immer darauf angewiesen, dass jemand im Senat oder im Haus der Repräsentanten
eine Gesetzesinitiative startet, die dann hoffentlich mal irgendwann gesetzt wird, wenn der Präsident sie unterschreibt. Aber der Präsident hat keinerlei Gesetzgebungsgewalt. Dazu braucht er dann den direkten Druck, nicht von der Straße, aber den direkten Druck seiner Wählerinnen und Wähler. Und das, was er da gemacht hat, das nannte man Fireside Jets. Also das war das neue Medium. Den Begriff kannte ich gar nicht. Ja, das sind Kamingespräche. Aber von da ist natürlich der Weg hin zu Donald Trump wiederum auch ein kurzer.
Natürlich, ich meine, so wie Franklin Delano Roosevelt der erste Radiopräsident ist, ist Donald Trump der Twitter-Präsident. Der nutzt Twitter ganz genau so,
wie Franklin Delano Roosevelt das Radio damals genutzt hat, nämlich zur direkten Kommunikation mit seiner Gefolgschaft, mit seinen Wählerinnen und Wählern, in der Hoffnung, dass die dann eben Druck auf die institutionalisierte Politik machen, um die Gesetze zu bekommen, die man braucht. Es ist eben nur so, dass Franklin Delano Roosevelt wirklich einen ganz klaren, sowohl innenpolitischen als auch außenpolitischen Kurs hatte,
Den sehe ich bei Donald Trump, bei dem ganzen chaotischen und wilden Gesetzgebung. Es sind ja noch nicht mal Gesetze, es sind alles nur präsidentielle Verfügungen. Es gibt bisher ganz wenig Gesetze, die tatsächlich verabschiedet worden sind. Also bei dem Feuerwerk an Maßnahmen, das er da entfaltet, schimmert ja erst allmählich eine Richtung und ein klares Konzept durch. Aber jetzt gerade in Bezug auf Iran habe ich dieses klare Konzept gesehen.
eben nicht gesehen. Und wohin das führt und was dabei am Ende rauskommt, ist für meine Begriffe immer noch völlig unklar. Innenpolitisch betrachtet war dieses Feuerwerk, um den Begriff mal aufzugreifen, ja in den letzten Monaten definitiv auf die Aushebelung der demokratischen Institutionen gerichtet.
Interessant in unserem Zusammenhang, wo wir die historischen Linien betrachten, ist ja vielleicht auch, dass die Proteste in den USA am Wochenende zuvor, wo Millionen Menschen in über 2000 Städten auf die Straße gegangen sind, von diesen Plakaten dominiert waren, auf denen stand No Kings, keine Könige. Also das zielt auf das autokratische, selbstherrliche Verhalten des Präsidenten im Land selbst, der gerade die Soldaten irgendwie in Kampfmontur gegen Demonstranten ausgerechnet in Kalifornien aufmarschieren ließ.
Aber der Slogan spielt natürlich an auf die Gründungsgeschichte der Nation, die ja gerade in der Verneinung von royalen Prinzipien und der Monarchie und auch Großbritanniens natürlich bestand. Ja, ich meine, es ist die amerikanische Revolution, deren 250. Jubiläum wir ja im nächsten Jahr begehen mit der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776. Und diese amerikanische Revolution ist zentral getrieben von einem
von einer antimonarchischen Dynamik. Es ging darum, Monarchie als Inbegriff von Autokratie abzusetzen. Es ging darum, dass Monarchien als Systeme betrachtet wurden, die systematisch grundrechtlich definierte Freiheit des Einzelnen vernichten. Weshalb ja dann eben ein republikanischer Staat als das beste Bollwerk für individuelle Freiheit gesehen wurde.
Aber Monarchie eben auch als ein System, in dem der König über den Gesetzen steht. Und die Idee, dass in den USA nobody is above the law. Niemand steht über den Gesetzen. Das ist eigentlich sowas wie ein fundamentales Gründungskredo der USA. Und das stellt Donald Trump radikal in Frage. Er sagt ja auch mal, dass er gar nicht weiß, ob er überhaupt durch die Verfassung gebunden ist. Also der Text, der sich selber zum obersten Gesetz des Landes erklärt. Und dem allein er als Präsident seine Macht übernimmt.
Also die Präsidenten erhalten ihre Macht durch Volkswahl und dass sie sich eben der Verfassung unterordnen. Da sagt er, da weiß er gar nicht so genau, ob er sich daran gebunden fühlt.
Und deshalb ist es jetzt genau diese Dynamik, die wir sehen. Nobody is above the law. Und das ist auch no kings in the USA. Also es gibt keine Könige in den USA. Es gibt niemanden, der legibus solutus, also von den Gesetzen losgelöst ist. Niemand ist, der absolutistisch regieren kann. Und jetzt im Zusammenhang mit Iran haben wir ja eigentlich auch einen Verfassungsskandal, über den wir hier noch gar nicht gesprochen haben oder kaum gesprochen haben in Deutschland. Der amerikanische Präsident kann niemandem den Krieg erklären. Kriegserklärung ist die Prärogative des Kongresses.
Und hier hat er eigentlich einen unprovozierten Angriff gefahren, ohne überhaupt den Kongress um Autorisierung zu bitten. Und das ist für mich ein Verfassungsbruch, dessen Tragweite hier noch gar nicht richtig zu Bewusstsein gekommen ist. Hier haben wir einen Präsidenten, der eigenmächtig die Truppen losschickt, ohne parlamentarische Autorisierung. Und das verstößt gegen ein Grundprinzip der amerikanischen Demokratie.
So und wenn wir das jetzt alles zusammen nehmen, Volker Depp, gerade auch die Entwicklungen in den letzten Monaten in den USA, glauben Sie noch daran, dass die berühmten Checks and Balances gewahrt bleiben können? Also dass Donald Trump autokratische Bestrebungen hegt, das scheint mir offensichtlich zu sein. Dass er selber auch keine einzige demokratische Faser an seinem Leib hat, scheint mir auch offensichtlich zu sein.
Aber dieses System der Checks and Balances funktioniert nur, wenn die Leute, die in Ämtern politischer Macht sitzen, ihre Aufgabe auch darin sehen, den Präsidenten zu kontrollieren, beziehungsweise auch das Parlament zu kontrollieren. Es geht ja in alle Richtungen. Und das ist eher dann jetzt weniger eine Frage von politischen Institutionen und politischen Verfahren. Das ist jetzt eine Frage von politischer Kultur.
Also die Frage der Werthaltungen und der Selbstverständnisse von Politikerinnen und Politikern als Politiker und was sie eigentlich als Aufgabe ihres Politiker-Daseins betrachten. Und da sehe ich momentan eine besorgniserregende Entwicklung, dass...
die in den Kongress gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten, gerade bei den Republikanern, aber auch die Senatorinnen und Senatoren, auch bei den Republikanern, ihre Aufgabe gar nicht mehr darin sehen, den Präsidenten noch irgendwie zu kontrollieren. Und das ist ja überhaupt das Dämonische an Donald Trump, dass er eigentlich die republikanische Partei gekapert hat. Er hat die ja buchstäblich gekidnappt und sie seinem Willen unterworfen, wenn der Cäsar hier den Daumen hebt.
Oder wenn der Cäsar den Daumen senkt, das entscheidet über politische Karrieren. Und das setzt er ja ganz gezielt ein. Und das sind wirklich Mechanismen autokratischer Herrschaft, Mikrotechniken der Macht. Die sind außerhalb der geregelten Verfahren der Verfassung angesiedelt. Das ist eine Frage der politischen Kultur und die sehe ich in eine Schieflage gekommen, weil eben die Inhaberinnen und Inhaber politischer Ämter und namentlich des Kongresses
ihre Aufgabe nicht mehr auch darin sehen, bei aller legitimen Verfolgung ihrer politischen Interessen, aber dass man bei allem dann doch immer auch darauf achten muss, dass die Grundlagen der Verfassung nicht zerstört wird durch diejenigen, die Ämter in ihr haben. Das scheint mir momentan echt ein Problem zu sein und das macht mir wirklich Sorge.
Sagt Volker Deppkart, Historiker, Amerikanist an der Universität in Regensburg, mit dem wir das aktuelle Gebaren des US-Präsidenten in historischer Perspektive beleuchtet haben. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Herr Deppkart. Vielen Dank auch Ihnen, Frau Fischer. Nach uns empfehle ich im Anschluss die Sendung Kultur heute und hier am Mikrofon dankt für Ihr Interesse Karin Fischer.