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Militär, Gesellschaft, Geschichte - Adam Tooze über die neue Aufrüstung

2025/6/15
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Kulturfragen

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
A
Adam Tooze
一位多才多艺的经济学家和历史教授,通过广受欢迎的播客和专栏深入解析全球经济和政治问题。
Topics
Adam Tooze: 我认为欧洲和德国作为欧洲的一部分,拥有独立的防御能力是理所当然的。如果没有这种最低限度的能力,就不能谈论主权。令人遗憾的是,欧洲目前缺乏这种能力。虽然欧洲在乌克兰的防御中做出了一定的贡献,但主要的贡献仍然来自美国。我认为,无论特朗普是否执政,欧洲长期处于这种单方面依赖的局面是不可持续的。我们可以设想北约内部的一种分工,欧洲负责某些领域,美国负责其他领域,从而形成一种相互依赖的关系,而不是像现在这样单方面依赖美国,欧洲实际上处于完全没有防御能力的状态,我认为这是不可接受的。我们需要认真反思造成这种情况的原因,并努力纠正它。当然,纠正这种情况并不一定需要更多的资金或走向军国主义和战时经济,但我们确实需要认真审视自身,思考如何解决这个问题。我认为,在决定增加国防开支之前,我们应该首先调查一下我们目前是如何使用这些资金的。我们应该问问自己,为什么我们已经花费了数十亿欧元,却没有获得相应的防御能力。安全政策问题应该在欧洲联盟层面进行讨论,而不是在国家层面。欧洲各国应该作为一个联盟来讨论这些问题。欧洲目前在国防上投入了大约4200亿美元,但根据专家的分析,我们并没有获得相应的回报。欧洲有超过130万的军人,但我们仍然缺乏有效的防御能力。因此,我们首先需要对过去几十年的政策进行根本性的反思。在20世纪80年代,情况并非如此。我们需要找出问题所在。在某种程度上,这是我们不连贯地退出有效的防御政策和战略的结果,这其中有其自身的原因。我们当时认为自己被朋友包围,没有理由发展自己的安全政策。但我们没有勇气承认,在这种情况下,我们甚至不需要花费GDP的2%,而是可以完全不花费。欧洲的军事力量,甚至不能称之为军国主义,实际上是冷战时期过时军事思想的坟墓,这些思想可以追溯到19世纪。欧洲军队的基本模式自19世纪末以来几乎没有改变。这种过时的模式一直在延续,并消耗了大量的资金。因此,我们需要首先解决这个问题。当然,我认为在过渡时期,为了弥补我们国防能力的不足,我们需要增加投资,建立必要的能力。但如果我们的根本问题是如何威慑俄罗斯,那么我认为我们目前的开支应该足够了。4200亿美元是一笔巨款,可以购买很多东西。例如,像美国拥有的战略核武器,每年的花费约为500亿美元。当然,我们也需要承担一些投资成本,但我们真正需要的是大约12艘配备远程武器的潜艇。我认为德国应该首先克服其历史,成为一个可信的伙伴。我认为默克尔可能会利用她的欧洲关系在德国和法国之间建立桥梁。马克龙已经表示他对此持开放态度。在欧洲,德国不应再扮演阻挠者的角色,而应支持共同的防御努力。像防空这样的公共产品,应该在泛欧洲层面进行融资。这是一项长期的投资任务,为了共同的事业。如果德国至少不反对,甚至支持这项事业,那将是非常重要的。即使我们谈论的是欧洲防御,各国仍然需要投资于自己的防御。

Deep Dive

Chapters
Adam Tooze betont die Notwendigkeit einer unabhängigen Verteidigungskapazität Europas und Deutschlands. Er kritisiert die einseitige Abhängigkeit von den USA und die ineffiziente Verwendung bisheriger Verteidigungsausgaben. Tooze hinterfragt die Notwendigkeit von immensen Verteidigungsausgaben und plädiert für eine strategische Neuausrichtung.
  • Europa benötigt eine unabhängige Verteidigungskapazität
  • Bisherige Verteidigungsausgaben wurden ineffizient verwendet
  • Einseitige Abhängigkeit von den USA ist untragbar
  • Strategische Nuklearwaffen als Beispiel für effiziente Verteidigungsausgaben

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Deutschlandfunk, Kulturfragen. Mit Kolumba Krieg. Schön, dass Sie zuhören. In seiner Antrittsrede, da hat der Kanzler Friedrich Merz klar gemacht, die Bundeswehr soll die finanziellen Mittel bekommen, um die stärkste konventionelle Armee Europas zu werden. Und der Außenminister Johann Wadephul, der spricht von Verteidigungsausgaben in der Höhe von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Um solche Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe möglich zu machen, wurde auch schon vor Friedrich Merz' Antritt die Schuldenbremse reformiert. Was heißt das jetzt alles für die deutsche Wirtschaft? Darüber habe ich gesprochen mit dem Wirtschaftshistoriker Adam Tooze. Er ist Professor an der Columbia University in New York. Das Gespräch, das haben wir vor zwei Wochen aufgezeichnet, also vor dem Besuch von Kanzler Friedrich Merz in Washington.

Als erstes habe ich Adam Tooze Folgendes gefragt. Die Regierungsparteien, die sind sich ja sehr einig. Ist das für sie auch so selbstverständlich? Sollte Deutschland aufrüsten?

Was selbstverständlich ist, ist, dass Europa und Deutschland als Teil Europas eine unabhängige Verteidigungskapazität braucht. Das scheint mir ein Allgemeinplatz zu sein. Man kann nicht von Souveränität reden, wenn man diese minimale Bedingung nicht erfüllt. Und das Beschämende ist, dass Europa diese Fähigkeiten nicht hat.

Und noch hat es wirklich die Fähigkeiten, alliierten oder assoziierte Nationen, mit denen wir befreundet sind, in wesentlicher Weise in Notstandssituationen wirklich fundamentale Hilfe zu leisten. Ich will jetzt nicht sagen, dass Europa nichts zur Verteidigung der Ukraine beigetragen hat, das wäre abwegig.

Aber der essentielle Beitrag kam aus den Vereinigten Staaten. Und ganz unabhängig davon, ob jetzt Trump regiert oder nicht, denke ich, es ist keine haltbare Situation, dass Europa längerfristig in eine so einseitige Abhängigkeit gerät. Man könnte sich eine Arbeitsteilung innerhalb von NATO vorstellen, in dem der Europäer diesen Bereich decken, die Amerikaner den anderen. Das wäre also eine nicht einseitige, gegenseitige Abhängigkeit. Im Moment ist es eine

einseitige Abhängigkeit mit im Grunde einer vollkommenen Verteidigungslosigkeit von Europa. Und das halte ich für eine untragbare Situation. Man muss sich wirklich fragen, wie es dazu gekommen ist. Und das

Das zu berichtigen scheint mir richtig. Ob das mit mehr Geld unbedingt sein muss oder mit großem Militarismus, Kriegswirtschaft, all das, das halte ich für sehr fraglich. Aber diesen Grundbestand, da sollte man wirklich, glaube ich, in den Spiegel schauen und sich fragen, wie kommt das dazu? Sie beziehen das jetzt gerade auf Europa, aber das hat ja auch Auswirkungen auf Deutschland. Und Deutschland muss dann auch die Verteidigungsausgaben erhöhen. Es steht diese Zahl von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

im Raum, das wären für Deutschland über 200 Milliarden Euro im Jahr pro

Wäre das dann sowas, was Ihnen vorschwebt oder wäre das übertrieben? Ich meine, wenn wir in die Ausgaben rangehen, dann muss man zuerst fragen, warum man für zwei Prozent des Bruttosozialprodukts praktisch keine Verteidigungskapazität bekommt. Bevor wir jetzt darüber entscheiden, das zu verdoppeln oder mehr als zu verdoppeln, müssten wir doch wirklich fragen, was haben wir mit den bisherigen Milliarden eigentlich gemacht? Wie kann es sein, dass...

dass nicht nur Deutschland, sondern ich insistiere auf Europa, weil es einfach keinen Sinn macht, sicherheitspolitischen Fragen national zu debattieren im Moment. Vor Deutschland steht ja Polen und Polen kann nicht alleine stehen und hinter Deutschland steht Frankreich und Großbritannien und es muss also als Allianz besprochen werden.

Europa gibt ja im Moment 420 Milliarden Dollar rundherum für Verteidigung aus und bekommt dafür praktisch im Moment nach den Analysen der Expertin nichts. Es stehen über 1,3 Millionen Männer und Frauen im Uniform unter Waffen in Europa im Moment.

Und wir haben trotzdem keine Verteidigungsfähigkeit. Also die erste Frage muss sein, eine fundamentale Abrechnung mit der Politik der letzten Jahrzehnte. Denn in den 80er Jahren war das nicht der Fall. Woran liegt das? Das ist in gewisser Weise eine Entscheidung gewesen, inkonsequent aus einer effektiven Verteidigungspolitik und Strategie auszusteigen, was seine Gründe hatte.

Man war, wie man sagte, umgeben von Freunden. Es gab keinen Grund, seine Sicherheitspolitik zu betreiben. Aber man hatte nicht den Mut zu sagen, okay, in diesem Fall müssen wir nicht mal nicht 2%, sondern nichts mehr ausgeben. Der europäische...

Militärbestand, man kann ihn gar nicht als Militarismus beschreiben, ist ein Friedhof gewisser Weise von veralteten militärischen Vorstellungen aus der kalten Kriegszeit, die zurückgehen aufs 19. Jahrhundert. Ich meine, das fundamentale Bild des Militärs in Europa hat sich ja seit dem späten 19. Jahrhundert kaum verändert. Und dieses Modell, das Auslaufsmodell, schon immer, also schon seit Jahrzehnten, wird aber fortgesetzt und

Und das kostet einfach wahnsinnig viel Geld. Das ist die erste Frage. Also natürlich, ich gehe davon aus, dass in einer Übergangsphase und um Nachholbedarf wieder gut zu machen, es geht ja um Investitionen hier, Kapazitäten, die müssen aufgebaut werden, dass es zu einem Schub kommen muss. Aber wenn die fundamentale Frage ist, wie schrecken wir Russland ab, sagen wir mal, das ist ganz simpel formuliert die sicherheitspolitische Aufgabe,

dann müssten eigentlich die gegenwärtigen Ausgaben vollends reichen dafür. Das sind 420 Milliarden Dollar. Dafür kriegt man einiges. Also eine strategische Nuklearwaffe zum Beispiel, wie die Amerikaner es haben, kostet 50 Milliarden im Jahr. Es gibt wiederum investive Kosten, die man tragen müsste, aber was es braucht, ist ein Dutzend U-Boote mit Landstreckenwaffen. Welche Rolle sehen Sie da für Deutschland?

Zunächst gewisserweise seine eigene Geschichte zu überwinden, den verdorbenen Ruf wiedergutzumachen, als glaubwürdigen Partner aufzutreten.

Was meinen Sie mit verdorbenem Ruf?

Man mag hoffen vielleicht, dass Merz mit seiner europäischen Ader da vielleicht Brücken bauen kann in Richtung Frankreich. Macron hat angedeutet, dass er dafür offen ist. Und in Europa, wenn nicht für ihn, dann zumindest nicht den bremsenden Veto-Player spielen, wie so oft in der Vergangenheit. Ich meine, es gibt keine öffentlicheren Güter als, sagen wir mal, Luftschutz. Es macht wenig Sinn, das individuell aufzubreiten, auch für Länder nicht.

Und wenn wir jetzt Luftschutz machen, dann ist das natürlich eine pan-europäische Aufgabe und dementsprechend sollte es auch pan-europäisch finanziert werden. Es ist eine investive Aufgabe auf lange Frist für eine gemeinsame Sache, wenn Deutschland dort zumindest nicht Nein sagt, wenn Deutschland sich sogar dahinter stellt, darum geht es jetzt. Auch wenn wir jetzt von europäischer Verteidigung sprechen, dann müssen ja immer noch die Nationalstaaten auch in ihre jeweilige Verteidigung investieren.

Sie haben sich ja auch viel beschäftigt mit der deutschen Wirtschaftsgeschichte, der deutschen Geschichte. Wäre es nicht auch eine Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus, dass Deutschland besser nicht so viele Waffen anschafft?

Ich meine, worüber reden wir hier? Ich bin alt genug, ich bin ja in der alten Bundesrepublik aufgewachsen. Und die Wiederaufrüstung, die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik war natürlich ein großes Politikum in den 50er Jahren, wurde aber zur allgemeinen Zufriedenheit geregelt durch einmal EU-Einbindung und NATO-Einbindung.

Dann durch die Demokratisierung der Bundeswehr. Natürlich kein vollendetes Projekt, aber trotzdem ein militärpolitisch und militärkulturell gesehen ein durchaus interessantes Projekt. Gewisserweise eine von den Grundwerten her gesehene demokratische Wehrmacht aufzubauen.

von seiner operativen und technologischen Seite, selbst bei den Kasernen, sehr verbunden mit der alten Wehrmacht, aber von seiner politischen Orientierung her und seiner Einbettung in die bundesrepublikanische Verfassung sehr, sehr anders aufgesetzt.

Das ist das Modell, auf dem wir uns beziehen, auch quantitativ. Also wir reden, selbst wenn es zu 5% kommt, und die 5% sind ja geschummelt, das sind ja 5% in sieben Jahren, davon 3,5% konventionell. Also im Grunde vergleichbar historisch, 3,5%. 3,5%, das ist, sagen wir mal, Anspruch der Schmidt-Regierung späte 70er, frühen 80er Jahre. Und ich meine, war Deutschland, war die Bundeswehr damals viel präsenter im deutschen Leben als im Moment? Sicherlich.

Sie war aber auch hoch umstritten. Es war ein Politikum, im Grunde ein recht gesunder politischer Umgang, demokratischer Umgang mit der Frage Militarismus und Verteidigung. Und ich meine, das ist im Grunde der Maßstab, an dem wir hier ansetzen und nicht gewisserweise die Horrorvision eines entfesselten deutschen Militarismus der 30er Jahre. Das ist ja...

Da muss man ja auch als Historiker fragen, okay, die Rückbesinnung hat natürlich seinen Wert und die deutsche Geschichte ist natürlich eine, aus der man viel lernen kann.

Aber es gibt viel Geschichte, viele Modelle für einen demokratischen Umgang mit Sicherheitspolitik und gerade auch mit der Frage der Militarisierung. Und daran anzuknüpfen ist im Moment, glaube ich, die Aufgabe. Ich will nicht sagen, dass man nicht gegen Rechtsextremismus in den Rängen der Bundeswehr vorgehen sollte und zwar konsequent. Ich will nicht sagen, dass die AfD nicht...

beunruhigend ist in seiner Geschichtspolitik, ist klar. Und wenn wir die Bundeswehr aufbauen, muss man natürlich sehr sorgfältig auch die innere Führung bedenken und schauen, dass das nicht zu einem Hort des Rechtsradikalismus wird. Aber ich meine, das ist eine allgemeinragende Frage für Deutschland. Mindestens ein Viertel der Wählerinnen sind jetzt ganz rechts. Da sind alle Institutionen und nicht nur die Bundeswehr gefragt.

Ich spreche mit dem Wirtschaftshistoriker Adam Tooze über Aufrüstung und wie sie die deutsche Wirtschaftspolitik verändert. Und genau auf diese Veränderung würde ich jetzt gerne nochmal zu sprechen kommen.

Also was für Auswirkungen das hat, wenn eine Gesellschaft sich auch wieder mehr orientiert auf Verteidigung, dass ein größeres gesellschaftliches Thema wird. Jetzt gerade konnte man im Vereinigten Königreich beobachten, dass die Labour-Regierung bei den Sozialausgaben gekürzt hat, damit mehr übrig bleibt vom Staatshaushalt für die Verteidigung.

Könnte das auch in Deutschland passieren? Ja, ist sogar vorprogrammiert in dem Koalitionsabkommen. Denn das ist ja so eine findige Sache, wo sie gesagt haben, okay, die Verteidigungsausgaben ab einer bestimmten Höhe sind ausgenommen von der Schuldenregel, aber die aufgehäuften Schulden, die müssen ja bedient werden und der Schuldendienst, den rechnen wir den gewöhnlichen Haushalt an und der drückt dann natürlich auf alle anderen Gebiete. Das ist auch für mich...

Das Problem bei einer Beschreibung der gegenwärtigen Politik im Sinne von Militär-Keynesianismus, also der Bezug auf John Maynard Keynes, der berühmte Nationalökonom, den

Wenn es eine solche Politik wäre, dann würde man ja eine allgemeine Aufblähung der Staatsausgaben in Bezug auf eine unterbeschäftigte Wirtschaft sehen. Und das ist ja im Grunde, Deutschland hat viele Probleme, aber das ist nicht Deutschlands vorrangiges Problem, die Unterbeschäftigung, sondern es geht um eine Strukturveränderung.

Im bescheidenen Ausmaß, muss man sagen. Das ist ja nicht Energiewende jetzt. Wir reden darüber, die Verteidigungsausgaben längerfristig von 2 auf 3,5 zu heben und davon ist ein Teil Ausrüstung und im Grunde sollte man das gemeinsam einkaufen. Es geht auch ein Teil in den Import, das heißt man kauft sich von Amerika diese Waffen. Also

eine einprozentige, vielleicht zweiprozentige Verlagerung des Bruttosozialproduktes. Das ist natürlich für eine einzelne Firma wie Rheinmetall, der es jetzt wirklich prächtig geht, ein Riesengewinn. Aber Rheinmetall ist nicht Deutschlands größte Industriefirma. Heckler & Koch ist fast mittelständisch. Und da gewisserweise von einer Revolution zu reden, geschweige denn von Kriegswirtschaft, das ist dermaßen übertrieben.

Und im Grunde müsste man zu einer solchen Verlagerung fähig sein, 1,2 bis 2% BIP für Verteidigung. Und dann noch für viel größere Veränderungen, sagen wir mal, im Bereich Öko, im Bereich erneuerbarer Energie, im Bereich des Care-Sektors, also sozialpolitisch orientiert, im Bildungsbereich. Da brauchen wir noch, was weiß ich, 10% Punkte an weiterer Veränderung dazu. Das muss alles sein.

gleichzeitig im Grunde geschehen. Das Risiko bei dieser Regierung ist, dass sie im Grunde nur in diesem Bereich dann wirklich aktiv werden. Die Änderung der Schuldenbremse, die wurde ja auch so verkauft, dass es dann weniger Verteilungskonflikte gibt, eben zwischen Verteidigung und anderen Bereichen. Das würden Sie also nicht sagen? Ich meine, mit Schuldenbremse wäre es ja richtig krass gekommen. Ganz klar, also die Schuldenbremse aufzuheben ist wichtig.

Aber für mich war hochproblematisch der Weg zur Aufhebung der Schuldenbremse. Das ist ja eine Umgehung des demokratischen Mandats. Also wirklich extrem zynisch. Und dass man die Verteidigung dazu verwendet hat, um das durchzutreiben, macht es meiner Meinung nach noch problematischer. Denn gerade das sollte ja im Bundestag gründlichst besprochen werden, dass man dafür bereit ist, jetzt die Schuldenbremse aufzuheben.

Aber der Druck ist nicht weg und das ist klare Absicht. Was meinen Sie ist Absicht? Gewisserweise eine Bevorzugung der sicherheitspolitischen Ausgaben, eine Entregelung der sicherheitspolitischen Aufgaben. Und dadurch entsteht gewisserweise eine engere fiskalpolitische Bindung für alle anderen Bereiche. Und das ist nicht...

Ich meine, die Leute sind nicht dumm, die werden die Rechnung gesehen haben, sie sehen, welche Konsequenzen das hat und das ist ja das Problem für Merz, indem er die verschiedenen Flügel der CDU jetzt managen muss. Und es gibt natürlich einen rechten Flügel der Partei, die wirklich knallharte...

kalte Austerität im Grunde machen wollen. Können Sie uns mal erklären, was Austerität bedeutet in dem Kontext? Austerität in diesem Sinne ist einfach nur ein Begriff der Fiskalpolitik, wo es um eine Verknappung der öffentlichen Mittel und eine stärkere Herannahme der Gesellschaft in Sachen Steuern und Sozialbeiträge geht. Schwarze Null hat die Konsequenz, dass es zur Austerität kommt. Das ist ein Begriff, der im Rahmen der Eurozonen-Krise vor zehn Jahren war.

sehr hilfreich war für das Verständnis der Gemeinsamkeit der Politik, die unter anderem unter deutscher Führung von Deutschland ausgehend, aber dann auch in Irland, Griechenland, Spanien etc. durchgesetzt worden ist. Würden Sie sagen, eine weitere Reformierung der Schuldenbremse würde da Abhilfe schaffen? Könnte.

Könnte helfen, ja klar. Aber ich meine, selbst die Befürworter einer allgemeineren Modifizierung machen ja immer noch gewisserweise die Unterscheidung zwischen laufenden Ausgaben und investiven Ausgaben. Also die Idee ist, dass es Sinn macht, sich für investive Ausgaben, sei es für Verteidigung oder eben auch für Infrastruktur, Sinn macht, dafür sich Geld zu leihen.

weil ja die Kosten jetzt anfallen und die Wirkung, die positiven Wirkungen über Generationen dann genutzt werden und dann verteilt man die Last eben. Das ist das Umgekehrte der gewöhnlichen Argumentation bei der intergenerationellen Fairness, wo man immer sagt, Schulden darf man jetzt nicht machen, weil die Enkelkinder die abbezahlen. Aber umgekehrt haben ja die Enkelkinder dann auch den Nutzen von der Infrastruktur, das Geld.

Versteht jeder Haushalt. Ich weiß nicht, warum die deutsche Politik es sich damit so schwer tut. Das heißt also, man leiht sich dafür das Geld, aber eben nicht für die laufenden Ausgaben. Und das Problem ist, dass Sozialausgaben nicht als Investitionen gedacht werden, obwohl es ganz klar ist, dass es vor allem die frühkindliche Erziehung zum Beispiel die Rentapselinvestition ist, die es überhaupt gibt für öffentliches Geld. Es kleine Kinder möglichst schnell in den Kindergarten und in den Kinderhort bringen.

und die Eltern dadurch entlasten. Und diese Ausgaben werden sehr gerne als laufende Sozialkosten identifiziert. Das heißt, selbst eine Lockerung der Schuldenbremse für reine Investivzwecke könnte potenziell den Druck auf diesem anderen Bereich erhöhen. Im Koalitionsvertrag ist ganz klar, dass wirklich dort, das heißt also die Schulden, die jetzt in dem Verteidigungsbereich gemacht werden,

Die sitzen ja dort nicht, sondern der Schuldendienst, der muss dann aus dem laufenden, dem gewöhnlichen Etat kommen. Und da wird es dann umso knapper. Eine Hoffnung, auf die die Bundesregierung zu setzen scheint, um auch aus den Verteilungskonflikten rauszukommen, ist, dass es mehr Wachstum gibt. Danach sieht es aktuell noch nicht aus, aber es gibt Ökonomen wie zum Beispiel Moritz Schularik, der Präsident des Kiel-Instituts für Weltwirtschaft,

Und der meint, dass mehr Rüstungsausgaben und ein Umstieg auf die Produktion von heimischen Waffen das Wachstum in der EU ankurbeln könnten. Ist das eine mögliche Lösung in Ihren Augen? Die Überlegung ist nicht falsch. Es ist ganz klar, dass es diese Ankurbelungseffekte gibt.

Man muss ja dann nachfragen und fragen, ich meine, wenn es um die Ankurbelungseffekte geht, dann Rüstung? Und tendenziell nicht. Rüstung ist nicht ein Bereich, wo es diese großen Multiplikatoreffekte gibt. Das wäre also wirklich zu viel des Guten, zu viel der Argumentation gewisserweise.

Viel langsamer könnte die deutsche Wirtschaft ja wirklich nicht wachsen. Im deutschen Fall geht es ja nicht um eine Unterbeschäftigung, sondern es geht um Produktivität. Und die Frage ist, wird dadurch wirklich die Produktivität erhöht? Und ich will nicht ausschließen, dass es Bereiche gibt, wo es da einen großen technischen Sprung nach vorne geben könnte. Alles gut, bin nicht dagegen. Nur das jetzt besonders als Grund aufzuführen für diese im Grunde politisch-geopolitisch-

notwendigen Ausgaben scheint mir wenig stichhaltig, ehrlich gesagt. Also da gibt es andere, bessere Gründe. Ja, ich meine, der beste Grund ist, verteidigungsfähig zu sein, also diese minimale kollektive Kompetenz zu haben. Das ist ja eine Selbstaufgabe des Kollektiven, die einem zu denken geben müsste. Und weil das jetzt dieser unangenehme Bereich ist mit den Bomben und den Waffen, heißt das nicht, dass das nicht unter anderem auch ein Ausdruck dieser

dieser sehr, sehr individualistischen, konsumorientierten, wenig investiven, wenig kollektiven Sicht der Politik und der Gesellschaft und der Geschichte letztendlich ist. Es geht ja beim Militarismus auch um Geschichte. Wir sind in Berlin, man schaut sich um in der Stadt und die großen Monumente aus vormaliger Zeit sind ja ein Dokument, ein Buchstäblich, ein Mahn- und Denkmal,

einer früheren Gesellschaft, für die Krieg ganz wesentlich identitätsbestimmend und gewisserweise geschichtsbestimmend war. Und wir wollen dahin nicht zurück. Aber wir sollten uns klarmachen, was das heißt, das nicht mehr zu haben. Und in dem Grad, in dem es die Bundesrepublik nicht mehr hat im Moment, also nicht mehr die technische Fähigkeit hat,

zur kollektiven Mobilisierung zu haben. Das ist doch wirklich bedenklich. Aber es klingt ja schon paradox, dass man sagt, wir brauchen quasi mehr Waffen und mehr Verteidigung für wieder mehr Kollektivität. Brauchen nicht. Ich will nur sagen, dass historisch gesehen es ganz klar eine Parallele gibt zwischen

Der Geschichte der Massenkriegsführung, der Geschichte der Massenmobilisierung und der Geschichte von Massenbewegung im Allgemeinen. Und ein Ausdruck davon ist der Faschismus, ganz klar. Ohne totalen Krieg kein Faschismus. Alle historischen Vergleiche, die an diesem wesentlichen Punkt nicht ansetzen, verstehen den Faschismus nicht, bestimmt nicht in seiner Urform. Mussolini, Hitler sind ohne totalen Krieg nicht denkbar.

Aber auch die Sozialdemokratie, auch die massenmobilisierte linke Politik ist ein Produkt einer Gesellschaft, die um Probleme der Massenmobilisierung herum organisiert war. Technologisch, infrastrukturell, aber eben auch politisch. Und im Ersten Weltkrieg und im Zweiten Weltkrieg ist diese Fähigkeit zur Massenmobilisierung und bis in den Kalten Krieg hinein entscheidend für das, was wir den großen politischen Kampf beschreiben.

Und ich will jetzt nicht einer konservativen Weltsicht im Wort reden, die sagt, okay, alle zurück in die Uniform. Auch nicht für Frauen und Männer. Also diese Gleichstellung, wie Israel es zum Beispiel paradigmatisch ausgeführt hat, führt ja nicht weiter. Aber die Frage ist doch tatsächlich gestellt...

Was wollen wir zusammen tun? Und wollen wir uns nicht zusammen in eine Lage versetzen, in der wir fähig sind, uns zu schützen? Oder sagen wir mal, mit militärartiger Logistik auf große Herausforderungen, Desaster etc. zu antworten? Das scheint mir die im Grunde jetzt gestellte Frage. Wo würden Sie sagen, auch aus Ihrem historischen Ausdruck,

Wissen heraus, wo ist dann die Grenze zum Militarismus? Also wenn die Gesellschaft sich jetzt mehr mit diesem Gedanken anfreundet, sich zu verteidigen, mehr investiert wird in Waffen, in Rüstung, vielleicht auch die Bundeswehr, wie funktioniert?

Schützt man sich vor Militarismus? Ich denke, es hat Sinn, da mit einem Raster von drei Dimensionen zu arbeiten. Es gibt Militarismus als gesellschaftliches Phänomen. Also wie werden Männer in Uniform betrachtet? Das sieht man ja bei Jane Austen fast in diesen Chick-Flicks der Frage 1. Und wie steht man dazu? Das ist eine Frage des gesellschaftlichen Militarismus.

Eine andere Frage ist gewisserweise Militarismus als Macht. Das heißt, gibt es in der Politik bestimmende Instanzen, die im Grunde in Uniform militärisch sind? Im amerikanischen Fall der Chairman of Joint Chiefs, das Pentagon. Man redet ja über den Pentagon als Machtblock, in der Sowjetunion sowieso, in der deutschen Geschichte Bändlerblock.

Das ist ja alles präsent in Berlin. Aber eben auch im militär-industriellen Komplex, inwieweit haben rüstungsorientierte Industriefirmen im Grunde das Sagen oder jetzt die neuen Tech-Firmen? Das wäre die machtpolitische Frage. Und die dritte Dimension ist mehr kulturell, philosophisch, fast geschichtsphilosophisch. Denken wir uns Geschichte als eine des Kampfes der darwinischen Auseinandersetzung? Man sagt jetzt, die sanfte Version ist Realismus. Wie realistisch sind sie?

Oder stellen wir das in Frage, sehen wir das sehr problematisch, wollen wir das historisieren? Und ich denke, in diesen drei Dimensionen muss die Auseinandersetzung geführt werden. Wenn wir uns dazu entschließen, sagen wir mal, Skyshield zu machen und uns gegen eventuelle Angriffe von russischen Raketen zu schützen,

Vor welchen Problemen werden wir gestellt? Tendenziell eher nicht etwas, das überall dann die Uniforme verbreitet. Tendenziell nicht etwas, das jetzt sagt, okay, wir müssen die Offensive gehen und wir brauchen jetzt Militär, um was weiß ich, Frontbegradigung zu betreiben, sondern recht defensiv. Aber militärindustriell hochsensibel, wo kriegt man die Waffen her? Die sind abartig teuer. Eine Batterie von Patriot Missiles kostet

2 Milliarden für Auslandskunden, das ist richtig viel Geld. Da kannst du viele Kitas verkaufen für diese 2 Milliarden. Das ist die entscheidende Sache. Wenn wir jetzt aber Brigaden ins Baltikum stecken, das sind 10.000 Mann und Frau in Uniform mit Panzern. Da ist eher die Frage gestellt, okay,

wie sieht es mit dem gesellschaftlichen Militarismus aus und was ist die Politik, wie viele AfD-Leute sind dabei, wie viele Skinheads, was ist dort los? Und die dritte Frage ist mehr politisch, wie denken wir überhaupt über dieses Problem nach? Und deshalb reagiere ich auch etwas energisch gegen diesen Knee-Jerk, der sagt, kommt mir nicht mehr der Bundeswehr, ist doch alles nur Militarismus, das reicht nicht. Alle bisherigen Gesellschaften haben sich mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.

Eine pazifistische Politik wirklich durchzuführen, hat ungeheure Voraussetzungen und ist sehr, sehr, sehr, sehr schwierig, auch als Politikum zu verkaufen, sagen wir mal an Wählerinnen. Sodass wir da wirklich, denke ich, eine Wundestelle, eine offene Flanke haben, auf der wir ernsthafter reden müssen. Sagt Adam Toos, Professor an der Columbia University in New York.

Und das waren die Kulturfragen im Deutschlandfunk. Gleich im Anschluss hören Sie Kultur heute. Mein Name ist Kolumba Krieg. Ich bedanke mich fürs Zuhören.