Deutschlandfunk. Kulturfragen.
Mit Stefan Koldehoff und mit der Filmemacherin, Autorin, Künstlerin Hito Steyerl. Ihre Arbeiten werden weltweit auf Ausstellungen, auf Festivals gezeigt. Auf der Biennale in Venedig zum Beispiel, wo Hito Steyerl Deutschland im Deutschen Pavillon vertreten hat, aber auch auf der Documenta in Kassel. Bei der letzten, 2022, hat sie die Leitung aufgefordert, ihre Werke wieder abzubauen. Und das begründet Wettbewerbe.
mit einem, so Hito Steyerl, Unvermögen der Organisatoren und deren wiederholter Weigerung, eine inklusive Debatte rund um die Ausstellung zu ermöglichen und wegen der Weigerung Vermittlung zu akzeptieren. Außerdem kritisierte sie den anhaltenden Mangel an organisatorischer Verantwortlichkeit hinsichtlich antisemitischer Inhalte, die auf der Documenta 15 gezeigt wurden.
Tag Frau Steyerl, danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Ja, danke schön. Frau Steyerl, wir haben uns verabredet, um über den Zustand der Kunst und der Kunstfreiheit im Jahr 2025 zu reden. Neben Ihrer praktischen Arbeit sind Sie nämlich auch eine ganz großartige politische Analystin zum Thema Kunstfreiheit.
Was heißt denn Kunstfreiheit für Sie überhaupt? Wann ist Kunst frei? Können Sie selbst Ihre Kunst frei ausüben, Ihre Filme, Texte frei veröffentlichen und produzieren? Da gibt es natürlich immer so ein Spektrum. Meistens ja, sagen wir mal so. Aber natürlich in einigen Ländern geht das nicht unbedingt. Auch in Deutschland ist es nicht immer so einfach, wie man denkt.
Aber es gibt natürlich auch ganz pragmatische Einschränkungen, wie zum Beispiel Finanzierungsschwierigkeiten oder sowas. Also die Kunstfreiheit ist ein Spektrum, sagen wir es mal so. Wenn wir jetzt mal über die deutschen Grenzen hinausschauen, was haben Sie da im Moment für einen Eindruck? Ich meine jetzt gar nicht nur die Vereinigten Staaten, wo sich der Präsident selbst zum obersten Kunsthüter erklärt zu haben scheint. Schauen wir nach Polen, schauen wir nach Ungarn.
Nach Ungarn schauen wir in andere Länder. Was hören Sie da von Kolleginnen und Kollegen oder was erleben Sie selbst? Ja, natürlich, also um den Stand der Kunstfreiheit ist es jetzt nicht unbedingt so gut bestellt. Das ist natürlich auch in vielen Ländern schon lange so, zum Beispiel in China, Russland, Iran, auch in den Golfstaaten. Da wurde man eigentlich schon lange zensiert, sagen wir mal so.
Aber mittlerweile gibt es Kampagnen, auch zum Beispiel in anderen EU-Ländern, wo es einem wirklich die Haare aufstellt. Ein Beispiel ist zum Beispiel ein Referendum, das vor kurzem in Slowenien stattgefunden hat gegen die Erhöhung von Renten für bestimmte Künstler, die Preise gewonnen haben.
Dieses Referendum wurde initiiert von der dortigen konservativen Partei, deren Chef wortwörtlich gesagt hat, dass sich eine Art von entarteter Kunst sozusagen in der Kunstszene breitgemacht habe und dass man dem jetzt entgegentreten müsse. Also diese Art von Vokabular verbreitet sich mittlerweile auch in der EU, auch in Deutschland. Man kann sich erinnern an zum Beispiel die
Versuche der AfD, das Bauhaus zu kritisieren und so weiter. Es ist also nichts Neues mehr. Also Sie spüren es schon auch bei uns? Ja, definitiv. Die AfD hat einen Plan auf diesem Gebiet. Sie wollen den Kulturkampf führen und sie führen ihn vielleicht auch aus der Motivation heraus, dass das ein Gebiet ist, auf dem mit möglichst wenig Einsatz möglichst viel Wirkung produziert werden kann.
Könnte man auch sagen, hat auch gute Aspekte, dass Kunst zu Konflikten führt, dann ist es nicht mehr so bequem, dann gibt es was, an dem man sich reiben kann, dann gibt es vielleicht auch neue Perspektiven für Künstlerinnen und Künstler? Ja, theoretisch natürlich schon. Also Kunst macht natürlich dann Sinn und Spaß, wenn sie zu Diskussionen und Debatten führt.
Natürlich ist das im derzeitigen technologischen Umfeld der Debatten, also sozialen Medien und so weiter, nicht immer gerade produktiv, was da rauskommt an Debatten.
Die Menschen, die auf der Documenta antisemitische Kunstwerke gezeigt haben, und das waren definitiv, ich glaube, da muss man heute nicht mehr drüber streiten, antisemitisch zu lesende Werke, die haben das auch mit Kunstfreiheit begründet. Heißt das, es gibt Grenzen oder es gibt eben gerade keine Grenzen? Alles ist durch Kunstfreiheit möglich? Doch.
Das ist zum Beispiel eine Frage, die müsste man tatsächlich einem Juristen oder einer Juristin stellen. Das kann ich so nicht beantworten. Ich denke nur, dass das sozusagen in jedem einzelnen Fall neu ausdiskutiert werden muss, wo tatsächlich die Grenzen liegen. Und ich glaube, dass weniger das Ziehen der Grenze selber wichtig ist, sondern die Diskussion darüber, wo sie eventuell zu ziehen wäre oder auch nicht. Und wenn die nicht stattfindet, dann ist es tatsächlich nicht gut. Warum?
Was haben Sie denn erlebt, nachdem Sie gesagt haben und auch durchgesetzt haben, dass Ihre Werke in Kassel nicht mehr gezeigt werden sollten? Hat das zu Diskussionen geführt? Weiß ich nicht. Keine Ahnung. Hat sowas erreicht? Ehrlich gesagt ist das jetzt auch schon so lange her. Ich habe das Gefühl, dass es schon im letzten Jahrhundert diese ganzen Streitigkeiten um die Dokumente herum gab.
Darf, muss, soll wird in letzter Zeit immer häufiger gefragt. Kunst denn überhaupt politisch sein oder wie politisch soll sie sein? Darf Kunst ein Mittel zum Widerstand gegen bestimmte Verhältnisse sein oder zur Bestärkung von bestimmten Ideen, der Vernunft, der Aufklärung zum Beispiel? Kann Kunst eine Aufgabe haben in politischen Zeiten, wie wir sie gerade erleben?
Diese Frage hat natürlich sehr viele verschiedene Ebenen. Erstmal Kunst kann erstmal alles probieren. Das ist überhaupt kein Problem. Kann und soll alles probieren, dafür ist sie da. Die Frage ist, ob sie dann noch Kunst ist im Einzelfall. Also nicht jedes Ergebnis, nicht jeder Versuch gelingt auch. Was natürlich auch damit zu tun hat, dass die Grenze zur Propaganda oder zur Werbung oder zu PR oder zu Clickbait da tatsächlich abhängt.
dass der Grad, auf den man da wandelt, relativ schmal ist. Also ja, natürlich, Kunst kann alles ausprobieren, aber was rauskommt, muss nicht unbedingt Kunst sein. Weil es dann einen Zweck hat und weil freie Kunst eigentlich keinen Zweck haben darf? Weil es dann instrumentalisiert ist oder instrumentell eingesetzt wird als Mittel zum Zweck. Man kann sich darüber streiten, ob Kunst dann ihren Kunstcharakter verliert, das ist sozusagen eine Diskussion, die es schon lange gibt.
Aber es kann durchaus sein, dass sie, wenn sie als reines Mittel zum Zweck instrumentalisiert wird, ihren Kunstcharakter auch verliert. 2024 war von Ihnen in Heidelberg eine Arbeit zu sehen, die sprach vom Museum as a Battlefield, also dem Museum als einem Schlachtfeld. Da ging es unter anderem um das Sponsoring von Rüstungskonzernen.
Was haben Sie damit gemeint, Museum als Schlachtfeld? Das Museum ist natürlich ein Austragungsort für verschiedenste Interessen, zum Beispiel von Sponsoren, aber auch natürlich von Nationen oder von wer auch immer das Museum bezahlt. Auf der anderen Seite artikulieren sich dort auch Künstler und Künstlerinnen und möglicherweise Anwesende.
anderer Gesellschaftsschichten. Also insofern findet dort immer irgendeine Auseinandersetzung statt. Es gibt auch immer Versuche, Akteure für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren oder einzuspannen. Diese Arbeit Museum als Battlefield, auf die Sie sich beziehen, fand ihren Ursprung darin, dass sich im Jahre ungefähr 2012 über ein kleines Schlachtfeld befand,
im Osten der Türkei gewandert bin. Das war weit oben in den Bergen. Dort war meine Kindheitsfreundin Andrea Wolf als Mitglied der PKK von Angehörigen der türkischen Armee exekutiert worden. Und ich sah dann etwa 13 Jahre später die Überreste dieser Schlacht an.
Und mir fiel auf, dass da sehr viel Trümmerteile von Waffen und Munition herumlagen. Und ich habe mir das genauer angeschaut und versucht zu rekonstruieren, wo diese Waffen- und Munitionsteile herkommen. Und da habe ich dann festgestellt, dass viele von den Firmen, die in diese Art von Waffenproduktion involviert sind, auch Kunstsponsoren und teilweise Mäzener sind von großen Museen.
Darum geht es in dieser Arbeit.
Gibt es da genug Widerspruch aus der Kunstwelt, sei es nun von den Museen oder von den Künstlerinnen und Künstlern selbst? Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Kultur so ein wahnsinnig friedlicher Teil von Gesellschaft ist. Den kann man mittelstreichen, den kann man Häuser oder Bühnen schließen. Da passiert dann gar nicht viel. Da gibt es gar keinen großen Widerstand oder Aufstand, zumindest nicht irgendwie bundesweit, täuscht der Eindruck? Naja, Künstler und Künstlerinnen sind natürlich auch
ziemlich abhängig von Institutionen, aber auch von Sponsoren mittelbar. Das heißt, dass viele schon aufpassen, wie sie sich artikulieren oder auch nicht, meistens auch nicht.
Gibt es genug Widerspruch in der Kunstwelt? Teilweise, ja. Es gab viel Widerspruch gegen solche Indienstnahmen, sagen wir mal so. Aber ich fürchte, wir haben dieses Stadium schon dahin überschritten, dass die Sponsoren sich zunehmend zurückziehen und sozusagen die Institutionen mehr oder weniger ihrem Schicksal überlassen werden.
Was bedeutet das, wenn wir mal davon ausgehen, der Hamburger Kultursenator Carsten Broster hat in dieser Sendung gesagt, die Kultur, das ist der Ort, an dem sich die Gesellschaft eigentlich darauf verständigen kann und darüber diskutieren kann, wie man miteinander umgehen will, wie man miteinander leben will, wie eine gemeinsame Zukunft aussehen könnte. Wenn wir für diese Orte, die ein großes Vertrauen haben, wie gerade eine Studie belegt hat, wenn wir für diese Orte nicht kämpfen ...
Dann werden wir auch diese Diskussionen verlieren. Ja, definitiv. Das ist so, dass glaube ich mittlerweile einige Teile der Gesellschaften, Eliten der Meinung sind, dass man diese Orte nicht mehr braucht, dass die ökonomisch nicht sinnvoll sind und nicht rentabel und dass man auf die auch genauso gut verzichten kann.
Aber ich glaube, dass die wirklich unglaublich wichtige Rollen spielen in unseren Städten, überall im Land. Wenn ich zum Beispiel darüber nachdenke, wie Kreuzberg ohne die Amerika-Gedenkbibliothek aussehen würde, das wäre ein Trauerspiel. Das sind ja mittlerweile Orte, wo nicht nur Bücher gelesen werden, ausgeliehen werden und so weiter. Das sind einfach Unruhe.
Orte, an denen Leute hingehen, um sich aufzuwärmen, um einen Zugang zum Internet zu haben, um mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen und so weiter. Also da würden wesentliche Funktionen der Daseinsvorsorge wirklich wegfallen. Sie hören den Deutschlandfunk, die Kulturfragen, heute mit der Filmemacherin, Autorin, Künstlerin Hito Steyer. Frau Steyer, diese Entwicklung, die Sie da gerade beschrieben haben, es mag Teile der Gesellschaft geben, die solche Orte des Austauschs gar nicht mehr wichtig finden.
Sie beschäftigen sich viel mit KI, mit künstlicher Intelligenz in letzter Zeit, in den letzten Jahren. Spielt das solchen Entwicklungen in die Hände? Wir brauchen die, ich mag dieses Wort Kulturschaffende nicht, ich kenne aber auch kein besseres. Wir mögen die Künstlerinnen oder wir brauchen die Künstlerinnen und Künstler eigentlich gar nicht mehr. Wir haben doch jetzt KI. Ja, absolut.
Absolut. Also durch KI wird Kulturproduktion zum Teil automatisierbar und das sehen wir eigentlich auch schon überall in Bereichen wie Fotografie, Design, Grafik und so weiter. Schlägt das schon ziemlich stark durch. Aber was ist das, was da produziert wird durch KI? Ist das noch…
Intelligent, ist das noch originell, ist das noch menschlich? Also menschlich ist es wahrscheinlich nicht, aber ich glaube, dass es auch völlig egal ist. Da werden eben Gebrauchsgegenstände zu einem sehr niedrigen Preis hergestellt.
Was heißt, dass die Tätigkeit der Menschen eben überflüssig wird? Und das bezieht sich ja nicht nur auf die Kunstproduktion, sondern sogar auf die Kunstwahrnehmung. Ich habe das Gefühl, dass sich zunehmend ein Kreislauf entwickelt, in dem Maschinen Bilder produzieren, die dann von anderen Maschinen gesehen werden. Und diese Maschinen schreiben dann auch die Kunstkritiken darüber und so weiter. Also das
nicht nur das Herstellen von Kunst, sondern auch das Wahrnehmen von Kunst, das Erleben von Kultur insgesamt automatisiert wird. Das ist schon ziemlich absurd teilweise. Wir werden dieses Rad nicht mehr zurückdrehen, Frau Steyerl. Aber wie kann man denn darauf reagieren, ohne jetzt der totale alte Kultur-Petimist zu werden?
Ich glaube einfach, indem man weiter dabei bleibt, indem man das beobachtet. Ich zum Beispiel experimentiere auch sehr viel mit KI. Ich versuche sozusagen zu verstehen, wie das funktioniert. Ich versuche zu verstehen, in welchem Kontext, in was für ein industrielles und politisches Umfeld das eingebettet ist und versuche sozusagen das nach wie vor weiter zu kommentieren.
Das stimmt, das Rad lässt sich sicherlich nicht zurückdrehen, aber es ist natürlich die Frage, wie diese Transition gestaltet wird. Und da gibt es natürlich sehr verschiedene Möglichkeiten.
aber über die wir dann auch wieder diskutieren müssen. Jetzt schließt sich der Kreis und dafür brauchen wir wieder Orte, oder? Ja, Orte oder digitale Plattformen ginge auch, aber die sind auch zur Gänze monopolisiert. Das heißt, dass die Diskussionen dort auch nicht frei sind oder auch schon sozusagen instrumentalisiert werden im Sinne ihrer Betreiber.
Ja, wir bräuchten mehr Orte inklusive digitaler Plattformen, auf denen sozusagen ein öffentliches Gespräch stattfinden kann oder eine öffentliche Auseinandersetzung. Kann es eigentlich auch gute Gründe geben, Einschränkungen der Kunstfreiheit zu vertreten?
Frage der Nachhaltigkeit zum Beispiel, Klimawandel. In diesen Tagen erscheint ein neues Buch von Ihnen, das heißt Medium Hot, Untertitel Welche Zukunft hat das Bild im Zeitalter des Klimawechsels und der künstlichen Technologien? Ist das ein Appell dafür, darüber nachzudenken, was man mit Kunst und Kultur auch anrichten kann, nicht nur ausrichten?
Ja, natürlich. Also es gibt natürlich im Kunst- und Kulturbereich auch Externalitäten. Es wird Energie verbraucht und das beschleunigt dann den Klimawandel ganz grob abgekürzt. Das ist nicht nur so mit KI, das ist schon im ganz normalen Museumsbetrieb so passiert.
Entgegen der allgemeinen Meinung sind nicht Videoarbeiten zum Beispiel die energieintensivsten Kunstwerke, sondern einfach historische Gemälde oder Fotografien, die eine umfangreiche Klimatisierung benötigen und so weiter und so weiter. Also es gibt sowieso einen ziemlich hohen Energieverbrauch im Kunstbereich, vor allem auch mit Transporten. Aber das wird durch den Einsatz künstlicher Intelligenz nochmal potenziert.
Momentan ist es vielleicht noch so, aber es ist zumindest jetzt so, dass die Erstellung eines KI-Bibs durch einen Promptgenerator ziemlich viel Energie verbraucht und das potenziert sich einfach.
Und die Infrastruktur, die notwendig ist, um eine solche Art der Bild- und auch Tongenerierung und auch Textgenerierung aufrechtzuerhalten, ist enorm und wird gerade auch enorm hochgefahren. Zum Beispiel in den USA, wo jetzt extra neue Atomkraftwerke gebaut werden, beziehungsweise alte Atomkraftwerke wieder ans Netz genommen werden, um den prognostizierten enorm steigenden Energieverbrauch durch KI zu kompensieren.
Setzt Ihnen als Künstlerin sowas eine Schere in den Kopf? Denken Sie jetzt dreimal nach, was mache ich als nächstes? Ja, definitiv. Ich experimentiere mit KI und ich finde das auch wichtig, zu versuchen, das zumindest zu verstehen oder was man überhaupt damit anfangen kann oder auch nicht.
Aber natürlich überlege ich mir dreimal, welche Sachen ich wie ausprobiere. Ich möchte nicht unbedingt dazu beitragen, Energie zu verschwenden oder den Wasserverbrauch irgendwelcher Städte hochzutreiben, einfach weil ich nicht gründlich darüber nachdenke, was ich eigentlich tue. Auch um den Preis, dass bestimmte Ihrer Werke irgendwann vielleicht mal nicht mehr verfügbar sind, weil sie schlicht nicht mehr konserviert werden können mit einem vertretbaren Aufwand?
Ach, ich gehe sowieso nicht davon aus, dass die allzu lang überleben. Das sind alles digitale Werke, die nur in elektronischer Speicherform meistens vorliegen und ich fürchte, dass die sehr fragil sind und nicht allzu lang überleben werden.
Ich glaube, da werden Heerscharen von Konservatorinnen und Konservatoren in Museen mit dem Gegenteil gerade beschäftigt sein, gerade bei wichtigen Künstlerinnen und Künstlern wie Ihnen. Die versuchen das ja, aber natürlich, wenn einmal so ein elektromagnetischer Impuls alle Server löscht auf der Welt, dann kann man sich nur noch darauf verlassen, dass die per Wi-Fi irgendwann funktionieren.
gestreamt wurden und dann als Wellen irgendwo im All so ein paar Lichtjahre entfernt von der Erde noch auffindbar sind, das ist sozusagen die realistischste Form der Konservierung für digitale Kunstwerke. Frau Steyerl, wenn man zum Beispiel mit Kuratorinnen in Polen spricht, dann sagen die einem...
bestimmte Ausstellungsthemen, feministische Ausstellungsthemen, queere Ausstellungsthemen, die muss man uns gar nicht verbieten, die machen wir schon von uns aus gar nicht mehr, weil wir wissen, damit haben wir keine Aussicht, irgendwie eine Öffentlichkeit zu erreichen, geschweige denn, in unseren Häusern überhaupt durchzukommen. Es scheint sich insgesamt auch in der Kulturwelt eine Art von globalem Pessimismus auszubreiten angesichts der politischen Verhältnisse.
Warum haben Sie noch Lust, Kunst zu machen? Ja, das ist eine gute Frage. Habe ich die überhaupt? Das weiß ich auch nicht so genau. Wie Sie haben ja gerade angesprochen, ich habe ein Buch gerade geschrieben und jetzt frage ich mich wirklich, ob das überhaupt noch Sinn macht, in Zukunft Bücher zu schreiben. Also wenn ein Large Language Model das sozusagen in einer Stunde oder in zehn Minuten oder in zwei Minuten auch machen kann, dann ist das eine gute Frage.
Woran besteht dann der Sinn für mich, das selber zu tun? Zumal ich ja auch davon ausgehen muss, dass meine Leser auch aus Large Language Models bestehen in Zukunft. Ich glaube, all diese Formen werden sich radikal transformieren und auch ich oder wir als Produzentinnen werden uns anders darauf einstellen müssen. Also alles, was jeder irgendwo auf der Welt von sich gibt, egal ob auf sozialen Medien oder sonst wo, ist jetzt schon als...
Ich möchte nochmal auf die politische Rolle von Kunst und Kultur zurückkommen. Sie haben, Frau Steyerl, im Oktober 2021 das Bundesverdienstkreuz abgelehnt und dann haben Sie einen offenen Brief an den Bundespräsidenten geschrieben und Vorschläge gemacht. Wie ist das?
wie Kultur und Bildung in Deutschland verbessern werden könnten. Sie haben sich also ganz aktiv als Künstlerin für Politik engagiert und Sie haben gesagt, dass Sie erst bereit seien, diese Auszeichnung des Bundesverdienstkreuz anzunehmen, wenn Ihre vorgeschlagenen Maßnahmen dann auch umgesetzt würden.
Haben Sie in der Zwischenzeit irgendwas gehört in der Richtung? Nö, ich bin aber jetzt auch nicht wirklich davon ausgegangen. Mir geht es auch ganz gut ohne Bundesverdienstgrund. Das sollte jetzt nicht der einzige Grund sein, um diese Maßnahmen umzusetzen. Sind Sie denn Herrn Steinmeier oder irgendjemand Verantwortlichem mal begegnet und hat irgendjemand mal inhaltlich gefragt, was schwebt Ihnen denn vor, was sind denn Ihre Ideen? Nein. Nein?
Aber gut, das nehme ich jetzt wirklich auch nicht persönlich. Nein. Aber wünschen tut man sich doch wahrscheinlich schon, wenn man so eine Geste vollzieht und damit dann auch eine Formulierung verbindet. Ja, aber ich glaube, diese Geste vollzieht man nicht unbedingt deswegen, damit diese Forderungen umgesetzt werden oder um überhaupt irgendeine Antwort darauf zu bekommen. Das ist nicht eine instrumentelle Geste in diesem Sinne.
Aber grundsätzlich nach wie vor der Meinung, da liegt noch einiges im Argen, was Kulturpolitik, Bildungspolitik angeht? Ja, natürlich. Das wird immer als so eine Art Dekoration wahrgenommen, als ein Nice-to-have. Als das, was man sich sozusagen als Bonus noch dazu leistet. Und ich glaube, das ist ein grobes Missverständnis.
Ich glaube, wenn eine Gesellschaft nicht in diese Arten von Aktivitäten investiert und die für wichtig und zentral hält, dann wird sie sich eben in einer Form verändern, die wir ja in vielen anderen Ländern jetzt schon so vorgezeichnet sehen. Also sie wird autoritärer werden und seichter.
Und wird die Kunst frei bleiben, unsere Frage vom Anfang, oder sehen Sie auch da eine eher negative Tendenz mit immer mehr Einschränkungen, seien es nun wirtschaftliche, seien es organisatorische, seien es aber vielleicht auch inhaltliche in den Köpfen? Also ich glaube, die erste Frage ist, wird Kunst überhaupt bleiben, die
Zum einen natürlich, weil sie zunehmend automatisiert wird. Das ist Nummer eins. Nummer zwei ist, weil sie zunehmend weniger finanziert wird. Das ist Nummer zwei. Und Nummer drei auch, weil sich natürlich auch der Kunstbegriff unter all diesem Spannungsfeld massiv verändern wird in den nächsten 10, 20 Jahren. Wird weiter fragmentiert werden. Wir haben das in den letzten 10 Jahren gesehen.
Also dieser Gedanke, der mit der Zeit der Globalisierung einherging, dass es sozusagen ein globales Kunstfeld gibt, in dem sich Künstlerinnen austauschen können, einander verstehen überhaupt.
Das ist, glaube ich, mittlerweile Vergangenheit. Das existiert so nicht mehr. Es gibt jetzt mehrere globale Kunstzentren, Kanons, die überhaupt keine Überlappungen mehr haben, die unter ganz verschiedenen Voraussetzungen auch in ganz verschiedenen Wertefeldern produziert werden. Also da geht die Verständigung stark zurück momentan.
Sie sind ja auch Professorin. Sagen Sie das so ganz offen auch Ihren Studierenden? Die könnten dann ja eigentlich sofort ihre Sachen packen und sagen, gut, dann mache ich was anderes, dann mache ich doch Wirtschaft. Naja, man weiß ja nie so richtig, was in Zukunft funktioniert und was nicht funktioniert. Und manchmal ist es auch gut, da antizyklisch vorzugehen.
Das weiß ich ja selber. Als ich Film studiert habe, hätte niemand gedacht, dass man mit Experimentalfilmen oder Essay-Filmen irgendwas erreichen kann in der Zukunft. Also insofern kann man da immer noch auf irgendwelche unvorhersehbaren Ereignisse hoffen. Aber ja, ich sage das den Studierenden genauso, dass wir momentan in einer Umbruchsphase uns befinden, wo die Zukunft der Kunst wirklich unvorhersehbar ist.
Und was löst das, Schlussfrage, bei Ihnen selbst aus, Frau Steyerl? Eher Resignation oder eher noch mehr Energie aufbringen? Weder noch. Also ich denke auf der einen Seite ein mulmiges Gefühl, weil die Veränderungen, die uns allen bevorstehen, sicher nicht besonders angenehm sind. Auf der anderen Seite aber auch eine bestimmte Neugier.
sagte im Deutschlandfunk die Künstlerin und Kunsttheoretikerin und Filmemacherin Hito Steyerl über Kunstfreiheit und Politik. Bleiben Sie dran. Hier kommt jetzt Kultur heute mit dem Aktuellen aus der Kulturwelt. Mein Name ist Stefan Kolderhoff. Danke fürs Zuhören.