Dazu lit sie Michael Köhler. Ein herzlich willkommen zu den Kulturfragen. Wir wollen über Arbeit und Gerechtigkeit sprechen und über eine Balance in der Gesellschaft, eine fehlende vielleicht. Denn Gesellschaften, sie brauchen naturgemäß Gerechtigkeitsvorstellungen, um Interessen zu harmonisieren, Konflikte zu bewältigen und dazu Interessen.
zählt Arbeit als zentrales Element. Denn Wohlstand, Zugang zum Arbeitsmarkt, Bildung, Aussicht auf Teilhabe werden nur schwer möglich, wenn Arbeit weniger wird, sie ausgeht oder Vermögensaufbau aufgrund von Kostenniveaus unerreichbar wird. Kind, du sollst es mal besser haben, als wir sagten, die Nachkriegseltern zu ihren Kindern in den 50er oder 60er Jahren. Heute erwischt man sich bei der
Kinte soll es mal nicht schlechter haben, wenn vielleicht Statusverlust droht oder Arbeit ausgeht oder sich verändert. Das betriebliche, das gesellschaftliche Miteinander, Produktivität steigen, wenn Beschäftigte sich wohlfühlen, das Gefühl von gerechter Arbeit haben.
Nun bestimmen aber Vielfalt und Wandel den Arbeitsmarkt und ich möchte darüber sprechen mit Frau Dr. Gesine Stephan. Sie ist Professorin für Volkswirtschaftslehre und empirische Ökonomie an der Universität in Erlangen-Nürnberg und leitet beim Institut für Arbeit und Wirtschaft.
Berufsforschung, den Forschungsbereich Arbeitsförderung, Erwerbstätigkeit. Frau Professor Stephan, in diesen Tagen gucken wir in die Zeitung und sehen Schwächephase der Konjunktur, drittes Jahr in Folge ohne Wachstum. Arbeitslosenquote ist bei über sechs Prozent, Vollzeitbeschäftigung wird weniger, Teilzeitbeschäftigung mehr. Was verändert sich da gerade? Wir haben zunehmend unbesetzte Stellen im Fachkräftebereich. Es
Es gibt kaum noch Bewerber. Können Sie mir erklären, woran das liegt? Es ist tatsächlich so: Gut 40 Prozent der angebotenen Flachkräftestellen sind nicht besetzt. Das zeigen unsere IAB-Betriebsbefragungen. Häufigster Grund dafür ist bei knapp einem Drittel, dass wir wenig Bewerbungen bei den Betrieben haben. Gleichzeitig haben wir Arbeitslose – Sie haben das schon gesagt – aktuell etwa zwei Arbeitslose pro offene Stelle.
Ein wichtiger Grund dafür, dass wir beides gleichzeitig haben, ist, dass arbeitslose und offene Stellen oft nicht zusammenpassen. Das betrifft die Qualifikation, aber auch die regionale Verortung. Wer jetzt zum Beispiel eine Arbeitskraft als Fachkraft in der Automobilindustrie verliert, ist in der Regel eben nicht dafür qualifiziert, jetzt eine andere Fachkraftstelle, vielleicht in derselben Region, im Bereich regenerative Energietechnik qualifiziert aufzunehmen.
Aus persönlichen Gründen können diese Personen vielleicht auch nicht in andere Regionen umziehen, wo es offene Stellen gäbe. Wir befinden uns in einer Zeit der Transformationsprozesse in der Wirtschaft. Es gibt Veränderungen bei den nachgefragten Kompetenzen, umweltfreundliche Kompetenzen, Kompetenzen im Bereich künstliche Intelligenz werden zum Beispiel immer mehr nachgefragt. Das verstärkt nochmal diesen Fach- und Arbeitskräftemangel, stellt ganz neue Herausforderungen an das Bildungssystem.
Sie legen gleich den Finger in die Wunde, was die Transformation des Arbeitsmarktes angeht, dass bestimmte Berufsbilder entfallen. Wie wichtig ist das, um gleich mal einen Punkt aufzugreifen, was Sie gerade Umweltkompetenzen genannt haben, Greenskills, auch bei der künftigen Berufswahl von Auszubildenden? Also ökologische und industrielle Transformationen gehen an uns allen ja nicht vorbei. Sie sprechen von so einem sogenannten Greening of Job Index, nicht wahr?
Genau. Also bei den Greenskills, um das nochmal zu erläutern, dabei handelt es sich um potenziell umweltschutzrelevante Tätigkeitsanteile. Das finden wir zum Beispiel in der regenerativen Energie- und Umweltschutztechnik, aber auch in Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Wenn jetzt zum Beispiel jemand Wärmehumpen einbaut, ist das sicherlich auch ein Greenskill.
Oder auch in der Dachdeckerei. Am IAB, mein Kollege Markus Jansa hat dort den Greenness of Jobs Index entwickelt. Das kann man sich jetzt so vorstellen, es gibt eine sogenannte Berufennetzdatenbank, in der sind alle Berufe beschrieben, die es gibt und auch die Tätigkeiten, die man in den Berufen ausübt.
Und mittels von Tag Mining Methoden hat er also sozusagen diese ganzen Texte mit Methoden maschinellen Lernens durchgelesen und dort einen solchen Index erstellt, wie hoch jeweils der Anteil umweltschutzrelevanter Tätigkeiten in den Berufen. Und mit dieser Information kann man einiges weitere untersuchen. Die Kolleginnen aus dem IAB haben dann eben zum Beispiel festgestellt,
Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Berufen mit Green Skills nimmt zu. Und wir haben halt weniger Ausbildungsverträge in Berufen, wo die Green Skills nicht so richtig sind. Das weist sicherlich auch darauf hin, dass viele junge Menschen eben ein Interesse am Umweltschutz haben.
Ihr Kollege Enzo Weber, Makroökonom, ist folgender Meinung. Er sagt, der deutsche Arbeitsmarkt befindet sich im Zangengriff von Wirtschaftskrise und Fachkräftemangel. Ich lese immer wieder von den großen drei Ds, denen ich vielleicht noch zwei weitere Ds hinzufügen würde, die mit unserem Thema zu tun haben, nämlich mit Arbeit und Gerechtigkeit.
Die sich auswirken, da ist der demografische Faktor, also Stichwort Rente und Gerechtigkeit ist ein riesiges Thema, also Demografie, Abwanderung, schrumpfende Städte und so weiter, geringe Geburtenrate und so weiter. Zweites D ist die Deindustrialisierung, also die Veränderung unserer Produktion oder auch die Abwanderung. Viele Unternehmen drohen damit.
Drittes D ist die Dekarbonisierung. Wie wirken sich die drei Ds aus? Dazu haben wir am IAB verschiedene Analysen durchgeführt zur Demografie. Vielleicht sehr interessant, Szenarien bis zum Jahr 2016. Und die Kollegen auch um Enzo Weber herum haben gezeigt,
dass Deutschland jährlich eine Nettozuwanderung von 400.000 Personen bräuchte, also qualifizierten Personen, um das aktuelle Erwerbspersonenpotenzial zu halten.
Zudem müssen auch die Erwerbsquoten von Älteren und Frauen steigen. Das sind also hohe Herausforderungen, die auf das Land zukommen. Maßnahmen, die man dort üblicherweise nennt, wäre also die Einwanderung von Fachkräften weiter fördern, Arbeitszeiten von Frauen, wir haben die hohe Teilzeitquote erwähnt, ausweiten, präferenzgerecht und eben auch steigern.
Unter Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, vielleicht können wir da später nochmal drüber sprechen. Dann bei den Älteren ist es auch eben wichtig, Beschäftigung und Erwerbsfähigkeit zu erhalten und auch Anreize für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben zu schaffen. Gesundheit und Arbeitsschutz, ne? Ja, das ist wichtig. Und was auch eben sehr, sehr wichtig ist, Aus- und Weiterbildung. Also auch über das gesamte Berufsleben hinweg.
Und eben auch bei Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die nach Deutschland kommen und vielleicht noch nicht so qualifiziert sind, ist es wichtig, die zu fördern, Sprache, Sprachkenntnisse zu ermöglichen und eine gesellschaftliche Integration hinzubekommen. Als zweites würde ich jetzt, Sie hatten da Deindustrialisierung genannt. Ich würde das jetzt vielleicht mal sogar fokussieren auf das Thema Digitalisierung, was für uns sehr wichtig ist.
Bei der Digitalisierung gibt es eigentlich zwei Möglichkeiten. Sie kann Menschen ergänzen. Zum Beispiel können sich da auch neue Berufe entwickeln. Sie kann uns bei der Arbeit unterstützen. Sie kann aber in Zukunft eventuell auch Menschen bei der Arbeit ersetzen. Da möchte ich jetzt alle Zuhörenden, die ein Smartphone zur Hand haben, mal auffordern, das vielleicht mal zur Hand zu nehmen und in ihre Suchmaschine einzugeben. U2-ROMAD-IAB.
der Futuromat, der
ist ein Tool, was von meiner Kollegin Britta Mattes entwickelt wurde, also jobfuturomat.irb.de und dort kann man für seinen eigenen Beruf nachschauen, welcher Anteil jetzt bereits potenziell von Computern oder Maschinen erledigt werden kann. Dieser Anteil steigt. Zum Beispiel war es 2022 so, dass bereits zwei Drittel aller Aufgaben in Fristkräfteberufen potenziell von Computern oder Maschinen erledigt werden konnten. Ganz
Ganz wichtig ist jetzt natürlich nicht alles, was ersetzt werden kann, wird auch ersetzt. Da gibt es nun allein wirtschaftliche Gründe, das kann zu teuer sein, aber es gibt in vielen Fällen sicherlich auch ethische oder rechtliche Bedenken. Aber das ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Aktuell haben wir
haben sicherlich alle verfolgt, die generative künstliche Intelligenz macht riesige Fortschritte. Ständig gibt es dort neue Modelle, die besser sind als die alten. Und generative AI erstellt basierend auf vorhandenen Daten, Texte, Grafiken, Audios. Allgemeine AI ist etwas, was wir im Moment noch nicht haben, aber Entschuldigung, allgemeine künstliche Intelligenz, AI ist Artificial Intelligence, also auf Englisch,
Soll also die menschliche Intelligenz replizieren. Wenn diese allgemeine künstliche Intelligenz kommt, dann sind auch Arbeitskräfte ersetzbar, deren Aufgaben analytisches Denken erfordert. Und das betrifft dann eben ganz andere Bereiche. Das ist etwas, wir wissen nicht, wie lange das dauert, aber es gibt so Szenarien, dass es durchaus in einem absehbaren Zeitraum denkbar wäre, dass dann diese allgemeine künstliche Intelligenz kommt.
Bis hierhin höre ich da schon raus, dass die Förderung oder die Erwartung an sogenannte Green Skills, aber auch an digitale Skills steigen wird. Wir sprechen, Frau Prof. Stephan, in den Kulturfragen und es wird Sie nicht überraschen, wenn ich mit einem Kulturbeispiel um die Kurve komme. Bei der Berlinale wurde ein Film, eine deutsch-schweizerische Produktion, eine
fiktionales Dokumentation über eine Pflegekraft bei der Nachtschicht gezeigt. Und zwar Nachtschicht auf einer onkologischen Chirurgie. Und das ist sehr, sehr eindrucksvoll, weil es vieles zeigt. Die zunehmende Alterung unserer Gesellschaft, die Pflegebedürftigkeit, die Frauenarbeit, die Überbelastung, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor. Und dazu haben sie zufälligerweise gerade auch eine Studie gemacht,
Um es mal ein bisschen lebensnah zu bringen, wie ist da die Beschäftigungssituation und wer macht die Arbeit? Ja, also der Gesundheits- und Pflegesektor ist in den vergangenen Jahren zwar deutlich gewachsen, aber trotzdem fehlen akut Fach- und auch Hilfskräfte. Es dauert in dem Bereich auch länger als im Mittel anderer Branchen, deutlich länger offene Stellen zu besetzen.
Die demografische Entwicklung macht natürlich auch vor dem Gesundheitsbereich nicht teilt, auch die Pflegekräfte, die aktuellen, werden älter. Ein interessantes Ergebnis, was wir hatten, ist, dass der Anteil der Beschäftigten mit ausländischer Nationalität im Zeitverlauf dargestiegen ist.
Seit dem Jahr 2022 ist es so, dass das gesamte Beschäftigungswachstum im Pflegebereich auf ausländische Beschäftigte zurückgeht. Und wir sehen also, wir sind da tatsächlich auch die schon erwähnte Zuwanderung da auch angewiesen, wenn wir da in Zukunft den Fachkräftebedarf und auch den Bedarf an Helfertätigkeiten decken möchten. Eine Studie meiner Kollegin Monika Senghas und Olaf Struck ist auf der Frage nachgegangen, wie Pflegekräfte selbst und
und auch die Leitungen von entsprechenden Institutionen die Arbeit erleben. Und es ist so, dass die Pflegekräfte eben wirklich einen hohen Zeitdruck erleben, eine Intensivierung der Arbeit muss also immer mehr in derselben Zeit geschafft werden. Dieser Personalmangel führt zu einer hohen Belastung. Es gibt häufig Nacht- und Schichtarbeit.
Bei Arbeitsausfällen muss kurzfristig eingesprungen werden. Das belastet dann wiederum die Person, die einspringen müssen natürlich auch, sodass sie auch krankheitsanfälliger werden. Und oft ist es tatsächlich so, dass in der Branche nur Teilzeitarbeit möglich ist, weil man sonst gar nicht die nötigen Erholungsphasen überhaupt haben kann. Ja.
Wertschätzung ist das eine, ein Schulterschlagen kostet noch nichts, aber Entgeltstrukturen, also sprich Entlohnung und so weiter zu verbessern, ist schon auch ein wichtiger Punkt, nicht wahr? Ja, genau. Also aus der eben genannten Studie, da hatten wir eben auch das Ergebnis, dass Pflegekräfte der Anerkennung, die sie für die Tätigkeit erhalten, einen wichtigen Stellenwert beimessen.
Das betrifft Anerkennung von den betreuten Personen, von den Vorgesetzten und der Organisation, für die sie tätig sind. Und Entlohnung ist eben auch ein Teil dieser Anerkennung.
Es ist so, dass tatsächlich die Einkommen gestiegen sind in den letzten Jahren. Im Jahr 2023 lag das Medianeinkommen, also die Hälfte verdient unter dem Median, die Hälfte darüber, der Fach- und Hilfskräfte in der Kranken- und Altenpflege über den Median in alle Berufe. Also besonders in der Altenpflege haben wir gesehen, dass die Einkommen in den letzten Jahren stark aufgeholt haben.
Inflationsbereinigt ist es jetzt aber denn so, auch wenn man sich jetzt große prozentuale Steigerungen dort anschaut, dass dort nicht so viel übrig bleibt.
Seit 2012 ist es so, dass die Einkommen bei Fach- und Hilferinnen in der Krankenpflege um 7 bis 8 Prozent inflationsbereinigt gestiegen sind. In der Altenpflege deutlich stärker, um ungefähr 30 Prozent. Ich hatte schon gesagt, die Altenpflege konnte jetzt noch etwas aufholen. Vielleicht noch mal als Vergleich. Im Median aller Beschäftigten sind die Einkommen in dem Zeitraum real 4 Prozent gestiegen.
Wir sprechen in diesen Kulturfragen über Arbeit und Gerechtigkeit. Wie unbalanciert ist die Gesellschaft? Wir tun das mit Gesine Stephan, Volkswirtin. Sie forscht da empirisch zu Frau Stephan. Wir haben es schon mehrfach angeschnitten, auch gerade mit dem Beispiel über den Kinofilm Die Heldin, über die Führungskraft.
in der Chirurgie bei Nachtschichtarbeiten. Frauen machen meistens Care-Arbeit. Die Belastung durch Alltagsaufgaben, das nennt man den Mental Load, ist wesentlich größer. Männer nehmen auch viel weniger Erziehungszeiten. Das ist alles empirisch belegt. Das hat nichts mit Vorurteilen zu tun.
zu tun, auch wenn Tarifverträge diskriminierungsfrei betrachtet werden sollen, gibt es doch immer Nachteile für Frauen. Die sind in Gremien weniger repräsentiert bei Tarifverhandlungen und so weiter. Das wirkt sich auch aus. Gebe ich das richtig wieder oder anders gefragt, wie lässt sich die Mitwirkung gerechter gestalten?
Ja, es ist so, dass ich jetzt tatsächlich vor zehn Jahren ein gemeinsames Forschungsprojekt mit Veronika Grimm hatte zum Thema kollektive Lohnverhandlungen und der Gender Wage. Damals zu dem Zeitpunkt der Erhebung war es so, dass eigentlich Tarifverträge als solche, die werden eben schon als drittdiskriminierungsfrei betrachtet. Daher ist der Gender Wage-Tag, also in den Tarifverhandlungen als solcher auch,
eigentlich kaum ein Thema. Das ist das Fachwort für die Geschlechter, eigentlich neutrale Bezahlung, die aber in der Wirklichkeit so nicht stattfindet. Genau, Gender Wage Gap, eben der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern. Da gibt es eben den, wie sagt man nochmal, also es gibt
Es gibt halt einen Gender Wage Gap, wenn man jetzt nur die Bruttolöhne als solche anschaut und dann gibt es einen bereinigten Gender Wage Gap, wenn man verschiedene Einflussfaktoren, zum Beispiel die Ausbildung, die Arbeitszeit und so weiter herausrechnet. Ansatzpunkt zum Abbau von Lohndifferenzialen in den Tarifverträgen, da waren sich auch schon damals alle einig, sind vor allem Entgeltstrukturen und die Arbeitsbewertung.
Unser Projekt hat damals darauf hingewiesen, dass Verhandlungsmacht eine große Rolle spielt. Die Dreigbereitschaft von Gruppen spielt schon eine Rolle dafür, was für Verhandlungsergebnisse sie erwarten können.
Und zumindest damals war es unseren Ergebnissen so, dass bei den eigentlichen Verhandlungen Frauen häufig unterrepräsentiert sind, also in den Verhandlungsgremien. Ja, das hat zentral mit unserer leitenden Frage zu tun, nämlich Arbeit und Gerechtigkeit. Was zählt? Kinderfrage, Frau Stefan, was zählt eigentlich?
Zu gerechter Arbeit. Ich will jetzt nicht ein altes Fass aufmachen nach dem Motto, schlechte Arbeit ist besser als gar keine Arbeit. Da kann man trefflich drüber streiten, was nämlich dann erzwungene Arbeit ist oder sogenannte Mitwirkungspflichten und so weiter. Sondern wir haben es schon ein bisschen gestreift. Was zählt zu gerechter Arbeit? Ich zähle mal ein paar Punkte auf. Entlohnung, sprich eine faire Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten, Gesundheitsschutz, Arbeitsplätze.
Arbeitssicherheit. Wir erinnern uns an den Tönnies-Skandal vor vier, fünf Jahren. Den Schlachtbetrieb, der in die Schlachtzeilen kam wegen ungerechter Arbeitsbedingungen. Hat dann den Blick auf Leiharbeit und Subunternehmer gelenkt. Da kann man gesetzlich was machen. Also Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit, Chancengleichheit, Diskriminierungsfreiheit. Was fällt Ihnen noch ein? Ja, das sind eigentlich wichtige Punkte, die Sie da genannt haben. Und ich würde das gerne in Zusammenhang stellen mit
mit Prinzipien für Gerechtigkeitsurteile, die wir alle anwenden. Und
Drei ganz wichtige Prinzipien sind das Beitragsprinzip. Man sieht etwas als gerecht an, wenn das Ergebnis den individuellen Leistungen der Personen Rechnung trägt. Das Bedarfsprinzip, es sollten grundlegende anerkannte Bedürfnisse berücksichtigt werden. Und teils auch das Gleichheitsprinzip, also gleiche Rechte und Pflichten, besonders wichtig die Chancengleichheit machen.
Und mit dem Gleichheitsprinzip, da können wir eben genau das begründen, was Sie genannt haben, Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit. Wenn wir dieses Gleichheitsprinzip anwenden, sind das ganz wichtige Kriterien für gerechte Arbeit. Mit dem Beitragsprinzip kann man gut begründen, dass faire Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen Teil gerechter Arbeit sind.
Also bei den Arbeitsbedingungen meine ich eben die Arbeitszeit, auch einen sicheren Arbeitsplatz aus Perspektive des Gesundheitsschutzes. Und das Bedarfsprinzip, das weist eben darauf hin, dass zu gerechter Arbeit auch ein existenzsicherndes Einkommen und soziale Integration gehören. Dazu kommt noch ein weiteres Prinzip, die Verfahrensgerechtigkeit.
Hier ist zum Beispiel wichtig, wenn es darum geht, wer befördert werden soll in Unternehmen. Man braucht konsistente Regeln, keine Vorfestlegungen. Man sollte alle relevanten Informationen nutzen, alle Interessen berücksichtigen und die Verfahren sollten mit ethischen Prinzipien vereinbar sein. Also ich denke, mit diesen grundlegenden Gerechtigkeitsprinzipien kann man eben auch gut sagen, was für gerechte Arbeit wichtig ist.
Ja, das ist sehr interessant, weil nämlich diese alte traditionelle Dreiteilung, das hat eine frühere Chefin von Ihnen, die Soziologin Jutta Allmendinger, mir mal gesagt, diese alte Dreiteilung der Lebensphase, also erstens Arbeitsvorbereitung, Schule, Ausbildung, zweitens dann eine lange Erwerbsarbeitsphase mit hoher Loyalität zum Arbeitgeber, drittens dann Rente und Ruhestand, die stimmt ja so nicht mehr. Das lockert sich, unsere Erwerbsbiografien sind viel stärker verbreitet.
Wir wechseln zwischen den Bereichen. Es gibt Pausen, es gibt Weiterbildung. Das hat alles auch Einfluss bis hin zu Beitragslücken und ähnlichem. Da hat mich meine Frau dran ermahnt, sie danach zu fragen, wie sie darüber diskutiert.
Was halten Sie für ganz konkrete Dinge, die vielleicht einen Beitrag leisten können? Also Abschaffung von Ehegatten, Splitting, soziales Pflichtjahr. Sind das so kleine Bausteine, die schon in unsere Gerechtigkeitsdebatte Arbeit und Gesellschaft mit einschließen? Ja, ich fange vielleicht nochmal mit einem anderen Punkt an, den ich auch sehr wichtig finde, bevor ich dann zu dem Ehegattensplitting komme. Also eine berufliche Ausbildung wird in Zukunft wahrscheinlich häufig nicht mehr ausreichen. Wir haben halt Erwähnungsergebnisse,
dass die traditionelle Dreiteilung nicht mehr so funktionieren wird. Es ist wichtig für Unternehmen und Beschäftigte, eben auf den möglichen Wandel bei beruflichen Tätigkeiten zu reagieren. Und da gibt es auch Hilfe. Zum Beispiel hat die Bundesagentur für Arbeit die Berufsberatung im Erwerbsleben eingeführt, wo also in jeder Lebenssituation eigentlich so eine Berufsberatung dann nochmal in Anspruch genommen werden kann und wo es auch durchaus Fördermöglichkeiten gibt.
Auch, wir hatten schon darüber gesprochen, das Erwerbspotenzial von Älteren ist noch nicht ausgeschöpft.
So, jetzt komme ich zu den Rahmenbedingungen für die Frauenerwerbstätigkeit. Da gibt es eben verschiedene Ansatzpunkte. Ich denke, erstens ist es auf jeden Fall nötig, qualitativ hochwertige Kinderversorgung weiter auszubauen. Und viele Stimmen aus der Forschung gibt es, die zum Beispiel die Abschaffung des erwähnten Ehegattensplittings fordern. Steuererleichterungen sind mit dem Ehegattensplitting am größten, wenn die Gehälter am weitesten auseinanderliegen.
Ein weiterer Punkt, der manchmal oft so untergeht, ist, dass die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung eigentlich auch für Männer häufiger Vorteil ist als für Frauen. Wenn Männer höhere Einkommen haben, dann wird ein prozentual geringerer Anteil ihres Einkommens für diese Sozialversicherung Beiträge veranschlagt als bei Frauen.
Was ich auch wichtig fände, wäre zu überlegen, ob man nicht mehr Pflichtvätermonate beim Elterngeld einführen sollte. Eine Studie aus dem IAB hat kürzlich erst gezeigt, dass Väter, die diese Vätermonate genommen haben, sich später auch tatsächlich mehr im Haushalt engagieren, sich mehr um die Kinder kümmern und damit auch Entlastung für die Mutter schaffen.
Es war mal eine kritisch-idealistische Idee seit Hegel und dem Idealismus, dass sich der Mensch durch das Denken produziert. Dann hat Marx bekanntlich den Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt und gesagt, hör mal, die gesellschaftlichen Bedingungen sind viel wichtiger. Arbeit, Erwerbsarbeit ist die menschliche Form des Stoffwechsels mit der Natur, heißt es bei Marx. Erwerbsarbeit.
wird nicht weniger, sie ist und bleibt der Schlüssel für Integration und am Ende auch, wenn es in Wahlverhalten mündet, sowas wie Rechtstreue? Ist das zu sonntäglich formuliert? Ja, auch hierzu gibt es ja empirische Analysen, zum Beispiel von der Hans-Böckler-Stiftung, Blaupunkt,
Ich glaube, wir können sagen, gute Erwerbsarbeit ist ein gesellschaftlicher Stabilisator. Erwerbsarbeit wird als sinnstiftend wahrgenommen. Also erstens die Erwerbsarbeit selber ist eben dort wichtig dafür, sich integriert zu fühlen. Aber auch die Ausgestaltung der Erwerbsarbeit ist wichtig. Dazu hat Bettina Kohlrausch gesagt, wer nicht entscheiden kann, wie die tägliche Arbeit organisiert wird, wenn Arbeit nicht abwechslungsreich ist, wer keine kollegiale Unterstützung erwarten kann,
Und wer den Lohn als zu niedrig empfindet, stimmt bei antidemokratischen Einstellungen überdurchschnittlich häufig zu. Das zeigt eben, es ist wichtig, Arbeit muss sozial gerecht gestaltet sein und auch die zu erwartenden Transformationsprozesse müssen sozial gerecht gestaltet werden.
Das heißt, sowas wie betriebliche Mitwirkung oder Gleichstellungsbeauftragte sind kein sozialistisches Teufelszeug, sondern ermöglichen die von uns besprochene Balance von Arbeit, Gesellschaft und Gerechtigkeit. Ja, aus Sicht der Forschung hat betriebliche Mitbestimmung auch eine sogenannte Voice-Funktion. Also sie gibt der Belegschaft eine Stimme, transportiert die Interessen der Belegschaft an die Unternehmensleitung.
Und Forschung dazu zeigt, dass dies auch zu einer höheren Produktivität von Unternehmen beitragen kann. Gleichstellungsbeauftragte, die tragen dazu bei, die Chancengleichheit in Unternehmen durchzusetzen.
Unsere Gleichstellungsbeauftragte im IAB hat neulich ein schönes Bild gezeigt. Also eine Mauer, vor der drei unterschiedlich große Figuren stehen, die über die Mauer gucken möchten. Wenn man jetzt gar nichts macht, dann kann nur die größte Person über die Mauer schauen. Gleichbehandlung würde bedeuten, alle bekommen einen gleich großen Stuhl, um sich draufzustellen. Dann können vielleicht die beiden größten drüber gucken. Aber Gleichstellung bedeutet, sie bekommen unterschiedlich hohe Stühle, sodass alle drüber sehen können.
Und das bedeutet eben wirklich Chancengleichheit zu verhandeln.
In den Kulturfragen zum Thema Arbeit und Gerechtigkeit am Tag der Arbeit. Wie unbalanciert ist die Gesellschaft, wenn das die Volkswirtin Gesine Stephan. Sie lehrt und forscht am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg und ist als Professorin für Volkswirtschaftslehre in Erlangen an der Universität tätig. Ihnen vielen Dank. Durch die Sendung führte Michael Köhler nach uns Kultur heute.