Deutschlandfunk, Kulturfragen. Mit Jörg Biesler, guten Tag. Beim Wort Naturschutz, da denken wir an Artenvielfalt, an ökologische Landwirtschaft und vielleicht auch an linke Aktivistinnen und Aktivisten, die in Baumhäusern die Rodung von Wäldern verhindern wollen. Dass es grundsätzlich gut ist, die Natur zu schützen, das ist mittlerweile Mainstream und dass es notwendig ist, das sagt uns der Klimawandel, also wissenschaftliche Fakten.
Aber nicht nur wissenschaftlich wird Naturschutz begründet, auch kulturell oder sogar ideologisch. Der Ursprung des Naturschutzes war nicht die Sorge um die Umwelt. Das ist ein Aspekt, der erst seit den 70er und 80er Jahren eine Rolle spielt und den wir dann eher im linken politischen Spektrum verorten.
Zunächst aber ging es um anderes. Das erste Naturschutzgesetz, das gibt es in Deutschland ausgerechnet im Nationalsozialismus, 1935 nämlich. Und auch den ersten Aktivisten ging es nicht um Ökologie und Vielfalt, sondern um den Wald als Erfahrungs- und Mythenraum. Und die Verbindung von Naturschutz und Rechtsextremismus ist bis heute eine sehr intensive.
Dazu forscht der Historiker Nils Franke vom Wissenschaftlichen Büro Leipzig. Habilitiert hat er sich mit einer Schrift, die den Titel trägt Naturschutz, Landschaft, Heimat. Romantik als eine Grundlage des Naturschutzes in Deutschland. Ich habe ihn gefragt, wie es denn zur Entstehung dieser Idee Naturschutz in der Romantik kam.
Die Romantik, vielleicht nochmal zur Einordnung, ist ja anzusiedeln, zumindest die literarische Romantik von 1790 bis etwa 1830.
Das sind auch nicht viele Leute, die dort wirken, aber sie sind eben sehr wirkmächtig. Aus zwei verschiedenen Gründen. Der eine Grund ist, dass sie das Thema Natur ganz klar auf den Tisch packen. Das ist eigentlich eine der ersten sozialen Gruppen, die das Thema Natur im Sinne von Bewahrung von Natur thematisieren. Und wenn Sie sich zum Beispiel ein Gedicht von Eichendorff ansehen, dann werden Sie sehr schnell feststellen,
wie wichtig Natur für die Romantiker und Romantikerinnen, sind ja auch Frauen dabei, war. Das ist das eine. Und das zweite, und das ist auch sehr, sehr wirkmächtig, nämlich wie sie an den Gegenstand oder an das Thema Natur herangehen. Sie haben einen speziellen Blick darauf, zum Beispiel einen sehr verklärenden Blick, der auch noch bis heute wirkmächtig ist. Zum Beispiel...
kennen die meisten Menschen, ich würde fast sagen, wirklich die meisten Kinder in Deutschland immer noch die Märchen der Gebrüder Grimm und sind ganz bezaubert von dieser Welt, die dort beschrieben wird. Spielt im Wald hauptsächlich.
Das spielt im Wald, der romantische Wald spielt eine sehr, sehr große Rolle. Und der Wald wird dort in einer sehr schönen Form beschrieben. Also mit schön meine ich jetzt ästhetisch schön. Und ab und zu an der Universität, wenn ich denke, meine Studierenden sollen mal ganz aktiv werden, dann gebe ich ihnen das Waldprogramm des NABU, des Naturschutzbund Deutschland, also das aktuelle Waldprogramm. Was schlägt der NABU für einen Waldbau vor? Wie sollen die Wälder der Zukunft aussehen?
Und dann lesen sie sich das durch und dann gebe ich ihnen die Aufgabe, malen sie doch mal dieses Bild, das mich hier durch den Text vermittelt wird. Und dann stellen die Studierenden sehr schnell fest, dass das eigentlich die Bilder sind, die wir auch in den Märchenbüchern der Gebrüder Grimm
Also da sehen Sie dann etwas, was es in Deutschland kaum mehr gibt, nämlich einen Waldrand, der durch diese Dornenbüsche geprägt ist, der also nicht mit einem Schlag vom Wald in den Acker übergeht, sondern wo es einen Übergang gibt. Die Grundlage für das Märchen Dornröschen. Sie sehen natürlich einen Mischwald, Sie sehen keine Monokultur aus Fichten.
Sie sehen einen Wald, der unterschiedlich aufgebaut ist. Da gibt es junge Bäume, da gibt es mittlere Bäume, da gibt es ältere Bäume. Etwas, was Sie in einer Fichtenmonokultur nicht finden und so weiter und so fort. Also Sie sehen, wie wirkmächtig noch dieser spezifische Blick, und ich spreche ja jetzt über die Zeit von 1790 bis 1830,
wie wirkmächtig der ab diesem Zeitpunkt ist. In der Romantik ist diese Idee Naturschutz also eine Reaktion zum Beispiel auf die beginnende Industrialisierung, also auch auf die Gefahr, Naturräume zu verlieren. Wann entsteht denn und wie aus der Dichtung und den Bildern der Märchen sowas wie eine Naturschutzbewegung, die also dann auch praktisch tätig wird? Die
Diese Wirkmächtigkeit der Romantik findet sich dann in den Köpfen der Naturschützer und Naturschützerinnen wieder, die genau das, was Sie ansprechen, Herr Biesler, nämlich diese Verlusterfahrung haben. Zwischen 1830 und dem Beginn des Naturschutzes in Deutschland, den setzen wir so um 1880 an, da haben wir die ersten führenden Persönlichkeiten, die sich damit beschäftigen, ist ja gekennzeichnet durch die Industrialisierung.
Das heißt, doch eine starke Landschaftsveränderung. Also das ist eine unglaublich dynamische Zeit. Ich würde sogar behaupten, das ist jetzt nicht sehr historisch, aber ich würde behaupten, die ist deutlich dynamischer noch als unsere Zeit. In der Industrialisierung verändert sich die Landschaft in Deutschland in ganz schneller Form. Die Städte werden gegründet.
In manchen Fällen zu Großstädten, wenn Sie sich die Geschichte von Berlin ansehen. Die Felder werden flurbereinigt. Das heißt, alles, was im Grunde genommen auf den Feldern war, an Gebüschen, an Bäumen, wird alles entfernt, um möglichst mit mechanisierten Werkzeugen, auch mit Traktoren bereits, dort Landwirtschaft zu betreiben. Die Monokulturen werden aufgebaut, insbesondere in Forsten. Also eine unglaubliche Landschaftsveränderung.
Und dann gibt es eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, die wir inzwischen aus den Forschungen sehr gut kennen. Sie sind gar nicht so fortschrittfeindlich, aber sie möchten doch ganz gerne ein Stück Natur erhalten in der vermeintlich ursprünglichen Form, eigentlich so, wie die Romantiker das beschrieben haben. Und ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ernst Rudolf ist eigentlich ein romantischer Komponist, der insbesondere in Berlin wirkt.
Und er ist der Gründer der sogenannten Heimatschutzbewegung, 1904 gegründet. Er bringt mit anderen dieses Thema Heimat zum Tragen und hat einen unglaublichen Zulauf. Und er behauptet von sich, ich habe seine Tagebücher mir sehr genau angeschaut, dass er seine musikalische Leistung eigentlich nicht in einem Umfeld komponieren kann, das durch Monokulturen gekennzeichnet ist. Er sagt, wenn ich einen Waldspaziergang durch eine Fichtenmonokultur mache, was soll ich danach komponieren?
Das ist wirklich einer seiner Hauptpunkte, warum er sich dann als Musiker dem Naturschutz widmet und dort sehr aktiv ist und übrigens auch sehr erfolgreich ist. Aber um das vielleicht auch gleich anzudeuten, Ernst Rudolf ist jemand, der hochkonservativ ist. Hier und dort gibt es auch antisemitische Positionen. Also das ist jemand, der aus dem rechtskonservativen Bereich kommt, wie übrigens eine ganze Reihe von anderen Personen, die da eine Rolle spielen und die wir inzwischen gut kennen.
Also Naturschutz ist ein, oder die Entstehung des Naturschutzes ist ein historisches Phänomen und wie Sie schön beschrieben haben, jetzt auch ein kulturelles Phänomen. Und es hat offensichtlich auch etwas zu tun mit eher konservativen Positionen oder es kann jedenfalls was damit zu tun haben. Der Naturschutz kam ins Gesetz in Deutschland im Jahr 1935, also im Nationalsozialismus. Warum war denn den Nationalsozialisten der Naturschutz offenbar wichtiger als vorhergehende Regierungen?
In den einzelnen Ländern des Deutschen Reiches beginnt das bereits in Hessen, insbesondere 1902. Also da haben wir bereits Landesregelungen. Eine Reichsregelung, also die sozusagen in ganz Deutschland galt, das hat erst Hermann Göring 1935 durch das Reichsnaturschutzgesetz eingebracht. Es ist eines der ersten Gesetze weltweit.
das den Naturschutz umfassend in einem Staat regelt. Böhring, auch bekannt als der sogenannte Reichsforstmeister, er jagte einfach gerne. Er hat dafür gesorgt, dass eigentlich alle Wälder in Deutschland unter seiner Verwaltung standen. Und dann hat ihm jemand noch gesteckt, es gibt jetzt noch hier diese Naturschützer, die auch in der Natur wirken. Und da kennen wir auch die entsprechenden Protokolle der Besprechungen, wo er sagt, was sind das eigentlich für Leute? Was wollen die denn?
Da macht man ihn darauf aufmerksam, dass sie eben durch die Romantik gespeist sind, dass sie tendenziell rechtskonservativ, teilweise auch rechtsaußen, teilweise auch Antisemiten darunter sind. Und da sagt natürlich Hermann Göring, ja das sind doch unsere Leute und was wollen die? Und da sagt man ihm, in der Weimarer Republik zwischen 1919 und 1933 versuchen die Naturschützer dreimal ein umfassendes Gesetz für ganz Deutschland zu schaffen und scheitern immer an der Landwirtschaft.
Und da sagt Hermann Göring, ja, wenn das unsere Leute sind, dann machen wir ein Reichsnaturschutzgesetz und mehr oder minder in einem halben Jahr wird das auf undemokratische Art und Weise umgesetzt. Und dadurch gehen auch 80, 90 Prozent der Naturschützer, Naturschützerinnen auf die Seite des Nationalsozialismus rüber. Die Nationalsozialisten hatten ja ein Schlagwort, das war Blut und Boden verbreitet.
Das heißt, sie gingen davon aus, dass auf vermeintlich deutscher Erde nur ein deutscher Mensch entstehen kann. Das meinten sie auch ganz ernst. Das darf man eben nie unterschätzen. Und natürlich, was bedeutet deutscher Boden? Das bedeutet natürlich auch Natur. Das bedeutet die Alpen. Das bedeutet der Wald an sich. Der Zugang der Nationalsozialistinnen zu Natur ist ein ganz wichtiger Aspekt.
bei der Legitimation ihrer rassistischen Ideologie. Dass also wir Naturschutz eher als etwas Linkes wahrnehmen, das ist ein Phänomen, das erst in den 70er, 80er Jahren entsteht?
Genau, so ist es. Das ist der Umweltschutz. Sie haben ja in erster Linie jetzt von Naturschutz gesprochen. Naturschutz ist eine soziale Bewegung, die am Ende des 19. Jahrhunderts entsteht, so wie ich das gerade dargestellt habe und definitiv rechtskonservativ ist. Um 1970 entsteht allerdings der Umweltschutz.
Der Umweltschutz als Begriff ist eigentlich einer, der aus den USA kommt, aus der Friedensbewegung, aus der Hippie-Bewegung und dann interessanterweise übrigens von der FDP unter Genscher aufgenommen wird. Und wir wissen, dass es Genscher war, Hans-Dietrich Genscher, der den Begriff Umweltschutz erfunden hat. Er hat gesagt, das ist in den USA, das ist interessant. Wie nennen wir das? Wir nennen es Umweltschutz.
Dieser Umweltschutz wird dann aber vor allen Dingen immer durch die linken alternativen Bewegungen vorangetragen. Und sie stürmen, das kann man sich wirklich so vorstellen, sie stürmen eigentlich diese alten Naturschutzorganisationen. Der Bund Naturschutz ist ja schon seit 1913 aktiv. Den Bund für Vogelschutz gibt es seit 1899. Aber in den 70er Jahren stürmen die jungen Leute die Strukturen.
über Rennen mit die teilweise immer noch dort sitzenden alten, aus dem Nationalsozialismus kommenden Naturschutzchefs und Präzisionisten.
prägen dann diese Bewegung völlig anders, nämlich naturwissenschaftlich-ökologisch. Das ökologische Verständnis von Natur entwickelt sich weitgehend unabhängig von der Naturschutzbewegung ab 1880. Und erst in den 1970er Jahren wird dieser naturwissenschaftliche Aspekt als Grundlage der neuen Naturschutzbewegung relevant. Und 1980 entsteht Bündnis 90 Die Grünen als Partei, die das dann noch weiter in den politischen Raum tragen.
Also die Tradition ist mittlerweile, man könnte sagen, überwuchert von einer neuen Bewegung, von einer neuen Umweltschutzbewegung der 70er und 80er Jahre. Nehmen Sie uns nochmal mit in diese Gedankenwelt. Die Natur und das Volk, die haben etwas miteinander zu tun in dieser rechtsextremen Überzeugung. Das heißt, die Vegetation und der Mensch stehen in einem Zusammenhang und die müssen in einem bestimmten Zustand sein, der als Idealzustand definiert wird. Was ist das für ein Zustand?
Das ist wirklich eine sehr, sehr gute Frage. Es ist eine reine Konstruktion. Es ist also nichts, was Sie tatsächlich jetzt faktisch im naturwissenschaftlichen Sinn festmachen können, sondern wir sind da natürlich ganz klar im Bereich der Geisteswissenschaften, geisteswissenschaftliche Konstruktionen, in dem Fall des Nationalsozialismus beziehungsweise auch des Rechtsextremismus. Ich gehe mal zu den heutigen Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen. Die argumentieren sehr gerne mit der sogenannten deutschen Landschaft.
Eine Landschaft, die im Grunde genommen die Deutschen auch prägt. Es gibt einen Kanon, den sie aber dann, wenn man genauer nachfragt, gar nicht festmachen können. Meistens, wenn ich tiefer nachfrage, was das Landschaftsbild betrifft, bei entsprechenden Personen komme ich wieder zum Kaspar David Friedrich. Sie kennen alle diese wunderschönen Bilder. Das ist sozusagen ein Ursprungspunkt.
Also man hat im Grunde genommen eine deutschnationale Vorstellung von Natur und von Landschaft, die erhalten werden soll. Wenn Sie aber konkreter nachfragen, bricht sehr schnell die Argumentation zusammen, denn man kann keine Landschaft nachfragen.
nationalisieren. Ein Moor, das sich von Deutschland über die polnische Grenze erstreckt, ist in Polen ganz ähnlich anzusehen, hat ganz ähnliche ökologische Voraussetzungen, wie sie sie in Deutschland hat. Also das ist eine Fiktion, die allerdings, das muss man korrekterweise sagen, relativ viele Menschen begeistert, insbesondere wenn wir beim Thema Windkraft sind. Man geht davon aus, Windkraft verschandelt Landschaften, darüber kann man diskutieren, aber sie verschandelt bestimmt keine deutschen Landschaften.
Das sind reine Fiktionen.
Das ist ja auch ein Vokabular, das sich durchaus im Bereich der Ökologie findet. Also es gibt heimische Arten und es gibt Arten, die sozusagen zugewandert sind. Und regelmäßig stellen die ja tatsächlich auch eine Gefahr für heimische Arten dar, weil die bestimmte Überlebensvorteile haben. Das führt von Eichhörnchen bis zu gewissen Schlingpflanzen, die andere dann überwuchern. Also die begriffliche Nähe ist möglicherweise da.
Aber man muss sehr stark unterscheiden zwischen, das eine ist eine naturwissenschaftlich begründete Feststellung, dass es heimische Arten gibt und Arten, die zugewandert sind und was Sie jetzt beschrieben haben, ist eine kulturelle Festlegung und das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.
Definitiv, da haben Sie völlig recht. Das sind zwei unterschiedliche Dinge und Sie haben auch ganz klar die unterschiedlichen Ansätze dargestellt. Also ich gehe mal jetzt vom Naturwissenschaftlichen aus. Evolution, rein naturwissenschaftlich gesehen, kennt keine fremden oder einheimischen Arten, sondern es geht davon aus, die Grundlage von Natur ist Veränderung. Punkt. Und dementsprechend kann man da nicht unterscheiden.
Man kann natürlich trotzdem sagen, es gibt gewisse Arten, die sind bei uns mehr verbreitet. Das sind dann vermeintlich heimische, einheimische Arten und dafür haben wir auch eine besondere Verantwortung. Aber das ist eine relativ kleine Zahl. Dieser große Diskurs über die Frage einheimischer Arten, nicht einheimischer Arten ist viel, viel größer als die naturwissenschaftliche Basis und wird übrigens auch sehr gerne von Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen genutzt.
die etwas machen, was bereits die Nationalsozialistinnen getan haben, nämlich von natürlichen Gesetzen auf den Menschen schließen. Also sie übertragen sozusagen diese Einwanderung von Tieren und von Pflanzen, aber auch kleinen Organismen, übertragen sie auf die Zuwanderungsfrage.
Das, was von außen kommt, ist schlecht, zerstört unsere Umwelt, führt letztendlich zu einer Veränderung unserer genetischen Substanz. Auch die AfD spricht gerne vom großen Austausch. Und wenn Sie da mal nachfragen, ja, was ist denn eigentlich der große Austausch, dann kommen Sie sehr schnell auf Fragen eines vermeintlichen deutschen genetischen Artenkerns, der durch Fremdes überlagert werden soll. Also wir kommen in eine sehr, sehr rassistische Ecke.
Nils Franke vom Wissenschaftlichen Büro Leipzig forscht zu Rechtsextremismus und Naturschutz. Und Herr Franke, wenn man bei Ihnen nachliest, dann kommt man noch auf einen Seitenaspekt dieses ganzen Themas, zum Beispiel den Westwall, nämlich historische Orte, also in diesem Fall eine Verteidigungslinie im Westen des Deutschen Reiches, im Nationalsozialismus gebaut und durchaus mit Naturschutzthemen ganz eng verbunden. Denn der Naturschutz,
Am Westwall sollte tatsächlich nach den ganzen Bauarbeiten, die für diese Verteidigungsbunkerlinien notwendig waren, wieder eine deutsche Landschaft rekonstruieren. Also da waren Naturschützer daran beteiligt, das sozusagen zu rekonstruieren, sich zu überlegen, was pflanzt man da eigentlich an, damit man am Ende eine möglichst unversehrte, aber trotzdem wehrhafte deutsche Landschaft vorfindet.
Genau so ist das gewesen. Die meisten Hörer und Hörerinnen, da bin ich mir sehr sicher, kennen den Westwall nicht. Trotzdem ist es das größte Bauwerk der Nationalsozialistinnen auf deutschem Boden. Er zieht sich als, Sie haben das schon genannt, Verteidigungslinie, später wird es auch eine Angriffslinie, entlang der damaligen Westgrenze des Deutschen Reiches, also eigentlich von der Schweiz bis nördlich von Aachen.
etwa 18.000 Bunker. Dazu kommen noch viele Gräben und Stacheldrahthindernisse. Eine riesige Anlage, die heute kaum mehr im Bewusstsein ist, weil sie sehr stark von Natur überwuchert wurde.
Aber auch im Nationalsozialismus hat sich die Wehrmacht, die das errichtet hat zu großen Teilen, bzw. wehrmachtsähnliche Organisationen, die Organisation Todt, auch die haben sich überlegt, naja, es wäre doch ganz gut, wenn der Feind, in dem Fall waren die Franzosen gemeint, diese Bunker nicht sofort in der Landschaft entdeckt und haben sich dann Landschaftsplaner engagiert, die diese Bunkeranlagen, diese gesamten Verteidigungsanlagen in die Landschaft integriert haben.
Und da denken dann diese Männer weiter. Erstens sagen sie, mit unseren Leistungen können wir über die Grüntarnung diese Verteidigungsbauten in der Landschaft verschwinden lassen. Und gleichzeitig hat man gesagt, naja, aber dann können wir doch gleich eine Konstruktion machen. Also wir konstruieren eine deutsche Landschaft. So muss eine deutsche Landschaft aussehen. Sie muss eine Wehrlandschaft sein.
Also wo Truppen sich schnell verbergen können. Sie muss eine fruchtbare Landschaft sein, in der man Landwirtschaft betreiben kann. Sie muss eine Landschaft sein, in der vor allem einheimische Tier- und Pflanzenarten zu finden sind. Und so hat man das angelegt. Und das Interessante oder das Schreckliche ist, dass bei diesem Westwall, der etwa von 1936 bis 1940 an der Westgrenze des Deutschen Reiches gebaut wird,
schaffen sich diese Männer so viel Wissen an, dass sie das dann, nachdem die Wehrmacht ab 1939 Polen in der Gesamtheit, große Teile der Ukraine und Russland erobern, dass sie dieses Wissen mitbringen und dort dann ebenfalls übrigens auch mit Zwangsarbeit in die Realität umsetzen. Da ist federführend Heinrich Himmler, um dann in ganz schrecklicher Form vermeintlich dort deutsche Landschaften zu schaffen, wobei die Bevölkerung
die unterjocht wurde, entweder verschwinden sollte, getötet werden sollte oder aber erst mal mitarbeiten sollte, um dann am Ende getötet zu werden. Teilweise hat man das auch umgesetzt. Also der Naturschutz, die Landschaftspflege, die sind instrumentalisiert worden für militärische Zwecke, aber auch für rassistische Pläne, also einen neuen Raum im Osten zu schaffen und planmäßig Vegetationen und Bevölkerung auszutauschen.
Die Ideologie dahinter haben Sie uns erklärt. Wie sieht es denn heute aus mit Orten wie dem Westwall? Der ist ja heute über weite Strecken, man könnte fast sagen, wieder ein Naturschutzgebiet. Es gibt wahrscheinlich weitere Orte, die wir heute vor allem als Orte des Naturschutzes sehen, über deren Geschichte wir aber so gut wie nichts wissen. Natürlich. Und
Da ist wirklich überraschend, wie viele Flächen das sind. Also wenn Sie mir jetzt nur ein Bundesland nennen würden, ich könnte Ihnen auf Anhieb bestimmt fünf, sechs, sieben Flächen sofort heraussuchen. Ich fange jetzt mal zum Beispiel mit der NS-Ordensburg-Vogelsang an in Nordrhein-Westfalen. Es lohnt sich, dort hinzufahren. Das ist weit ab in der Eifel im Nordrheinland.
Nationalpark Eifel. Dort ist auch das Nationalparkzentrum. Das ist eine Kaderschmiede für die NSDAP-Führungskräfte gewesen. Ein Ort, in dem Personen, die danach Schreckliches, insbesondere in Osteuropa begangen haben, ausgebildet worden sind. Nach einem sehr strikten Plan. Es ist eine riesige Anlage und sie ist
gleichzeitig, und das ist auch so schrecklich, wunderbar in die Natur und die Landschaft reingebaut wurden. Also hier sieht man wieder diese enge Verbindung, die tatsächlich dann auch wirklich eine Rolle beim Bau dieser NS-Ordensburg-Vogelsang spielte, diese enge Verbindung der Nationalsozialistinnen zur Natur.
Ein zweiter Ort, das ist der sogenannte Sachsenhain in Niedersachsen. Kleiner Ort, in dem die Nationalsozialisten Planungen gemacht haben. Wie soll denn so eine deutsche Landschaft aussehen? Und insbesondere, was also die Dorfstruktur betrifft, das sind Fachwerkhäuser in erster Linie. Auch ein sehr, sehr interessanter Bereich, der ist Landschaftsschutzgebiet. Wir können also hinschauen, wo wir wollen. Wir sehen leider immer noch das Wirken der Nationalsozialisten in der damaligen Landschaft.
Naturschutzverbänden ist das heute aber sehr bewusst. Sie klären darüber auf, auch der amtliche Naturschutz. Aber gleichzeitig haben wir mit dem Aufleben einer vermeintlich neuen rechtsextremistischen Erinnerungskultur eben auch Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen, die sich dort gerne aufhalten und mit einer völlig anderen Perspektive, keiner naturwissenschaftlichen, eher einer völkisch-rassistischen, diese Landschaft wieder bewerten und aufsuchen.
Herr Franke, dazu forschen Sie, aber Sie unterrichten auch bei diesen Themen. Sie wollen aufklären, was für Gefahren sehen Sie denn, dass sich Rechtsextreme der Gedanken des Umwelt- und Naturschutzes bedienen, um auf Stimmenfang zu gehen zum Beispiel? Definitiv. Wenn wir das Interview jetzt vor zehn Jahren geführt hätten, hätte ich Ihnen gesagt,
Ist ein wichtiges Thema, jetzt mal aus meiner Perspektive, aber so relevant ist es nun nicht. Wenn wir in die heutige Zeit gucken, dann spielt insbesondere auch für die AfD dieses Thema Naturschutz, Landschaftsschutz eine große Rolle.
Wenn ich mir zum Beispiel den letzten AfD-Bundesparteitag in Riesa in Sachsen angucke, dass Herr Höcke dort auftritt und etwas wirklich Interessantes aus meiner Perspektive macht. Er hat gesagt, bei der Ausgestaltung unseres Bundestagsprogramms, das war am 12.01.2025, die Bundestagswahl stand an.
Da hält er ein flammendes Plädoyer dafür, dass man in dieses Bundestagswahlprogramm den Reinhardswald aufnimmt. Der Reinhardswald, damit kommen wir zum Anfang unseres Gespräches, der Reinhardswald ist ein Wald in der Nähe von Göttingen in Hessen und das ist eigentlich der Grimmsche Märchenwald. Das ist der
Der Wald, von dem wir wirklich wissen, dass die Gebüde Grimm ihn gerne aufgesucht haben und dort ihre Märchen, also ihre Vorstellung von Wald, den sie dann in den Märchen wiedergaben, diesen Wald haben sie als Grundlage genommen. Und dort soll im Moment am Rande ein paar Windkraftwerke entstehen. Und das nimmt die AfD und auch Herr Höcke hat das ganz stark gemacht, als Anlass zu sagen, hier wird der grimmische Märchenwald, der romantische grimmische Märchenwald, ein Kulturgut, das für Deutschland steht,
von den Windrädern platt gemacht. Leider hat das die Bild-Zeitung auch so aufgenommen. Also wo wirklich Druck aufgebaut wird auf die Kolleginnen und Kollegen, die den Naturpark dort betreiben. Also wir haben einfach von der Seite der Rechtspopulistinnen und Rechtsextremistinnen haben wir viel Engagement in diesem Bereich. Das wird stetig stärker und es wird auch immer besser durchdacht. Das muss ich leider auch sagen.
Also nicht alles, was als Umwelt- oder als Naturschutz daherkommt, ist tatsächlich auch welcher.
Ich würde sehr, sehr genau hinschauen. Es ist immer noch klar, dass Natur- und Umweltschutz eine Bewegung sind, die in der Mitte der Gesellschaft bzw. auch links verankert ist. Aber der Druck von rechts außen wird immer größer. Nils Franke vom Wissenschaftlichen Büro Leipzig. Er forscht zu Naturschutz und Rechtsextremismus. Das waren die Kulturfragen. Jetzt folgt Kultur heute. Mein Name ist Jörg Biesler.