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Rechtsextremismus - Politologe: Ideologie befriedigt Bedürfnis nach Orientierung

2025/6/8
logo of podcast Kulturfragen

Kulturfragen

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
L
Lars-Hendrik Beger
S
Simon Brost
Topics
Lars-Hendrik Beger: 我注意到越来越多的年轻人持有右翼极端主义观点,尤其是在学校里,右翼极端主义犯罪案件的数量正在增加。我想了解青少年是如何成为右翼极端分子的,以及如何帮助他们摆脱这种环境。我对青少年激进化程度感到惊讶。 Simon Brost: 我们对青少年激进化并不感到惊讶,因为我们从去年夏天开始就关注到这个现象,并且收到了很多来自学校和青少年机构的咨询。尽管我们对青少年激进化的规模感到担忧,但我们早就知道右翼极端分子会攻击酷儿群体和左翼人士。我认为,危机,如新冠疫情和气候危机,会引发对方向、身份和稳定的需求,而右翼极端主义意识形态可以通过提供明确的敌对形象和力量承诺来满足这种需求。此外,社交媒体使得接触右翼极端主义意识形态和与右翼极端主义行为者建立联系变得更加容易。我们必须认识到,暴力是右翼极端主义意识形态的一部分,新的右翼极端主义青年团体正在使用暴力,这是他们世界观和实践中不可或缺的一部分。

Deep Dive

Chapters
Der Politikwissenschaftler Simon Brost erklärt, warum Rechtsextremismus für Jugendliche auf Identitätssuche attraktiv ist. Es gibt keine einzige Ursache, aber Faktoren wie Krisen, das Bedürfnis nach Orientierung und klare Feindbilder spielen eine Rolle. Soziale Medien erleichtern den Kontakt zu rechtsextremen Akteuren.
  • Kein einzelner Weg in den Rechtsextremismus
  • Krisen schaffen Bedürfnis nach Orientierung und Identität
  • Rechtsextreme Ideologie bietet klare Feindbilder und Stärkeversprechen
  • Soziale Medien erleichtern Kontakt zu rechtsextremen Akteuren

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Deutschlandfunk, Kulturfragen. Mit Lars-Hendrik Beger, hallo. Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren organisieren sich und planen rechtsextreme Terrorakte. Das haben die Ermittlungen rund um die sogenannte letzte Verteidigungswelle gezeigt. Doch nicht nur da wird deutlich, immer mehr Jugendliche ticken rechtsextrem. So steigen zum Beispiel laut einer Umfrage der Zeit aus diesem April die Zahl rechtsextremer Straftaten an Schulen deutschlandweit.

Wieso werden junge Menschen rechtsextrem und wie kann man Jugendliche durch Intervention und Beratung aus der rechtsextremen Szene wieder herausholen? Darüber spreche ich mit Simon Brost von der mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Berlin. Er berät Schulen, Vereine und andere Institutionen im Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen. Hallo Herr Brost. Hallo Herr Bieger.

In den letzten Wochen wurde nicht zuletzt, jetzt seit der Razzia gegen die Mitglieder der sogenannten letzten Verteidigungswelle Mitte Mai, viel über das Thema Jugendliche und Rechtsextremismus gesprochen. Und ich persönlich höre da aus der Berichterstattung immer so eine gewisse Überraschung mit raus. Wie geht es Ihnen? Waren Sie überrascht und sind Sie überrascht, wenn Sie sich damit auseinandersetzen, wie radikalisiert Jugendliche scheinbar sein können?

Wir sind insoweit nicht überrascht, dass das Phänomen, das Sie ansprechen, dass uns das schon ungefähr seit dem letzten Sommer beschäftigt, dass uns dazu eben auch zahlreiche Anfragen erreichen, gerade, Sie sprachen es an, aus Schulen und Jugendeinrichtungen und dass es hier in Berlin ja auch eine Reihe von ja durchaus auch spektakulären Gewalttaten gab, die aus diesem Milieu ausgegangen sind und die auch einen gewissen medialen Widerhall gefunden haben, aber

Aber grundsätzlich die Massivität, in der sich das gerade zeigt, ist schon ein Phänomen, was wir mit Sorge beobachten. Gleichwohl die Feindbilder, die dort bedient werden, das heißt Angriffe auf Kire-Menschen, Angriffe auf Linke, sich als antifaschistisch verstehende Menschen, sind selbstverständlich etwas, was wir schon länger aus der rechtsextremen Szene kennen.

Jetzt lassen Sie uns, bevor wir auf die aktuellen Beispiele gleich noch zu sprechen kommen, nochmal ganz zurück zum Anfang, zum Ursprung gehen und gleich die große Frage stellen. Wie werden Jugendliche rechtsextrem? Gibt es da ein Muster, so eine Art Kriterienkatalog, der da irgendwie erfüllt sein muss? Gibt es da etwas, was die individuellen Geschichten zusammenhält?

Ich denke, den einen Weg in die rechtsextreme Szene gibt es nicht, aber es lassen sich sicherlich einige Faktoren identifizieren, die das begünstigen. Da müssen wir sicherlich zunächst auch über die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sprechen. Das heißt, Jugendliche wachsen auf in einer ja doch gesetzlichen

Ja, von Krisen gezeichneten Zeit, wenn wir jetzt an die Corona-Krise denken, wenn wir auch an andere Krisen denken, beispielsweise die Klimakrise. Krisen schaffen das Bedürfnis nach Orientierung, nach Identität, nach Stabilität. Und das ist ein Bedürfnis, was rechtsextreme Ideologie auch befriedigen kann, gerade wenn sie dann auch noch ausgestattet ist mit klaren Feindbildern und ein Versprechen von Stärke mit sich bringt.

Das macht die rechtsextreme Szene nicht nur, aber gerade auch für junge Menschen auf Identitätssuche sehr attraktiv. Und wir müssen sicherlich auch auf die letzten Jahre und die politischen Entwicklungen schauen. Das heißt, wir haben es hier mit einer Altersgruppe zu tun, die mit einer Partei aufgewachsen ist, die in ihrer Entstehungszeit vielleicht noch als rechtspopulistisch zu bezeichnen wäre, inzwischen rechtsextrem ist.

dominiert ist, die damit aufgewachsen sind mit einer gewissen Normalisierung rechtsextremer Positionen, die an Jugendlichen, an Elternhäusern, an gesellschaftlichen Gruppen eben nicht spurlos vorbeigeht und aus denen auch diese Gruppen eine gewisse Legitimation ziehen können, nämlich die Legitimation gewissermaßen auch gewalttätig aufzutreten, auf den Straßen zu

Vollstreckerin dieses Diskurses zu sein und dabei, und das ist gewissermaßen dann auch der Widerspruch, der aber auch die Brücke schlägt zur Jugendkultur, sich gleichzeitig auch revolutionär zu inszenieren, indem man sich eben mit den vermeintlichen linken Meinungseliten in den Schulen, in den Universitäten anlegt.

Jetzt haben Sie ganz viel genannt, was so den Reiz ausmacht, also die Antwort auf die Krise oder die vielen Krisen, die Gegenkultur gegen eine vermeintlich linke Deutungshoheit an Schulen und Universitäten. Aber nochmal die Frage, wie kommt denn der Kontakt überhaupt zustande und wieso wird Rechtsextremismus eine Perspektive? Denn eine Antwort auf Krisen, die hatte ja zum Beispiel auch die Jugendbewegung Fridays for Future lange.

Sie hat sozusagen dort ein Angebot gemacht, hat Menschen versammelt oder junge Menschen versammelt, die sich Sorgen gemacht haben, die Klimaschutzmaßnahmen eingefordert haben. Allerdings muss man auch sagen, wenn man da jetzt auf den Punkt Selbstwirksamkeit guckt und den Effekt dieser Proteste, sehen wir, dass die Forderungen der Jugendlichen in der Politik steigen.

Nicht in dem Sinne aufgegriffen wurden, wie sich sicherlich die Protestbewegung das versprochen hat. Also sicherlich auch ein Moment, wo Selbstwirksamkeit einer demokratischen Jugendbewegung ein Stück weit auch gefehlt hat. Und es entscheiden sich ja glücklicherweise nur ein kleiner Teil der Jugendlichen, aber eben doch ein sichtbarer werdender Teil eben für diese rechtsextremen Krisenlösungsstrategien oder vermeintlichen Strategien, diese Antworten eben zu.

Klare Geschlechterrollen, klare Hierarchien, klare Feindbilder und man muss auch sagen, dass es gerade die sozialen Medien oder die Kommunikation, die ja gerade für diese neuen rechtsextremen Jugendgruppen extrem wichtig ist, es sehr viel leichter gemacht hat, zum einen mit rechtsextremer Ideologie in Kontakt zu kommen, aber auch ganz konkret Kontakt aufzubauen zu rechtsextremen Akteuren, die genau das natürlich nutzen.

Und dort auch ganz gezielt versuchen und durchaus manchmal mit Erfolg rechtsextrem orientierte Jugendliche dann auch sehr niedrigschwellig, sehr schnell und auch für rechtsextreme Aktionen dann auf der Straße einzubinden. Das wäre jetzt auch mal die nächste Frage gewesen. Es wird ja viel diskutiert, zum Beispiel seit der Europawahl, bei der der AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah extrem erfolgreich war auf TikTok.

Da wird über den Einfluss der digitalen Medien gesprochen, also über TikTok, über Ex, ehemals Twitter oder ein viel diskutiertes Beispiel. Letztes Jahr hat das sogenannte SILD-Video auf dem Party machende, auf einen alten Eurodance-Song rassistische Parolen singen. Also wie wichtig ist dieser digitale Raum für die Radikalisierung?

Der digitale Raum spielt für den Rechtsextremismus allgemein und gerade auch für diese sich formierenden neuen rechtsextremen Jugendgruppen eine große Rolle. Zum einen eben für die Rekrutierung. Das heißt, ich hatte gesagt, es ist relativ einfach für Jugendliche, wenn sie anhand von bestimmten Schlagwörtern suchen, dann in Kontakt zu bekommen mit dieser Ideologie. Man muss jetzt nicht mehr...

irgendwelche Hinterzimmertreffen besuchen oder Veranstaltungen aufsuchen, sich aus der Haustür bewegen, sondern man kann relativ einfach sozusagen mit allen Erscheinungsformen da in Kontakt treten, die konsumieren und landet dann relativ schnell eben in Chatgruppen, in Messengergruppen, wo dann auch mobilisiert wird zu Aktionen. Und das läuft relativ schnell. Das ließe sich hier in Berlin auch durchaus an konkreten Beispielen

Da wird dann morgens oder vormittags ein Screenshot eingestellt, hier aus der Versammlungsdatenbank.

von einer Anmeldung in Reinickendorf. Hermsdorf steht zusammen, also ein bürgerlicher Zusammenschluss aus dem Norden von Berlin, möchte dort demonstrieren. Dieser Screenshot wird dort geteilt und wird dazu aufgerufen, dort hinzufahren. Es wird eine Person erklärt, sich bereit, dort spontane Kundgebung anzumelden. Und dann fahren da Leute hin und dann tauchen dort, in dem Fall jetzt eine überschaubare Zahl, von etwa zehn rechtsextremen Jugendlichen auf, die dort versuchen zu stören, sich mit ihren Fahnen versammeln.

Das ist in dem Fall relativ glimpflich abgegangen, weil auch die Polizei im Vorfeld, die Anwälte im Vorfeld gewarnt wurden. Aber da ließen sicherlich noch weitere Fälle... Jetzt sind Sie schon einen Schritt weiter. Wir sprechen über Radikalisierung und Sie sagen, ja, dafür ist das Internet wichtig und offensichtlich auch für die Organisation. Ich will nochmal zurück zu diesem Erstkontakt, wenn ich mir jetzt anschaue...

Welche Rolle, das haben Sie ja gerade beschrieben, digitale Medien heute spielen. Die NPD damals in den 90ern und 2000ern, die hatte ja auch Strategien, sich an Jugendliche zu wenden. Da gab es die berühmte Schulhof-CD zum Beispiel. Es gab Veranstaltungen, die sich an Jugendliche gewendet haben. Inwiefern unterscheiden sich denn die Rekrutierungsformen damals und heute?

Ein konkreter Unterschied beispielsweise, wenn Sie die Schulhof-CD ansprechen, die ja an Schultoren vor Schulen verteilt wurden, durchaus auch in Anwesenheit oder Lehrkräfte, die das vielleicht beobachtet haben, die die Möglichkeit hatten, dort zu intervenieren, das vielleicht im Unterricht aufzugreifen, zu widersprechen, also auch andere Schülerinnen und Schüler, die vielleicht...

gegenüber dem Rechtsextremismus eingestellt sind, die Chance hatten zu reagieren. Dieser Widerspruch, diese Konfrontation damit fehlt eben in den sozialen Medien. Sicherlich sind die sozialen Medien jetzt nicht der alleinige Faktor, aber sie sind in gewisser Weise auch ein Zerspiegel gesellschaftlicher Verhältnisse, der bestimmte Haltungen dann auch verstärkt und Menschen sozusagen mit diesen Haltungen auch zusammenführt und wo eben auch der Widerspruch fehlt und wo es relativ einfach ist oder relativ schnell passiert, dass man sich dort dann auch immer tiefer integriert.

Und dieser Widerspruch, der fehlt, weil man einfach nicht hineinsehen kann als Lehrperson zum Beispiel?

Beispielsweise das oder entsprechende digitalen Räume, wo sich geäußert werden, diese Gegenstimmen schlichtweg auch nicht anwesend sind. Und genau, auch das sozusagen dort, wenn man so will, den Widerspruch, die soziale Kontrolle fehlt und erst recht sozusagen durch pädagogische Fachkräfte, wie es in Schulen oder Jugendeinrichtungen vielleicht der Fall gewesen wäre.

Und da ist es jetzt aktuell eben sehr viel einfacher, als es vielleicht noch in Zeiten der Schulhof-CD war. Das heißt, der digitale Raum, der ist entscheidend auch für die Rekrutierung. Aber das, was man dort zu sehen bekommt als Jugendlicher, als junger, heranwachsender Mensch auf TikTok und auch auf anderen Social-Media-Kanälen, ist das schon sowas wie eine eigene Jugendkultur? Gibt es da eine eigene Bild-, eine eigene Klangsprache?

Die gibt es definitiv, also auch weil sie das Söth-Lied ansprechen, wird durchaus sozusagen auch als ein Meme verhandelt, also als ein Ausdruck, als eine Form rechtsextremer Internetkultur, dass also ein Lied oder eine Sequenz aus einem Lied entsteht.

entsprechenden Inhalten belegt, sondern auch schnell sich verbreiten lässt und Verbreitung findet. Also da greift es natürlich mit bestimmten Elementen der Jugendkultur und vor allen Dingen auch der Online-Kultur zusammen, die die Rechtsextremen ganz gezielt nutzen. Und man muss auch sagen, dass es die Rechtsextremen waren, vielleicht auch mehr und schneller als andere, die erkannt haben,

Und auch das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied zu der Zeit in den 90er Jahren und den Nullerjahren mit der NPD, die sie angesprochen haben, dass heute einfach das Internet online viel stärker noch als vor einigen Jahren, gerade für Jugendlichen, der soziale Raum schlechthin ist, wo sie sich aufhalten, wo sie sich Freundschaften knüpfen.

Wo sie vielleicht auch Medien oder bestimmte Diskussionen konsumieren und genau dort sind die Rechtsextremen eben präsent und verstehen es sehr gut und sind ja sehr stark bemüht darum, ihre Inhalte dort zu platzieren und auch attraktiv zu verkaufen und zu verpacken und das gelingt ihnen sicherlich auch besser als noch vor einigen Jahren.

Wir haben im vergangenen Jahr hier im Deutschlandfunk im Rahmen der Kulturrecherche zum Geschichtsbild der neuen Rechten recherchiert. Und dabei sind wir auch auf Strategien gestoßen, deren Ziel es ganz offenkundig ist, Holocaust-Relativierung und auch eine neue Deutung der NS-Geschichte gezielt an Jugendliche zu bringen. Etwa durch rechtsextreme Memes, über die wir schon gesprochen haben, im Stile von NS-Propaganda auch in Teilen. Zahlreiche TikTok-Videos, die sich mit dem Thema Stolz und Nationalismus beschäftigen.

Inwieweit geht auch dieser Plan auf, ein eben nicht nur kulturelles Bild, sondern auch ein geschichtspolitisches Bild zu vermitteln? Funktioniert das?

Der Rechtsextremismus arbeitet auf allen Ebenen daran, das Geschichtsbild zu verändern, weil die Geschichte des Nationalsozialismus, die Erinnerung an seine Verbrechen ein Haupthindernis sind auf dem Weg zu einer Konstruktion von einer positiven nationalen Identität, also dahin, wo der Rechtsextremismus hin will. Da muss man eben, da wird ein Umgang mit gefunden, indem man ihm beispielsweise je nach Fasson, je nach Erscheinungsform des Rechtsextremismus ändert.

entweder komplett leugnet, ihn verharmlost oder ihn versucht zu demathisieren, zu kontextualisieren, klein zu machen. Also immer einen Weg zu finden, drumherum gewissermaßen das auszublenden und die Widersprüche, die daraus auch hervorgehen. Zum einen ist das inhaltlich nicht nur ein Nischenthema, sondern tatsächlich ein Identitätsthema des Rechtsextremismus im Bereich der Geschichtspolitik. Wir würden da

Oder sprechen da auch von einem Kulturkampf von rechts. Zugleich ist es natürlich auch so, dass gerade Jugendliche und auch Rechtsextreme allgemein sich natürlich auch der Provokation, die von Äußerungen zum Holocaust, seiner Relativierung, seiner Verharmlosung ausgehen, bewusst sind und das auch nutzen und auch für sich zu nutzen wissen.

Gehört sicherlich auch dazu, aber Sie sprechen da auf jeden Fall ein großes Problem an, was sich auch in unserer Beratung zeigt. Also, dass sich zunehmend auch Gedenkstätten an uns wenden. Das sind nicht nur Schülerinnen und Schüler, das sind aber eben auch Schülerinnen und Schüler, die in der Gedenkstätte auffallen durch Provokationen, durch Störungen, durch Aufkleber, durch Hitlergrüße.

Einträge in Gästebüchern, also das gibt dort sehr viele Formen, mit denen sich Gedenkstätten nicht erst seit gestern, aber eben verstärkt auseinandersetzen müssen. Hinzu kommt sicherlich auch nochmal ein verstärkter Antisemitismus, der nicht nur aus dem Rechtsextremismus kommt. Also es sind vielfältige Herausforderungen, aber die gehen eben gerade auch von Jugendlichen und Schülerinnen und Schülern aus. Ja, das ist richtig.

Und all das, das führt dann zu einer Radikalisierung, die aber nicht zwangsläufig, wie zum Beispiel bei der letzten Verteidigungswelle, in einer Form des fast schon Terrorismus, kann man sagen, mündet. Also da gibt es doch auch dann Facetten des Rechtsextremismus.

Genau, also der Weg zum Rechtsterrorismus, den Sie ansprechen, ist sicherlich nicht zwangsläufig oder von vornherein angelegt, wobei ich sagen würde, die Möglichkeit ist gegeben, weil Gewalt ist rechtsextreme Ideologie immer inhärent. Anders lassen sich rechtsextreme Forderungen etwa nach Remigration auch gar nicht durchsetzen als mit Gewalt. Das heißt, der Schritt ist da nicht weit.

Aber wir sehen vor allen Dingen natürlich auch Formen der Gewalt, die sich jetzt noch unterhalb des Rechtsterrorismus bewegen. Also beispielsweise gab es im März einen Prozess hier in Berlin, wo ein führender Kopf der deutschen Jugend voran, also einer der neuen rechtsextremen Jugendgruppen verurteilt wurde und da ging es unter anderem eben um Gewalt.

zwei Gewalttatenübergriffe auf politische Gegner, die teilweise dann auch noch in den sozialen Medien dokumentiert und verhöhnt wurden. Das heißt, diese Form der Gewalt oder diesen Weg zur Gewalt sehen wir schon. Das heißt, Gewalt gehört zur rechtsextremen Ideologie dazu und Gewalt wird von diesen neuen rechtsextremen Jugendgruppen auch ausgeübt und ist ganz konstitutiv für ihre Weltwirt und für ihre Praxis. Und der nächste Schritt zum Rechtsterrorismus ist dann eben das,

Nicht unbedingt vorhergezeichnet, aber doch immer ein Schritt, den man durchaus auch im Auge behalten muss, wenn diesen Tendenzen nichts entgegengesetzt wird. Wenn diese Jugendlichen, wenn diese Gruppen keine Grenzen erfahren und eben keine Gegenrede erfahren.

Es gab in den vergangenen Wochen noch eine andere Meldung, über die ich mit Ihnen sprechen möchte. Und zwar eine Umfrage der Zeit aus diesem April. Die zeigt, dass in allen Bundesländern die Zahl rechtsextremer Straftaten an Schulen zunimmt. Das sind dann häufig Hitlergrüße oder SS-Ruhendigi auf Schulmöbel gezeichnet werden. Aber eben auch Straftaten im Bereich der Körperverletzung oder in der Androhung von Gewalt. Was bekommen Sie in Ihrer Beratung mit? Wie zeigt sich der Rechtsextremismus zum Beispiel auf dem Pausenhof?

Also Anfragen aus Schulen erreichen uns zurzeit relativ viele, weil nicht nur einem geht es um diese rechtsextremen Jugendgruppen, sondern es geht auch

die sehr unabhängig von diesen Gruppen entsprechend auffallen, durch Bekleidung, durch Äußerungen. Und diese Anfragen kommen auf ganz unterschiedlichen Wegen bei uns an und können auch einen ganz unterschiedlichen Hintergrund haben. Also es kann sein, dass vielleicht ein Schüler aufgefallen ist durch eine bestimmte Bekleidung, durch einen Gürtel mit Runen beispielsweise oder durch eine Äußerung im Unterricht. Oder aufgefallen ist, dass sich eine Schülerin vielleicht in den sozialen Medien Fotos veröffentlicht, die sie eindeutig im rechtsextremen Kontext zeigen.

Und wo sich dann Schulen, vor allen Dingen eben Lehrkräfte, Schulsozialarbeit an uns wenden und wir sie dann unterstützen, darin einen Umgang zu finden. Diese Anfragen häufen sich auf jeden Fall zurzeit und wir haben durchaus auch einige Fälle, wo es eben diese Anbindung an organisierte Strukturen gibt und sogar auch einen Fall, wo es Hinweise dazu gibt, dass sich tatsächlich rechtsextrem orientierte Schüler befinden.

an einer Schule selbstständig auch organisiert haben. Das heißt, auch abseits dieser Gruppierung finden sich Jugendliche zusammen und schreiten durchaus auch zu Tat bis hin zu Gewalt. Und das sind Herausforderungen, die an Schulen in dieser Form und in dieser Intensität zumindest in den letzten Jahren neu sind und die sicherlich

Auch einige Fragestellungen aufwerfen oder neu aufwerfen, mit denen auch Jugendarbeit schon in der Vergangenheit zu tun hatte, insbesondere in den 90er Jahren. Also der Frage, wie kann da Grenzsetzungen aussehen, wie kann Schule darauf reagieren, wie kann Schule vielleicht auch gerade demokratische Gegenstimmen betroffene Schülerinnen und Schüler schützen und stärken. Und wozu raten Sie Schulen dann in so einem Fall, wenn die sich bei Ihnen melden? Was können Sie denen mitgeben?

Wir können, genau mit Ihnen natürlich erstmal müssen wir verstehen, um was es überhaupt geht. Also wir arbeiten nach dem Dreiklang, wahrnehmen, deuten, handeln, versuchen...

die Beratungsnehmenden dann darin zu begleiten. Das heißt, erstmal genau zu besprechen, mit welcher Herausforderung haben wir es eigentlich zu tun? Und wie sind die Jugendlichen, wie ist der Jugendliche eigentlich genau einzuschätzen? Was wissen wir eigentlich über die Ideologiedichte, über den Einbindungsgrad? Und daran entscheidet sich dann auch, wie ein Umgang aussehen kann. Ob da sinnvoll ist, erstmal nochmal das Gespräch zu suchen oder ob die Grenze da schon überschritten ist, dass man eher schauen muss, dass man andere Schülerinnen und Schüler schützt.

diesen Jugendlichen eher einhegt und vielleicht sogar auch in den Bereich von Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen geht, die ja Schulen zur Verfügung stehen. Und wir raten Schulen eben auch, dass die beste Prävention eben ein Schulklima ist, in dem deutliche Gegenpositionen gegen Rechtsextremismus für Demokratie sichtbar werden und da gibt es verschiedene Möglichkeiten,

die zu verankern, etwa in Hausordnungen, etwa in Schulleitbildern oder auch einfach im Schulleben durch Projektwochen. Und das ist etwas, was glücklicherweise auch in unserer Erfahrung oder die zumindest von uns auch angefragt werden, auch von engagierten Lehrkräften vielfach auch gemacht wird, weil diese Kultur des Widersprechens, des Hinschauens, daran zu arbeiten, ist eben die beste Prävention.

Und die Intervention ist dann eben genau die Frage, wie und welches Problem handelt sich eigentlich genau, was ist das Ausmaß und wie energisch müssen wir da eigentlich dagegen halten. Und da ist dann die Frage sozusagen, was ist das Ziel von einer Intervention? In der Regel eben diese rechtsextreme Einflussnahme zu begrenzen, im äußersten Fall vielleicht auch Jugendlichen die Bühne zu nehmen in der Schule, für die Ideologie zu werben, andere Schülerinnen und Schüler zu beeinflussen.

Jetzt haben Sie aber eine ganze Menge beschrieben, was Schule leisten müsste in so einem Fall. Wenn man sich jetzt umguckt in Deutschland und auch in Ihrem Standort in Berlin, dann leiden ja viele Schulen unter einem enormen Unterrichtsausfall, unter Sanierungsstau. Lehrkräfte beschreiben Situationen, in denen sie sich am Limit befinden. Kann Schule das gerade leisten, diesem Rechtsextremismus adäquat zu begegnen?

Richtig ist, Schule kann das selbstverständlich nicht alleine leisten und Schule braucht Unterstützung. Und die Wirtschaft, die Situation, die Kürzungspolitik, die ja nicht nur Schule betrifft, sondern auch andere kulturelle Angebote für Jugendliche, Jugendeinrichtungen, das ist natürlich etwas, was Prävention und Intervention gegen Rechtsextremismus sehr stark erschwert. Gleichwohl ist Schule natürlich ein sehr wichtiges Feld, wo diese Auseinandersetzung entsteht.

noch geführt werden kann, auch geführt werden muss und das ja auch zum Auftrag der Lehrkräfte in der Schule dazugehört. Und da ist es sicherlich in unserer Erfahrung so, dass es viele engagierte Lehrkräfte gibt, die aber mit den von Ihnen genannten Problemen zu kämpfen haben. Und die versuchen wir natürlich...

in unserer Beratung möglichst fit zu machen, zu stärken, Sachen an die Hand zu geben und dazu gezielt natürlich auch zu schauen, wer sind eigentlich Verbündete bei mir an der Schule, was sind Ressourcen, die schon vorhanden sind. Also gibt es Kolleginnen und Kollegen, die vielleicht das gleiche Problem beobachten, da auch ein Unwohlsein haben. Gibt es etwas an Vereinbarungen, Kollegium?

auf die wir zurückgreifen können oder gibt es vielleicht die Möglichkeit, sich auch externe Unterstützung oder auch Fortbildung reinzuholen, zum Beispiel bei Studientagen. Das ist auch etwas, was wir anbieten. Das ist sicherlich sozusagen ein Teil einer Problemlösung für eine eben aber gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

Das wollte ich gerade fragen. Was braucht es denn neben gut aufgestellten Schulen noch, um nicht nur die anderen Mitschüler und Mitschülerinnen zu schützen, sondern auch möglicherweise betroffene Jugendliche aus dem rechtsextremen Umfeld herauszuholen?

Es bräuchte vor allen Dingen attraktive Angebote sozusagen und vor allen Dingen Gegenerzählungen, eben demokratische Gegenerzählungen, die Jugendliche ansprechen, die ihnen eine Perspektive geben, die ihnen auch die Möglichkeit geben, politische Selbstwirksamkeit zu erfahren und ihre Kritik oder ihre Situationen, ihre Kritik vielleicht auch an der Gesellschaft zu

anders zu thematisieren, als indem sie eben andere Menschen ausgrenzen oder sogar gewalttätig angehen. Und das ist natürlich eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Das heißt, wir könnten jetzt das Bild oder müssten das Bild dieser Stelle natürlich auch wieder größer machen und vielleicht gewissermaßen auch wieder auf den Anfang schauen. Also das, was in den letzten Jahren passiert ist an Rechtsruck,

Ist sicherlich ein ganz wichtiger Faktor und es ist sicherlich auch kein Zufall, dass sozusagen ähnlich wie in den 90er Jahren, wo wir dieses Phänomen von rechtsextremer Gewalttätiger, Straßensominanz durch Jugendliche schon einmal hatten, dass das jetzt wiederkommt in einer Zeit,

in der rechtsextreme Positionen nicht nur an Schulen, sondern eben in der gesamten Gesellschaft sehr stark hörbar werden, teilweise eben auch Anschluss finden und wo eben Rechtsextremismus eine gewisse Legitimation draus ziehen kann. Haben Sie denn aus Ihrer Praxiserfahrung da ein Beispiel, bei dem Sie sagen, das ist etwas, das kann Schule machen, damit kann man vorangehen, da war die Invention und die Beratung erfolgreich?

Ich denke, wir haben glücklicherweise viele kleine und größere Erfolgserlebnisse in unserer Beratung, die sich aber schwer so messen lassen. Ich würde sagen, was wir schon sehen, dass es neben rechtsextremer Organisation oder Einflussnahme an Schulen auch die Zahl derjenigen Schülerinnen und Schüler erhöht.

Größer wird glücklicherweise die widersprechen und sich teilweise auch selber organisieren und versuchen eben genau diese Politikangebote oder Angebote an Mitschülerinnen und Mitschüler selber zu machen und zu unterbreiten. Gemeinsam teilweise eben auch mit engagierten Lehrkräften und mit Schulleitungen, die den Rahmen dafür bieten und zur Verfügung stellen. Und da gibt es sicherlich viele kleine und größere Beispiele, aber das ist vor allen Dingen eben ein Prozess der Auseinandersetzung und ein Prozess, der auch

keinen schnellen Erfolg verspricht, wo es vor allen Dingen eben um Durchhaltevermögen geht und vor allen Dingen auch um eine klare und vor allen Dingen auch eine stabile, eine fundierte demokratische Haltung. Durchhaltevermögen haben Sie gesagt. Vielleicht können Sie uns da nochmal einen kleinen Einblick geben, denn die Lage ist ja offenkundig ernst und viele Menschen hören jetzt vielleicht auch gerade zum ersten Mal von dieser Intensität, jetzt mit Blick auf nochmal die Berichterstattung über die letzte Verteidigungswelle. Was gibt Ihnen das Durchhaltevermögen? Woher nehmen Sie den Optimismus zu sagen, dafür lohnt es sich, das Problem weiter anzugehen?

Ich sehe erstmal gar keine Alternative dazu, weil eine demokratische Kultur ein Wert an sich ist, ein Wert ist, der nicht eben von sich selbst lebt, sondern der aktiv geschützt und erhalten werden muss. Und immer dann, wenn wir es schaffen, und das gelingt uns glücklicherweise relativ häufig, Menschen, die eben aktiv werden, die widersprechen, dort ein klein wenig zu stärken,

Oder ihnen dabei zu helfen, dann auch im Alltag Grenzen zu setzen und zu widersprechen, bestimmte Räume eben auch offen zu halten für demokratische Positionen. Dann ist es etwas, was wir auf jeden Fall, was uns motiviert, was mich auch ganz persönlich motiviert, da weiterzumachen. Und das ist ja auch das, was den Ansatz der mobilen Beratung ausmacht.

diejenigen zu stärken, zu begleiten, die sich engagieren. Da sind wir parteilich. Da versuchen wir sozusagen, diese Menschen zu begleiten, zu stärken, zu unterstützen und auch zu ihren Zielen zu führen. Sagt Simon Brost von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin. Und das waren die Kulturfragen im Deutschlandfunk. Gleich im Anschluss hören Sie Kultur heute. Mein Name ist Lars-Henrik Beger. Machen Sie es gut.