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Liberale Welt unter Druck - Politologe Zürn: "Die Feinde kommen nicht nur von außen, sondern sie kommen von innen"

2025/3/2
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Kulturfragen

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
M
Michael Zürn
Topics
我观察到,我们正进入一个远离传统民主和自由主义的时代。一种由科技和金融领域少数有权势的群体主导的“寡头政治”正在兴起,这标志着自二战后70年自由民主持续扩张的趋势逆转。超过70%的世界人口生活在专制政权下,这是一个严峻的现实。在比例代表制下,极右翼民粹主义者更容易崛起,并阻碍形成有效的执政联盟,这为通往专制的道路埋下了隐患。 社会主要矛盾已从传统的左翼与右翼之争转变为自由主义原则与专制原则之间的冲突。像中国这样的国家证明,专制政权可以在经济上取得成功,并不一定需要民主制度。然而,专制政权也面临自身的问题,例如伊朗、俄罗斯和中国的专制政权都面临着压力,并通过镇压来应对。像中国和新加坡这样的官僚技术专制主义在经济上取得了巨大成功,但其他类型的专制主义的经济成功还有待观察。 当前对自由民主的攻击也同时是对韦伯式理性官僚国家的攻击,正在被个人关系主导的家长式统治所取代。我将这种现象称为“双重疏离”:政治决策的权力从国家议会转移到国际机构和专家机构,导致民众感到被精英统治和被忽视。对民主的不满,以及被全球化自由主义精英统治的感觉,是推动人们支持极右翼政党的重要因素。对建制派的反感以及将自己定位为普通民众的代言人,是极右翼民粹主义者常用的策略。 某些言论和行为,例如对紧急状态的合理化,以及对规则的漠视,都与一种类似于领袖原则的模式相符。特朗普政府采取了“用废话淹没区域”和“用行政命令淹没政治体系”的策略,削弱了公众的理性判断和对政府问责的能力。对规则的破坏,以及对法治和官僚国家的攻击,是当前政治形势中的一个关键特征。美国政府正在系统性地抛弃二战后建立的基于规则的国际秩序,回归赤裸裸的权力政治。 对自由文化和左翼文化的攻击,是当前政治形势中的一个重要组成部分。然而,美国文化机构的私人资助性质,在当前的政治环境下,成为了一种保障,防止政府对其进行完全控制。 应对当前挑战,不应该通过放弃国际合作和机构来实现,而应该致力于加强民主制度,并增强民众的参与感。对公共服务的公平获取,是维护社会稳定和对抗极右翼民粹主义的关键。改善公共服务,例如交通、教育和医疗,是削弱极右翼民粹主义影响力的有效手段。对自由民主不满的人群中,一部分是可以争取的对象,需要努力赢得他们的支持。对自由民主的威胁不仅来自外部,也来自内部,需要认真对待。

Deep Dive

Chapters
This chapter explores the global rise of authoritarianism, questioning whether it's more successful than liberal democracy. It examines the contrasting electoral systems and their impact on the rise of authoritarian populist parties, using Germany and Austria as examples.
  • Global rise of authoritarianism since 2015
  • Over 70% of the world's population lives under authoritarian rule
  • Impact of electoral systems on the success of authoritarian populists
  • Challenges in forming functional coalitions against strong authoritarian populist parties

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Deutschlandfunk, Kulturfragen. Herzlich willkommen zu diesen Kulturfragen. Am Mikrofon ist Michael Köhler. Liberale Welt unter Druck. Ist die autoritäre Politik gegenwärtig vielleicht nicht nur auf dem Vormarsch, sondern erfolgreicher und eine Bedrohung für die herkömmlichen Demokratien? Das wollen wir

Wir sprechen nach einer vorgezogenen Bundestagswahl aufgrund des Brust der Ampelkoalition. Der Wahlsieger will bis Ostern eine neue Regierung stellen. Gleichzeitig haben über 10 Millionen Menschen die AfD gewählt. Zugleich sprechen wir aber auch am Ende einer Woche, in der sich der Überfall auf die Ukraine zum dritten Mal jährt und in Nahost ein Krieg noch nicht beendet ist.

Wenige Wochen auch nach Amtsantritt des US-amerikanischen Präsidenten gelten alte Verabredungen nur noch wenig. Eine wertegeleitete Außenpolitik, regelbasierte, multilaterale Bündnispolitik scheinen von gestern zu sein. An ihre Stelle tritt vielleicht so etwas wie eine Dealmaking-Politik.

Präziser eine alte Machtpolitik. Der transatlantische Westen scheint gar ein Auslaufmodell zu sein. Ich möchte darüber sprechen mit meinem Gast. Das ist Dr. Michael Zirn. Er ist Professor für internationale Beziehungen an der FU Berlin und Direktor der Abteilung Global Governance am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Herr Zirn, treten wir gerade in

Ja, ein Zeitalter, das sich von den herkömmlichen Demokratien, den Liberalen abwendet. Ich benutze mal ein Modewort, die sogenannte Broligarchie. Das ist eine kleine Gruppe von Kumpels mit Macht und Einfluss aus der Tech- oder Finanzbranche, die jetzt in die Lücke der geschwächten parlamentarischen Kultur stößt.

Ja, es ist natürlich eine unglaubliche und völlig unvorhersehbare Trendwende, nachdem nach dem Zweiten Weltkrieg 70 Jahre lang

die liberalen Demokratien auf dem Vormarsch waren, ihr Anteil an den politischen Systemen der Welt immer größer wurde, gibt es etwa seit 2015 eine Umkehr. Und inzwischen leben deutlich über 70 Prozent der Menschen unter autoritären Vorzeichen. Das ist schon eine ganz dramatische Entwicklung. Natürlich hat die Wahl letzten Sonntag gezeigt, dass wir in Deutschland noch nicht ganz so weit sind. Das liegt aber vielleicht auch gar nicht daran, dass die Zahl der

vollherzigen Trump-Unterstützer und die der überzeugten AfD-Wähler sich so sehr unterscheidet. Es liegt zum einen natürlich im Wahlsystem. In Mehrheitswahlsystemen müssen die autoritären Populisten die konservative Partei kapern. Wenn das gelingt,

Dann brennt es. Bei uns im Verhältniswahlrecht können Sie ja zunächst mal mit 15 Prozent in die Ecke gestellt werden, die autoritären Populisten. Das Problem ist, je größer sie werden, desto schwieriger wird es, funktionale Koalitionen zu bilden. Desto schwieriger wird es tatsächlich, eine Koalition zu bilden, die so viel Gemeinsamkeit hat, dass sie auch überzeugt wird.

und effektiv regieren kann. Und das ist das Problem, was wir mit der Ampelkoalition erlebt haben, was wir derzeit in Österreich ganz dramatisch erleben, dass die Koalition gegen eine starke AfD gar nicht mehr zustande kommt. Und das ist der Weg, der gefährliche Weg in die Autokratie für die liberalen Demokratien mit einem Verhältniswahlrecht.

Allerdings vielleicht auch noch das eine zur Proligarchie. Wir leben natürlich in Deutschland in einem Land,

dass in der digitalen Revolution etwas hinterherhinkt, dass eben nicht die großen Unternehmen, die digitalen Giganten, die quasi von einer Person beherrscht und finanziell auch dominiert werden. Insofern gibt es natürlich gar nicht die Zuckerbergs, Jeff Bechers und Elon Musks in derselben Weise in Deutschland. Ja, wir haben mit den SAP-Gründern auch Glück gehabt. Das scheinen ganz vernünftige Menschen zu sein.

Die Lieber Museen gründen.

Die Klarheit, mit der die Wirtschaft und die Unternehmen bisher Stellung gegen die AfD beziehen, ist im historischen und internationalen Vergleich bemerkenswert.

Sollte vielleicht mal gesagt werden. Sie verführen mich dazu, vielleicht mal einen Gedanken an dieser Stelle auszufalten, bevor wir uns mit der Verzwergung Europas befassen, sondern eine Sekunde nochmal dabei zu bleiben, warum der Liberalismus, immerhin ist in Deutschland die FDP aus dem Bundestag geflogen oder ist abgestraft worden, wir in etwas leben, was manche amerikanische Denker, und sie kennen sich da gut aus, Post-Demokratie.

Warum ist das, und das wäre jetzt meine Frage für die ersten Minuten unseres Gesprächs, ist der Postliberalismus vielleicht gerade sowas wie die gegenwärtig erfolgreichste Variante der Kulturkritik?

Was meine ich damit? Wir haben erlebt, dass so ein Filmproduzent wie Steve Bannon als Berater umherreiste und auch in Europa versucht, die Leute auf die andere Seite zu ziehen. Es gibt Softwareunternehmer wie Curtis Yavin oder einen geistigen Mentor des amerikanischen Vizepräsidenten Vance, Patrick Blank.

Dinin, der ist an der katholischen Universität Notre Dame Professor, die sagen, also das mit dem Liberalismus ist schiefgegangen. Das mit der Ausweitung der Freiheitsrechte hat nur soziale Ungleichheit vergrößert, Verfallserscheinungen befördert, die Gesellschaft atomisiert, entraditionalisiert und so weiter. Ich mache mir das nicht zu eigen, sondern ich referiere das nur. Würden Sie zustimmen, dass das gegenwärtig eine ziemlich erfolgreiche,

Ja, das ist eine erfolgreiche Auffassung. In der Tat hat sich in gewisser Weise die Hauptkonfliktlinie in unseren Gesellschaften verschoben. Es steht gar nicht mehr so sehr im Mittelpunkt der Konflikt zwischen links und rechts, mehr oder weniger Staat.

Eine Auseinandersetzung, die sich dann in Deutschland ab den 60er Jahren mit dem Bad Godesberger Programm auf der Grundlage des liberalen Denkens und der liberalen Ordnung ergeben hat. Diese Konfliktlinie zwischen links und rechts auf der Grundlage der liberalen Ordnung ist gewichen einer Konfliktlinie, wo es tatsächlich geht.

um liberale Grundprinzipien versus autoritäre Prinzipien geht. Es geht um offene Grenzen, es geht um universelle Rechte. Es geht natürlich auch um Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Anderslebenden. Diese Konfliktlinie ist gerade noch mit der Migrationsfrage so sehr in den Mittelpunkt gerückt, dass sie quasi die alte Links-Rechts-Konfliktlinie verdrängt hat. Insofern ist es richtig, der Liberalismus zu

der in extremer Form natürlich ein Pol der neuen Konfliktlinie darstellt, ist unter Druck, ist angegriffen. Die neuen Liberalen haben jetzt gerade mal 12 Prozent der Stimmen, deutlich weniger als die AfD mit 20 Prozent. Also wir haben diese Konfliktlinie, die bedeutet allerdings natürlich auch,

Ja, der Druck ist groß geworden, die Feinde sind größer und zahlreicher geworden, aber es gibt ihn natürlich auch noch. Es ist nicht so, dass der Liberalismus beseitigt ist und wir in einer Zeit nach dem Liberalismus leben. Er ist angegriffen, stellt aber natürlich immer noch in gewisser Weise eine Grundlage dar, das Referenzmodell was anzutreiben.

das Ziel der Angriffe ist. Lassen Sie uns versuchen, das Argument noch ein bisschen stärker zu machen. Denn wir sehen ja im Moment doch einen massiven Wandel, eine Abkehr von der transatlantischen Bündnispolitik, einen Erfolg auch autoritären Regierens. Eins Ihrer letzten Bücher, die demokratische Regression,

Führt das Beispiel China an und sagt, das zeigt zum Beispiel, dass man auf dem Markt mit dem Staatssozialismus erfolgreich sein kann, ohne demokratisch zu sein. Dass man durchaus Wohlfahrts- oder Armutsbekämpfung machen kann, ohne liberal zu sein. Also autoritäre politische Systeme sind streckenweise erfolgreicher.

Sie sind ökonomisch im Falle von China erstmals nicht nur anders, sondern eben mindestens genauso erfolgreich. Ja, das ist richtig. Wir sollten allerdings jetzt nicht so weit gehen, um zu sagen, liberale Demokratien haben Probleme und lösen die Probleme nicht und Autokratien sind erfolgreich in der Problemlösung. Wir

Wir sehen natürlich, wenn wir in den Iran schauen, dass die Autokratie unter Druck ist. Wenn wir nach Russland schauen, ist es bestimmt nicht so, dass Putin problemfrei ist. Und in gewisser Weise ist natürlich die Zunahme der Repression in China, wie wir sie in den letzten zehn Jahren unter Xi Jinping beobachten, auch eine Zunahme.

Reaktion auf Befürchtungen einer weiteren Liberalisierung. Also insofern, auch die Autokratien sind nicht problemfrei. Beide stehen unter Problemdruck, aber eine bestimmte Form der Autokratie, der bürokratisch-technokratische Autoritarismus à la China, Singapur etc., hat sich also ökonomisch enorm erfolgreich erwiesen.

Ob der autoritär-populistische Autokratismus à la Trump, Orban, Putin ähnlich erfolgreich sein wird ökonomisch, das bleibt noch zu sehen.

Was wir aber erleben, ist doch ein Zuspruch zu dem, was man im Moment sehr modisch disruptive Politik nennt. Unberechenbar zu sein, zu schockieren, alle fünf Minuten einen neuen Hasen aus dem Zylinder zu ziehen. Mich hat das teilweise dazu verführt, von einer Art Neo-Caesarismus zu sprechen. Also stark auf charismatische Einzelpersönlichkeiten fixiert. Also alles doch Dinge, die wir fast als vordemokratisch oder despotisch bezeichnen würden.

Ja, in der Tat. Das, was wir jetzt in den USA erleben, was wir vorher in Russland, teilweise Ungarn erlebt haben, ist nicht nur ein Angriff auf die liberale Demokratie. Es ist auch ein Angriff auf den guten alten, weberianischen, bürokratischen Staat, der nach gewissen Rationalitätsprinzipien agiert.

Die Ersetzung durch das, was jetzt beiden Polygarchie genannt hat, durch die patrimonialen Herrschaftssysteme, das ist ein Angriff auf sozusagen den modernen Staat, wie er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht zuletzt in Preußen entstand. Noch lange bevor er demokratisch war, war er bürokratisch, gab es ein bestimmtes Rechtsstaatsverständnis anwesend.

All das ist jetzt, was in Angriff genommen wird. Und es geht tatsächlich um personelle Beziehungen, mit denen das Land regiert werden soll. Insofern haben wir einen doppelten Angriff auf die liberale Demokratie, aber auch auf den rationalen bürokratischen Staat. Woran liegt das? Sie haben ja in Ihrem Buch von einer demokratischen Regression gesprochen und dafür Gründe angeführt. Sie sprechen sogar von einer doppelten Entfremdung. Was ist das?

Doppelte Entfremdung ist ein Prozess, der tatsächlich systematisch die liberalen Demokratien betrifft, weil sie Veränderungen vorgenommen haben in ihrer Funktionsweise, die man tatsächlich als einen nimmt.

ein Stück weit bezeichnen kann. Im Zuge der Verwissenschaftlichung, im Zuge der Internationalisierung der Politik werden natürlich viele Entscheidungen nicht mehr in den nationalen Parlamenten getroffen. Wenn wir nochmals dann auf Churchills zurückgehen, der hat ja mal gesagt, Demokratie ist, wenn der kleine Mann, er hat damals nur Mann gesagt, in der kleinen Wahlkabine sein kleines Kreuz machen kann.

Dieses Kreuz hat an Bedeutung verloren, weil die nationalen Parlamente Entscheidungen abgegeben haben. Natürlich wird das in Krisen besonders deutlich. Wenn wir heute über Corona und die Finanzkrise reden, dann reden wir über Tragi und Drosten und nicht mehr über das Parlamente oder irgendwelche parlamentarischen Debatten, die stattgefunden haben. Also die doppelte Verlagerung weg.

von den nationalen Parlamenten hin zu diesen europäischen und internationalen Institutionen und hin zu diesen expertokratischen Institutionen, führt natürlich dazu, dass ein Gefühl entsteht, es werden immer mehr Entscheidungen von Eliten getroffen, die nicht sich der demokratischen Verantwortung stellen. Und sie treffen Entscheidungen, die nicht im Interesse, so ist zumindest die Wahrnehmung und so ist das Narrativ dann der AfD, die nicht im Interesse der Bevölkerung, der einfachen Bevölkerung getroffen werden.

Also insofern eine doppelte Entfremdung. Es ist eine reale Veränderung der Politik weg vom Ideal der parlamentarischen Demokratie, um es mal so zu formulieren. Und gleichzeitig das Gefühl der Leute, dass sie nicht mehr gehört werden. Die Umfragen, die sagen, dass eben inzwischen 60 bis 70 Prozent der Leute sagen, dass Menschen wie wir von den Politikern nicht gehört werden. Die sind natürlich besonders besorgniserregend und weisen darauf hin, dass wir hier ein Demokratieproblem haben.

Und in der Tat sind es genau diese Leute, die das entscheidende Wählerpotenzial für die AfD abgeben. Es ist gar nicht so sehr die kulturelle Unzufriedenheit oder...

Oder wachsende Ungleichheit, es ist vor allem diese wachsende Unzufriedenheit mit der Demokratie, das Gefühl, man wird von einer kosmopolitischen, liberalen Elite dominiert. Die Globalisten, so heißt das Stimmwort. Die Globalisten, die liberalen Globalisten, so heißt das Stimmwort, die das Land regieren und zwar gegen die Interesse der einfachen arbeitenden Bevölkerung.

Ja, das ist die alte populistische Nummer. Das Anti-Establishment und das gegen das einfache Volk zu positionieren. Aber nun tun Leute wie Trump und sehr besondere Leute wie Herr Ischinger oder Herr Häusken sprechen ja vom Epochenbruch.

und einer Entfremdung auch vom transatlantischen Westen, tun ja viel dafür. Wenn da auf der Plattform X geschrieben wird, he who saves his country does not violate any law, also der, der sein Land rettet, der kann ja nicht die Gesetze verletzen. Das ist im Grunde ja eine Legitimierung des Ausnahmezustands. Ich bin versucht zu sagen, das ähnelt einem Führerprinzip.

Was wir jetzt in den ersten Wochen der Trump-Präsidentschaft gesehen haben, ist quasi eine doppelte Verabschiedung. Wenn der vorher schon genannte Steve Bannon mal als Strategie der Machtergreifung flooding the zone with shit ausgegeben hat, also die Öffentlichkeit so sehr mit Unsinn beschießen, bis niemand mehr an die Vernunft der Öffentlichkeit zu glauben war. Bullshit, Bingo, ist ein anderes schönes Wort für unsinnige Argumente, die einem offen...

Senkel gehen, bis sie irgendwann geglaubt werden. Bis sie irgendwann geglaubt werden und bis wir eben ohnehin sozusagen der Kraft der öffentlichen Vernunft keine Bedeutung mehr zumessen und dann sozusagen der Raum weit offen ist, noch weiter offen ist für völlig unsinnige Behauptungen. Diese Flooding the Zone with Shit hat ja nun Trump ergänzt durch eine neue Strategie, die man als Flooding the Political System with Executive Orders sogenannte.

Dekretismus. Dekretismus. Es wird sozusagen so viel unterschrieben, so viele Sachen, dass im Prinzip die Mobilisierung dagegen gar nicht mehr funktionieren kann, weil es gar nicht mehr möglich ist, sich auf ein Thema zu einigen, gegen das man mobilisiert. Also hier ein ganz... Noch kassieren die Gerichte die Dekrete, aber es ist die Frage, wie lange noch. Also es ist die eine Frage, wie lange noch.

Und die zweite Frage ist natürlich, wie wird dieses Kassieren von der Regierung akzeptiert? Und damit sind wir an diesem Problem, was ich schon sagte, es geht auch um die Abschaffung des Rechtsstaates, des bürokratischen Staates, der nach bestimmten Regeln funktioniert. Das ist ein Teil des Dekretismus, wie Sie sagen. Und der zweite Teil ist natürlich das, was wir auf der internationalen Ebene sehen, also diese Aufkündigung der Regeln.

wenn man so will, liberalen Weltordnung oder zumindest der regelbasierten Weltordnung, die von den USA gegründet worden ist nach dem Zweiten Weltkrieg, die in den 1990er-Jahren erhebliche Vertiefungen erfahren hat, die beruhte auf Prinzipien wie, dass Grenzen nicht verschoben werden dürfen mit Gewalt, dass man ein starkes westliches Bündnis hat, dass es Freihandel gibt.

eine offene Weltwirtschaft und auch sozusagen eine Art Demokratie-Rechfertigungsprinzip. Eigentlich muss man demokratisch sein, um mitreden zu können. All diese Prinzipien werden gerade systematisch endgültig

beiseite geschoben von der amerikanischen Regierung, Rückkehr zu einer, wie Sie schon gesagt haben, blanken Machtpolitik, die übrigens ja nun insofern besonders schockierend in der Rede von Vance zum Ausdruck kam, nicht nur Rückkehr zur Machtpolitik des 19. Jahrhunderts hatte, sondern auch noch vor 1815 zurückgegangen ist,

in dem sozusagen diplomatische Grundregeln verletzt worden sind, nämlich dass, wenn man eine solche Ordnung aufkündigt, man wenigstens Rede und Antwort steht in der diplomatischen Auseinandersetzung und nicht sofort dazu überschreitet, politische Einflussnahme vorzunehmen, indem man seine Parteipräferenz bei einer anstehenden Wahl zum Ausdruck bringt mit einem Treffen einer Spitzenkandidatin.

Also das ist sozusagen vor dem Zivilisationsstandard, vor 1815 in der diplomatischen Auseinandersetzung. Deswegen haben Ischinger und Heusgen natürlich auch ganz besonders schockiert reagiert. Die Kultur ist zum Ziel auch von Project 2025 geworden, also Angriffe auf die Freiheit der Künste. Der amerikanische Präsident ist jetzt auch CEO des Kennedy Centers for the Arts.

Da kriegen natürlich die LGBTQ-Bewegungen, werden da beschnitten, Mittel werden beschnitten oder gekürzt, Minderheitenfreundliche Kulturpolitik wird zurückgedreht. Gleichzeitig wird den Europäern gesagt, sie seien nicht meinungsfreiheitsfreundlich. Das ist schon auch im engeren Sinne ein Angriff auf freiheitliche Kultur. Also nicht nur politische Kultur, sondern auch die Künste. Ja, selbstverständlich, ganz klar. Wobei es ist nicht...

Ein Angriff allumfassend auf die Kultur, sondern natürlich auf die liberale und linke Kultur. Also insofern ein selektiver Angriff. Vorbei vielleicht an der Stelle, um dann auch mal wieder...

was Hoffnungsvolles sagen zu können. Wir Europäer haben ja natürlich immer gerne etwas die Nase gerümpft über die private Verfasstheit und die private Finanzierung der amerikanischen Kultur und amerikanischen Kulturstätten. Das ist natürlich in einer solchen Situation, in der die USA momentan sind,

ein, wenn man so will, ein Sicherheitsgurt. So einfach, wie es in Deutschland wäre, wenn man durchregieren kann, wird es Trump nicht gelingen, diese Kultur zu schließen, weil sie eben so häufig auch so stark finanziell privat getragen ist und wir ein stark privat organisiertes Kultursystem haben. An der Stelle ist das, was wir lange Zeit vielleicht als Problem angesehen haben, inzwischen ein Vorteil.

Ich würde die letzten Minuten, Michael Zirn, gerne mit Ihnen nutzen, um, dass Sie mich nicht so traurig hinterlassen, zurücklassen. Wie können wir daran arbeiten? Wir haben erlebt eine großartige Wahlbeteiligung bei der Deutschen Bundestagswahl.

Weil wir haben viele Demonstrationen gesehen, die man nicht stellvertretend nehmen darf. Die Demonstrationen in Hamburg, Berlin, München, Dresden oder Köln sind schön und doch haben über 10 Millionen AfD gewählt. Also da gibt es ein handfestes Problem. Die auf Stabilität ausgesicherten Regierungskoalitionen der alten Bonner Republik sind passé. Daran müssen wir uns gewöhnen. Das ist auch ein europäischer Trend.

Wie können wir daran arbeiten, diese angegriffene liberale Demokratie zu stärken? Also den Schritt von der Zuschauer, der bequemen TV-Demokraten-Mentalität hin zu einer größeren Beteiligungsdemokratie, zivilgesellschaftliche Organisation. Was denken Sie? Naja, aus dem, was ich vorher gesagt hatte, mit der Entfremdung von der Demokratie folgt natürlich aus meiner Perspektive zumindest nicht der

dass wir jetzt renationalisieren und all die europäischen und internationalen Institutionen abschaffen, die wir natürlich brauchen, um unsere Probleme zu lösen. Stichwort Klima. Stichwort Sicherheit. Stichwort Sicherheit, Stichwort Regulierung der digitalen Gigantenregelung.

Stichwort Steueraufkommen. Also es gibt so viele Gründe, dass wir die internationalen Institutionen und die internationale Kooperation brauchen. Wir können nicht den Weg der Renationalisierung gehen. Was wir schaffen müssen, ist uns Gedanken zu machen, wie wir diese internationalen europäischen Institutionen einerseits, aber auch die, ich nenne sie jetzt mal, expertokratischen innerhalb des Landes andererseits,

so wiederum für öffentliche Prozesse, für Konsultationen offen machen, dass nicht dieser Eindruck entstehen kann, dass sie entfernt von demokratischen Wünschen im Namen einer kleinen liberalen Elite regieren. Also insofern ist die Demokratisierung der Demokratie ein Weg. Aber das ist natürlich ein langfristiger Weg, einer, der auch nicht schnell die gewünschten Erfolge bringen kann. Was...

vielleicht schon von Bedeutung ist und was die Richtung zeigen könnte, ist, dass wenn wir jetzt auf die ökonomischen Faktoren schauen, dann ist es. Wir haben gerade im Kontext unseres Exzellenzclusters eine Untersuchung in 26 Staaten parallel, ein Survey, und es zeigt sich relativ deutlich, dass die Frage der Ungleichverteilung privaten Einkommens gar nicht so sehr als Problem wahrgenommen wird und gar nicht so sehr zu Unzufriedenheit für die

den Trend zum Autoritarismus hintreiben. Das ist ein kleiner, ein gewisser Effekt, aber der ist nicht besonders groß. Entscheidend ist etwas anderes. Dann, wenn der gleiche Zugang zu Grundgütern des Lebens, zur öffentlichen Infrastruktur, zur Gesundheit, zu Schulen, zur Universität, wenn all dieses immer umgekehrt

mehr untergraben wird, wenn im Prinzip die öffentliche Daseinsfürsorge nicht mehr funktioniert, wenn es nicht mehr den gleichen Zugang zu diesen Grundgütern gibt, dann wächst die Unzufriedenheit und dann werden autoritäre Parteien und autoritäre politische Kräfte stark.

Was wir also brauchen, ist tatsächlich sozusagen wieder eine große Investitionsanstrengung in unser öffentliches Gemeinwesen. Vor allem nach innen, aber jetzt natürlich durch die Entwicklung auf der Ebene der Weltpolitik auch nach außen mit Blick auf die Zukunft. Also sozusagen eine handlungsfähige Regierung, die in der Lage ist, ein solches öffentliches Investitionsprogramm aufzusetzen. Das scheint mir der Weg zu sein, wie kurzfristig

autoritäre Populisten an Dynamik, an Kraft verlieren können. Wenn die Deutsche Bahn wieder funktioniert, wenn die Schulen wieder besser werden, wenn es einen ordentlichen Zugang für alle zum Gesundheitswesen und zu Krankenhäusern gibt, wenn der Bus überall hinfährt, dann

haben die autoritären Populisten sehr wenig Chancen. Und an der Stelle kann gearbeitet werden. Das geht auch schneller und kurzfristiger, nicht von heute auf morgen, ganz klar. Aber das ist das Programm, was ansteht.

Um es nochmal anders zu formulieren, in einer anderen Studie, die ich zusammen mit der Allianz Stiftung zu Backlash mache, zeigt sich, dass inzwischen die zufriedenen liberalen Demokraten eigentlich in der Minderheit sind. Sie sind circa 40 Prozent. Die Unzufriedenen sind über 60 Prozent. Und diese Unzufriedenen setzen sich aber zusammen aus 15 Prozent Rechtsextremisten.

Nochmals 15 Prozent, die ganz klar autoritär-populistische Einstellungen haben. Diese 30 Prozent zusammen sind das momentane AfD-Wählerpotenzial. Es gibt aber dann jetzt nochmals 30 Prozent, die sind unzufrieden, die sagen, wir sind auf dem falschen Weg, wir haben die falschen Entscheidungen getroffen, wir müssen wieder zur Qualität unserer Demokratie und unseres Staates zurück. Und diese 30 Prozent gilt es zu gewinnen.

Denn die Vereine kommen nicht nur von außen, sondern sie kommen von innen. Haben wir nicht zuletzt vor vielen Jahren von Daniel Sieblatt gelernt, How Democracies Die, wie Demokratien sterben, mit dem sie jetzt gerade in den nächsten Tagen in den USA ein Seminar machen. Und ich habe sie kurz vorher erwischt und darüber sind wir froh. In den Kulturfragen zur Frage liberale Welt unter Druck, ist die autoritäre Politik erfolgreicher? War das

Michael Zürn, er ist Professor für internationale Beziehungen an der FU Berlin und leitet im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung die Abteilung für Global Governance. Ich danke Ihnen und auch für die konkreten Empfehlungen und Hinweise zum Schluss unseres Gesprächs. Durch die Sendung führte bis hierhin Michael Köhler, nach uns wie gewohnt Kultur heute. Ich danke Ihnen, Herr Köhler.