Wenn Programmmacher von musikorientierten Radioprogrammen die Musik beschreiben wollen, die in ihrem Programm läuft und auf eine Generation zugeschnitten ist, dann sprechen sie gern davon, dass die Musik den Soundtrack unseres Lebens bereitstelle. Und das gibt es ja auch. Wir tragen einen Fundus von Musik mit uns herum, der uns begleitet, mit dem wir Erinnerungen und Gefühlszustände verbunden haben und der unsere Wahrnehmung prägt,
und in manche Radioprogramme ganz gut einfangen. Zumindest was meinen Soundtrack anbelangt. Mit Filmen ist es genauso, würde ich behaupten. Auch da haben wir ein Repertoire an Bildern gespeichert, das unser Erleben prägt. Und einer der großen Beiträge zu unserem Bilderfundus, zu dem Picture Track unseres Lebens, ist Federico Fellini.
Zirkusartige Szenen habe ich da zum Beispiel vor Augen. Pompös und mit überzeichneten Menschen, mit denen ich eine ganz bestimmte Form von Verspieltheit und von ästhetischem Pathos verbinde. Mein Verhältnis zu diesen Bildern in meinem Bilderspeicher ist übrigens ambivalent. Zum einen habe ich das Gefühl, dass sie nicht aus dem Film kommen, sondern schon vorher bestanden haben. So typisch und allgemeingültig kommen sie mir vor.
Zum anderen finde ich sie beunruhigend, weil sie doppelbödig sind. Weil ständig etwas passieren kann, das ihren schönen Schein entlarvt und beunruhigende Unterströmung durchschimmern lässt. Wie bei Traumbildern. Und das hat Fellini genau so gewollt. Seien Sie gespannt auf Träume fürs Kino. Die lange Nacht über Federico Fellini von Josef Schnelle.
Mein Name ist Hans-Dieter Heimendahl. Ich bin der Redakteur der Langen Nacht. Sie erreichen mich wie immer unter langenacht.de. Nächste Woche erwartet Sie an dieser Stelle eine Lange Nacht über die Zuversicht, die nicht dasselbe wie Hoffnung ist, aber durchaus dasjenige sein könnte, was uns in den Stand versetzt, Zukunft zu gestalten. Seien Sie gespannt auf die Lange Nacht über Zuversicht von Gesine Schmidt.
Sie können alle Lange Nächte der letzten Monate übrigens auch in der Deutschlandfunk-App nachhören. Und wenn Sie uns abonnieren, können Sie keine Sendung mehr verpassen. Bis nächste Woche. Einen ganzen Film lang hat Guido Anselmi, der Regisseur im Film, danach gesucht, was er eigentlich erzählen will.
Und alle stets abgewimmelt, wenn sie ihn danach oder überhaupt etwas gefragt haben. Seine Geliebte, seinen Produzenten, seine Ehefrau, ebenso wie seine Hauptdarstellerin Claudia Cardinale und den Mann hinter dem Scheinwerfer. Ein gigantisches Raumschiff soll gebaut werden auf dem Gelände von Cinecitta. Davon ist immer wieder die Rede. Es ist anscheinend das große Geheimnis des Films, der gedreht werden soll.
Aber tatsächlich ist es eher ein gigantisches Gerüst mit einer riesigen, sehr improvisierten Freitreppe. Drumherum herrscht ständiger Tumult. Und mittendrin Marcello Mastroianni als Regisseur an Selmi mit Peitsche und Fellili-Hut. Und dann taucht plötzlich eine kleine Kapelle auf mit fünf Musizierenden und ihren Blasinstrumenten.
Im Gänsemarsch ziehen sie durch das Gelände und spielen ihr Lied. Sie bringen auch gleich Bewegung in das Chaos. Der Regisseur mit Megafon versucht nun, alle zu dirigieren. Hierhin und dorthin. Zu einer großen Parade, wie es scheint. Er gibt Kommandos, manchmal schwingt er auch seine Peitsche.
Und plötzlich ergießt sich die improvisierte große Treppe vom fiktiven Raumschiff herunterkommend eine Menschenmasse mit all den Typen, die den Film bislang bevölkert haben. Bizarre gekleidete Frauen, eitle Männer im Anzug, schicke Priester und aufgedonnerte Honoratioren. Sie umringen den Regisseur.
Der aber schickt sie auf eine Ehrenrunde über die gigantisch lange, aber schmale Manegenumrandung, auf der sie jubeln und lachen. Ein endloser Reigen. Endlich ein Sinn. Das Glück des Augenblicks. Die Schlussszene aus Fellinis »Achteinhalb«.
Seiner filmischen Illustration der These, dass die Herstellung eines Films selbst schon dessen Inhalt sei, zieht eigentlich die Summe aus allen Fellini-Filmen. Sie atmet die Schwere der grundständigen Zweifel, ebenso wie die Leichtigkeit der klaunesken und zirzensischen Auflösung, die man immer wieder bei Fellini findet. Vorgeführt wird auch das gesamte Personal seiner Filme, grotesk ausgestattet, wie gezeichnete Karikaturen.
Mit sechs Spielfilmen und zwei Kurzfilmen, also acht, sowie mit der Co-Regie von Alberto Lattuada bei seinem ersten Film »Lichter des Varieté«, also nach Fellinis Zählung noch einem halben, folglich achteinhalb Filmen, hatte Federico Fellini schon Filmgeschichte geschrieben. Für »La Strada« und »Die Nächte der Cabiria« hatte er schon einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film entgegennehmen können.
und für La Dolce Vita die goldene Palme von Cannes erhalten. Und er hatte Kulturgeschichte geschrieben, mit der ikonografischen Überhöhung des Paparazzo-Fotografen auf der Jagd nach prominenten Fotografien in diesem Film und einer legendären Szene mit der schwedischen Schauspielerin Anita Eckberg, die spektakulär in den Fontana di Trevi-Brunnen steigt.
Aufmerksam wurde also Fellinis weiteres Schaffen von den von ihm erfundenen Paparazzi minutiös beobachtet. Aber nicht nur von ihnen. Tatsächlich steckte Federico Fellini aber in einer elementaren Schaffenskrise. Dass er diese zum Thema seines Films machte und überhaupt eine stilistisch neue Richtung einschlug, verdankt sich einer ganz besonderen Begegnung.
Er hörte meinen unzusammenhängenden Bekenntnissen, Träumen und Lügen zu. Mit einem freundlichen Lächeln, voll liebevoller Ironie. Er wurde zu einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben. So berichtete Federico Fellini von seiner ersten Begegnung mit Dr. Ernst Bernhard Anfang der 1960er Jahre in dessen Praxisgleichen neben der Piazza Spagna.
Vittorio De Seta, ein befreundeter neorealistischer Regisseur, der mit der spektakulären Sozialstudie »Die Banditen von Orgussolo« gerade für Furore gesorgt hatte, hatte Fellini den Kontakt empfohlen und ihm eine Telefonnummer zugesteckt, die ihm, so erzählte es Fellini gerne und schmunzelnd, auf den ersten Blick nichts sagte, als er sie 1960 in seiner Jackentasche wiederfand.
Und so wählte er sie, mit der Vermutung, es handle sich um die Nummer einer schönen Frau, die ihn treffen wollte. Und so war er zunächst verblüfft, als sich am anderen Ende Ernst Bernhardt meldete. Der deutsche Kinderarzt und Psychiater war in Rom gerade angesagt in Filmemacher- und Schriftstellerkreisen. Er war 1936 nach Italien emigriert, was ihm allerdings keineswegs die zeitweise Internierung im KZ Campo Ferramonti erspart hatte.
Der Anhänger der analytischen Psychologie nach C.G. Jung war nach seiner Entlassung als Überlebender der Barbarei in Rom geblieben und hatte mit der Zeit eine beträchtliche Anhängerschar um sich versammelt, darunter auch die Schriftsteller Jorge Borges und Natalia Ginzburg. Was Bernhard für Fellini interessant machte, war seine mythopoetische Methode der Traumanalyse, die auf den Ideen des Schweizers Carl Gustav Jung basierte.
Anders als etwa Freud sah er in Träumen nicht etwa Rätsel, die es quasi kriminalistisch zu entschlüsseln gelte, um die Krankheiten der Seele zu heilen. Für Bernhard führen die Träume demgegenüber ein interessantes Eigenleben, das zur Identität des Träumenden gehörte. C.G. Jung schreibt dazu in der Essaysammlung »Der Mensch und seine Symbole«,
So wie bewusste Inhalte in das Unbewusste verschwinden können, so können auch Inhalte aus dem Unbewussten aufsteigen. Neben einer Mehrzahl von bloßen Erinnerungen können auch wirklich neue Gedanken und schöpferische Ideen zum Vorschein kommen, die nie zuvor bewusst waren. Sie wachsen aus den dunklen Tiefen wie ein Lotus und bilden einen wichtigen Teil der Psyche.
In einer solchen Bewertung der Träume als kreativen Fundus konnte sich Fellini endlich wiederfinden. Schon als Kind hatte er intensiv in seinen Traumwelten mit Zauberern und Magie gelebt und konnte es manchmal kaum erwarten, schlafen zu gehen. Er hatte die Ecken seines Bettes nach den Kinos von Rimini benannt. »Fulgor«, »Savoya«, »Opera Nazionale Ballilla« und »Sultano«.
Ernst Bernhard regte Fellini an, seine Träume am Morgen danach aufzuzeichnen und zu beschreiben. Das ist wörtlich zu nehmen. Fortan lag stets ein Skizzenblock auf Fellinis Nachttisch.
Der ersten Begegnung mit Bernhard folgend und auch nach dessen Tod 1966 zeichnete Fellini jeden Morgen 18 Jahre lang seine Traumbilder in ruhenden Skizzen und opulenten Karikaturen und schrieb seine persönlichen Traumerlebnisse und Kommentare dazu. »Im Korb eines Heißluftballons, zusammen mit Paul VI., der als Kopfbedeckung den Kamauro aufhatte.«
Die Situation schien ziemlich gefährlich, da kein Heißluftballon über unserem Korb zu sehen war. Trotzdem ging alles gut und ich hatte keine Angst. Unter uns lagen der Strand und das Meer von Riccione, von Menschen bevölkert, die alle in die Luft schauten und auf etwas zeigten. Und da erscheint, größer und breiter als der Monte Bianco, ein herrliches Geschöpf im Badeanzug.
Es ist eine Frau, eine wahre Göttin. Sie blickt in den blauen Himmel, ohne uns zu sehen. Dann dringt aus ihrem schönen, weichen Mund ein, oh, des Erstaunens, worauf sich der ganze Himmel mit weißen Wolken füllt. Es ist der Film, der sich durch die Bildung ausmacht.
Das gehört zum Film. Weil er sich durch Bilder ausdrückt, hat er etwas vom Traum. Der Traum informiert uns über die Botschaften des Unbewussten, über dessen Symbole.
Das Märchen mit dem Namen Traum arbeitet mit Bilderserien wie der Kindhop, das gleiche Verfahren. Der Film wiederum ist von seiner Natur her Traum, weil er sich im Dunkeln abspielt und die Leinwand erleuchtet. Das gleiche passiert in unserer Vorstellung, sobald sie etwas wahrnimmt oder sich entspannt, um die Fantasiebilder des Traums wahrnehmen zu können.
Zum Kino gehört die Sprache des Traums. Und deshalb haben sie recht. Aber das gilt nicht nur für meine Filme, sondern auch für alle anderen. Angeregt durch seine Gespräche mit Ernst Bernhard beschäftigte sich Federico Fellini weiter mit dem Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung.
Er las nachweislich in dessen einführendem Werk »Erinnerungen, Träume, Gedanken«, studierte die Analyse von Archetypen und unternahm viel später eine regelrechte Wallfahrt zum Turmschlösschen von Bollingen, das Jung, wie manche das nennen, als sein Gedankengebäude am Zürichsee gebaut hatte.
Genau dort, wo Jung seine Ideen entwickelt hatte, wollte Federico Fellini ihnen nachgehen, wie er dem Psychoanalytiker und Schriftsteller Aldo Carotenuto in einem Interview für den Sammelband »Jung e la cultura italiana« 1977 verriet.
Dort habe er auch einen Enkeljungs angetroffen, der sich als großer Fan von Fellinis Filmen entpuppte und ihn in den geheimen Arbeitsraum führte, in dem der Großvater vielleicht sein legendäres rotes Buch geschrieben und gezeichnet hatte, in das er seine persönlichen Dämonen gebannt hatte. Der Enkel ließ ihn, so Fellini, lange alleine in diesem Zimmer mit dessen Genius Loki, mit dem Geist des Ortes,
Was ihn, wie er später schrieb, von nun an sein restliches Leben lang begleiten sollte. »Meine Entdeckung von Jung war sehr wichtig. Nicht, weil sie meine Taten verändert hat, sondern sie half mir zu verstehen, was ich tue. Er bestätigte mir intellektuell etwas, was ich immer gefühlt hatte. Dass der intensive Kontakt mit deiner eigenen Vorstellungskraft ein Geschenk ist, das man pflegen muss.«
Wenn ich mich kurz fasse, kann ich kaum der Intensität meiner Erfahrung mit Jung und seines Einflusses auf mich gerecht werden. Es war wie die Entdeckung unbekannter Landschaften, wie ein neuer Blick auf das Leben und mutiger und weitreichender, eine neue Chance, die Arten von Energien zu entdecken, die bislang verschüttet gewesen waren, unter Ängsten, Unaufmerksamkeiten und geleugneten Schmerz. Musik
Die Traumtagebücher waren ursprünglich als reines Selbstexperiment gedacht und nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
Dass diese Bilder andere interessieren könnten, wurde Federico Fellini allerdings schon früh bewusst. So trennte er einzelne Blätter aus seinem Libro dei Sogni, seinem Buch der Träume, heraus, verschenkte sie oder gab sie zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Il Grifo frei, für die er in seiner Frühzeit als Karikaturist gearbeitet hatte. Für seine Filme plünderte Fellini sowieso die Bilder, die ihn nachts verfolgten oder bewegten.
Die Traumtagebücher sind als 580-seitiges Faximile mit deutscher Übersetzung der Kommentare erst 2008 erschienen und geben den Blick frei auf das Traumleben des Federico Fellini, das immer wieder auf seine Filme, besonders auf diejenigen seit 8,5 1963, einwirkte.
Die Filme Fellinis werden zu einer steten Selbstanalyse. Und deshalb sollen uns auch die Träume durch diese lange Nacht weiter begleiten. Die Träume waren nicht immer von allem losgelöst. Oft tauchten auch reale Personen aus seinem Leben in ihnen auf. Sich selbst sieht er stets schlank und von hinten mit fülligem Haar, als sei er 20 oder 30 Jahre jünger. Und so zeichnet er sich auch.
Von Ernst Bernhard träumte er noch ein halbes Jahr nach dessen Tod. Er lässt ihn sterben und wieder auferstehen und errichtet ihm so ein kleines Traumdenkmal. Bernhard liegt im Sterben. Alle seine Schüler und Patienten umringen ihn. Er hat die Augen geschlossen, denn er ist tot. Ein Schüler von ihm mit einem Bart, der ihn aussehen lässt wie einen Inder, hält eine Gedenkrede über den Professor und sein Leben.
Da öffnet B wieder die Augen und lächelt, als würde er sagen, ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass ich tot bin. Entfernt sich dann in Richtung Weltraum und löst sich auf, bis er ganz verschwunden ist. Physisch gestorben, aber nicht geistig ist das Thema, über das wir nun meditieren sollen.
»Ich finde Bernhard später in der Via Capolecase und zeige ihm 36 Meter Glentscheckstoff, aus dem die Tuniken genäht werden sollen, mit denen man sich im Reich der Toten präsentieren kann. Aber ich will nicht den ganzen Stoff selber wiegen müssen,« protestiere ich. »B. gibt mir recht und lächelt. Er braucht diesen Stoff nicht. Und ich begreife, dass er sich dort nackt präsentieren wird.«
Platz für Träume ist in jeder Nacht. Bei jedem Einschlafen entsteht sofort Raum, um mit den weitaus klügeren und emotional sensibleren Teil unseres Selbst in Kontakt zu treten. Musik
Markus Stickleger ist Film- und Kulturwissenschaftler und unterrichtet an der Universität Freiburg. Er habilitierte über Verführungsstrategien im Film.
In Publikationen, TV-Essays und Audiokommentaren zu Video-Wiederauflagen von Kinofilmen beschäftigt er sich mit der bizarren und dunklen Seite des Films, ebenso mit Medienmythen und mit Grenzerfahrungen und Grenzüberschreitungen, die ihn auch und gerade bei Federico Fellini interessieren. Auf dem Tisch in seinem Arbeitszimmer steht ein makaber wirkender, opulent gekrönter Totenschädel.
der das Tor auch zur wilden Welt der Mythen und Albträume zu öffnen scheint. Streng genommen muss Film die Realität neu erschaffen, um sie uns so zu präsentieren, dass wir sie irgendwie wahrnehmen können als bezogen auf unsere eigene Erlebenswelt überhaupt. Was Fellini macht, ist ja eine Übersteigerung von Realität zu schaffen.
indem er sie ausdünnt, reduziert, beleuchtet, zum Teil farbig ausleuchtet, expressive Elemente integriert. Es ist bei ihm ja in beide Richtungen. Entweder er schafft die Realität neu, wie zum Beispiel das Essen auf der Straße, auf den Tischen in Roma, wo er das nachbaut, wie er das in Trastevere dann selbst erlebt hat.
Oder am Ende des Films, wenn er dann den realen Schauplatz, die Location selbst auf eine Weise ausleuchten lässt, die es uns wie in einem Studiobau erscheinen lässt. Also für ihn geht es aber darum, die Künstlichkeit zu unterstreichen und nicht die Künstlichkeit zu vermeiden.
Und das ist ja genau das, worüber wir auch gesprochen hatten, das Erleben in Bezug auf Schiff der Träume, dass man also quasi sehr schnell bereit ist, wenn man das mal verstanden hat, diese Künstlichkeit als eine eigene Realität des Films anzuerkennen und zu würdigen.
Das ist sehr filmisch, diese Idee. Also man würde zunächst mal oberflächlich sagen, es ist theatralisch gedacht. Es ist wie eine Bühne. Aber es ist die Bühne des Welttheaters, denn diese Bühne ist ja endlos gedacht. Es ist nicht eine Schaukastenbühne. Die hat keine Grenzen.
Sondern das Meer aus Plastikwellen ist endlos gedacht. Das Kino von Fellini ist ein genuin filmisches, also eines, das auf die filmische Medialität mehr vertraut, als man das kennt aus dem amerikanischen Film.
Es ist nicht interessiert an dem unsichtbaren Schnitt, es ist nicht interessiert an der Simulation einer Alltäglichkeit oder der psychologischen Backstory von Figuren, sondern es ist dieser Ereignisraum, den man erlebt als Publikum, der Fellini interessiert und der seine Filme so einzigartig macht.
Fellini hat eine eigene Filmsprache geprägt, einen poetischen Realismus, der in den 1960er und 1970er Jahren sehr populär war.
Die filmische Poesie ist dann besonders stark, wenn sie mit Reduktion arbeitet, wenn sie eben sich entfernt von der einfachen Reproduktion der vorgefundenen Welt und quasi eine Verfremdung bietet. Diese Verfremdung wäre der Entzug des Originaltons. Man kann das natürlich dann machen, indem man Musik drunter legt, aber keinen Originalton oder indem man einen dazu bezogenen Ton einspielt, wie in diesem Fall. Aber
Aber das ist natürlich ein extrem poetischer Moment dadurch, der aus der Zeit heraus gelöst wird. Und das ist ohnehin etwas, ich finde, wenn man Fellinis Filme sieht, versteht man irgendwann, man muss sie erleben, man kann sie nicht einfach sehen. Und diese Idee des Erlebens, also die performative Kraft des Films im Moment seiner Projektion zuzulassen, das wäre etwas, worüber seine Filme wirklich funktionieren. Und dafür sind solche Szenen natürlich auch perfekt. Die Idee, die ich mich an die
Ideen sind natürlich immer abstrakt. Das ist eine Angelegenheit, die mehr mit Physiologie als mit Ästhetik zu tun hat. Bilder sprechen beim Durchqueren der Augen. Die wecken Erinnerungen, Sehnsüchte, Erwartungen. Sie evozieren auch Aggressionen, die in den Gefühlsbereich gehen. Sie können natürlich auch intellektueller Natur sein. Eine Idee zieht von Natur aus.
Die Abstraktion vor. Der deutsche Filmemacher Christoph Hochhäusler gilt als einer der wichtigen, stilbildenden Regisseure der einflussreichen Berliner Schule.
Seit seinem Debüt mit »Milchwald« 2003, einem Roadmovie, hinter dem eine Variante des tief traurigen Märchens von Hänsel und Gretel aufscheint, ist er in deutschen Kinos und auf den Filmfestivals der Welt präsent.
Mit seinen Filmen »Falscher Bekenner« und »Unter dir die Stadt« 2010 erregte er zwischen 2005 und 2010 eine besondere Aufmerksamkeit als einziger Vertreter Deutschlands auf dem Filmfestival von Cannes, dort jeweils in der wichtigsten Innovationsreihe »En Certain Regard«.
Die herausragende Bildsprache seiner Filme, seine Stilsicherheit und seine Fabulierkunst machten ihn zu einem der profiliertesten Vertreter der jüngeren Generation des deutschen Films, der sich auch, wie etwa in »Unter dir die Stadt«, mit der Frankfurter Hochfinanz an ungewöhnliche Milieus herantraute.
Mit der Zeitschrift für Film »Revolver« demonstrierte er auch seit 1998 als deren Mitbegründer und Herausgeber ein profundes Verständnis für die praktischen Auswirkungen der Beschäftigung mit Filmgeschichte für die Arbeit als Filmemacher. Sein Film »Bis ans Ende der Nacht« bewarb sich 2023 erstmals um den goldenen Bären der Berlinale.
Und seine allerneueste Arbeit, ein neo-noir Gangsterfilm in der Tradition von Jean-Pierre Melville, Der Tod wird kommen, wird nach der Premiere auf dem Filmfestival von Locarno in wenigen Wochen in den deutschen Kinos zu sehen sein. Ein sterbenskranker Gangster heuert darin eine Killerin an, um in Brüssel einen Mord an einem Kurier zu rächen.
Kluges, atmosphärisch dichtes Genre-Kino urteilt eine erste Filmkritik. Ich habe sieben lange Spielfilme gemacht und keine Ahnung, ob das jetzt die Mitte oder der Anfang ist. Also ich hoffe, ich mache noch viel mehr, aber ich sehe, wie träge dieses System ist, wie langwierig alles ist. Insofern kann man nicht sicher sein, wie viele Filme man noch machen kann. Das ist ja in dieser Zeit,
Die Art, wie wir hier Filme produzieren, ist sehr langsam, sehr kompliziert, sehr vielteilig finanziert. So viele Dinge an einem Zern, die gar nichts mit dem Kino selber zu tun haben. Das trübt so ein bisschen die Aussicht. Aber was ich eigentlich sagen kann, ist, ich mache die Filme, die ich gerne selber sehen würde, die ich vermisse, die es nicht gibt.
Und da gibt es noch eine Menge Sachen, die mir einfallen, die es noch nicht gibt oder die ich gerne machen würde, in den verschiedensten Facetten, verschiedensten Genres. Ich würde gerne ein Western machen, ich würde gerne ein Musical machen, ich würde gerne ein
Science-Fiction-Film machen. Es gibt für alles Ideen, gibt zum Teil konkrete Projekte. Ich würde auch Filme in der Vergangenheit machen. Keine Ahnung, was davon dann finanzierbar ist und so, aber es gibt eine ganze Fülle an Projekten, die ich jetzt entwickelt habe, auch vom Psychothriller zum Period-Drama bis hin zum Western und zum Gaucho-Film und so weiter. Also, du siehst schon, ich habe irgendwie...
Immer noch die vielleicht Illusion, dass man nicht nur immer den einen Film machen kann, sondern eben sich neu erfinden kann. Christoph Hochhäusler begleitet uns als zweiter Filmexperte durch diese lange Nacht zu Federico Fellini. Auch er kennt die Traumprotokolle des Federico Fellini, die dieser auch nach dem Tod seines Psychiaters Ernst Bernhard mindestens bis 1981 weiterführte.
und deren Einfluss auf seine Filme und auf sein Leben seit 1960 man deutlich nachvollziehen kann. Was ich toll finde, ist halt auch dieses Vertrauen in das eigene Unbewusste als Verständnis.
eigentlich unerschöpfliche Quelle. Also es ist so ein Vulkan, ein Vulkan des Unbewussten und was da rausströmt an Lava, wird dann eben sofort zum Material. Es gibt so ein Lied von Björk, wo sie singt, die Erfindungen, die baten alle im Berg auf ihre Zeit, die sind alle schon da. Und so...
habe ich das Gefühl, ist es auch mit dem Unbewussten eines Künstlers. Also das geht mir auch so. Also ich habe das Gefühl, es gibt eigentlich eine unerschöpfliche Quelle. Man muss ihr nur zuhören. Und die Quelle ist in dir. Und da wird eben allerlei ausgespuckt und man muss es dann halt sortieren oder sauber freilegen, sodass man damit arbeiten kann. Also Filmideen purzeln bei mir immer nur so. Ich habe eigentlich...
Mehr Ideen, als ich jemals verfilmen kann. Die Arbeit ist dann nur sozusagen diese Geburtshilfe, also aus dieser Idee etwas zu machen, was man drehen kann. Was ich ja toll finde, ich weiß nicht, wie exklusiv er das gemacht hat, aber Fellini hat ja viele auch Nummern sagen lassen. Ja.
Also auf Italienisch, uno, due, tre, quattro, cinque, sei und so weiter. Das heißt, der Mund bewegt sich, aber sie wissen noch gar nicht, was sie sagen. Ja, er hat das oft nachsynchronisieren lassen. Genau. Also das war eh die italienische Methode, aber ich meine, der Dialog stand auch wirklich nicht fest. Und erst dann, wenn er sie sieht, die Szene, sagt er, jetzt müsste der das sagen. Das ist natürlich ein toller...
Tolle Art auch das Unbewusste bis ans Set noch zu bringen. Also er ist der Bauchredner seiner Figuren. Fellini ist eigentlich immer stärker, wenn er die Einzelszene...
Wenn die Einzelszene egoistisch sein darf, also sprich, wenn die Einzelszene sich nicht darum kümmern muss, dass sie ein Glied ist in einer Kette, die etwas erzählen muss. Also einer meiner absoluten Lieblingsfilme ist Am Akkord, was ja so ein Erinnerungsreigen ist, wo auch eigentlich kaum, es gibt Episoden, es gibt schon wiederkehrende Episoden,
Rhythmen, Figuren und so weiter. Aber es gibt keine Handlung im engeren Sinne. Und was ich super interessant finde an Amacord ist, dass seine alte Ego-Figur, es gibt ja eine Art Selbstporträt darin, eine Nebenfigur ist. Fellini war ganz bestimmt Monoman, aber nicht im Sinne von ich, ich, ich. Sondern es ist eben seine Erinnerung, die das Ganze amalgamisiert. Und so zu so einer Wolke. Der Erzähler bläst die Wolke sozusagen.
Außersinnliche Wahrnehmung. P, nackt und rosig wie ein riesiges Baby, saß auf einer Wolke, die reglos an einem sehr blauen Himmling. Ich spürte, dass nun der Augenblick zum Einschreiten gekommen war und begann gegen die Wolke zu pusten, wobei ich sagte, es ist Zeit, das zu befruchten, was darunter ist. Bedingt von der Kraft meines Atems,
der ebenso stark wie der eines Gottes war, begann die Wolke mit P. obenauf ruhig und langsam durch den Weltraum zu segeln. Und mit feierlicher Geste umfasste P. mit beiden Händen ihre fantastischen Riesentitten. Dann fiel ein geordneter, glänzender Regen auf die Erde nieder. Musik
Cabiria ist eine patente Straßenhure in Rom. Sie wird gespielt von Giulietta Masina und ist mit allen Wassern gewaschen. Aber sie hat eine Schwäche. Immerzu glaubt sie an die Liebe ihrer Kerle, die sich doch nur als ihre Zuhälter sehen und sie auch noch um ihre letzten Ersparnisse erleichtern, sobald sie können. In so einem Moment, wieder allein und tief verzweifelt, betritt sie das Varieté Luxe
wo der Zauberkünstler auf der Bühne eben einer Gruppe von Männern hypnotisch vorgespiegelt hat, sie befänden sich auf einem Boot, das gleich untergeht. Er bittet Kabiria, die er mit dem Schwung von Männern zugleich auf die Bühne geholt hat, nicht gleich wieder zu gehen. Er lässt einen Vorhang hochgehen, hinter dem ein weiterer Vorhang erscheint.
Allein mit seiner Stimme und seiner Erzählung entwirft er für sie in der fast leeren Szenerie ohne Requisiten einen Moment der Liebesmagie, der Cabiria tief in der Seele erreicht. Einen Mann stellt er ihr vor, der sie liebt. Er begrenzt sie mit einem Blumengebinde und fordert vom Kapellmeister einen Walzer, den sie in einer verzauberten Trance zu tanzen beginnt. Die Männer im Publikum johlen und feixen.
Deswegen sind sie hergekommen. Sie machen sich lustig über sie. Aber Kabiria bleibt unerreichbar. Gefangen in ihrem hypnotischen Tagtraum. Einen Moment lang und noch einen. Und sie nimmt uns mit in ihre Welt der reinen Vorstellung. Ganz emotional und ganz direkt in einem Film. Mir hat Kabiria auch immer gefallen. Vor allem die Szene, wenn man sie quasi zwingt,
im Unbewussten spazieren zu gehen. Dieser Verrat und diese Zartheit zugleich, das ist ja so eine Art Metapher fürs Filmemachen auch. Man gibt einem großen Publikum intimstes Preis. Dieser Schmerz, der darin liegt, dass sie eben eigentlich
nicht ahnt, dass sie da keine Blümchen pflückt, weil sie unter Hypnose ist und die anderen lachen sie aus und so weiter. Diese Spannung, die hat viel zu tun mit unserem Beruf. Die konventionelle Idee vom Film ist möglicherweise auch die unzutreffendste, nämlich dass Film eine illusionistische Reproduktion von Realität sei. Verlinis Filme sind ein wunderbares Gegenbeispiel schon. Im
Im Endeffekt ist das auch der Grund, warum Fellini lieber im Studio als on location gedreht hat, weil die Dinge schon so aussehen sollten ungefähr wie in der Realität, aber dann darüber hinaus gehen oder die unterwandern oder eben durchlässigt werden für andere Aspekte.
Und diese Durchlässigkeit ist etwas, was der Film auf eine besondere Weise leisten kann. Er ist nicht statisch wie Gemälde oder Fotografien, er ist nicht beschreibend wie die Literatur. Er schafft Impressionen visuell oder auditiv, also Bild und Ton, lässt sich frei gestalten und umfasst alle künstlerischen Ausdrucksformen, die wir kennen. Vom Schauspiel über die Architektur über die
Die Kostüme, die Masken, also quasi alles. Und da ist quasi das, was man an Eingrenzung bei anderen Kunstformen erfährt, quasi aufgelöst. Und deswegen denke ich, ja, Film ist wirklich gut geeignet, um diese anderen Realitäten parallel auch zu vermitteln, erlebbar zu machen.
Ich habe ohnehin den Eindruck, dass seine Filme vor allem in der mittleren Phase sehr stark inspiriert sind von dieser Idee von mehreren Schichten der Realität, zu denen zum Teil nur die Kunst Zugang hat und zum Teil auch nur die Filmkunst.
Und wenn man im Grunde auch biografische Filme wie Amakord oder Verlinis Roma sieht, sind das ja dennoch Filme, die immer so einen übersteigerten Realismus oder einen magischen Realismus anstreben, also wo es immer durchlässig wird, ne.
Insofern denke ich, das wird eine seiner Hauptinspirationsquellen gewesen sein. Also die Erkenntnis, dass diese Dinge permanent präsent sind, auch wenn wir sie uns nicht klar machen in einem profanen Alltagsgeschehen, dass sie dennoch lauern oder im Hintergrund arbeiten. Und dieses Faszinosum, dass diese Träume oder auch Tagträume ausmachen, das denke ich, ist in seinen Filmen sehr stark präsent.
Musik
Musik
Anders als Fellini führe ich jetzt kein Traumtagebuch. Ich erinnere mich schon an bestimmte Träume, aber ich lasse sie eigentlich in ihrer Rätselhaftigkeit stehen. Ich habe eigentlich nie den Versuch gemacht, jetzt einen Traum unmittelbar zu verfilmen. Aber ich habe es mir schon gedacht, dass ich das nicht machen kann.
Ein Kino, das traumhaft ist, interessiert mich natürlich sehr. Und du hast recht, also dieser alte Weg, sag ich mal, im Film Noir ist das ja oft so, dann verschwimmt das Bild und dann ist man in irgendwie, oder es bellbaut oder keine Ahnung, also dann ist man in einer mehr oder weniger fantastischen Kulisse. Das hat für mich nie funktioniert, aber was sehr wohl funktioniert...
ist, wie das zum Beispiel David Lynch immer gemacht hat. Also so eine Art Überernst, in dem scheinbar Banales ausweglos erscheint, wo man gezwungen ist, um die Ecke vom Diner zu gehen. Warum, weiß man nicht, aber es ist notwendig. Und es ist der Zwang im Traum. Ja, der Zwang im Traum, das ist etwas, was mir sehr präsent ist. Also
Also rätselhafte Verschwörungen. Im Traum gelten ja Regeln, die man akzeptiert, die gesetzt sind und man weiß aber nicht mehr oder wusste es noch nie, warum sie gelten. Regeln sind ja...
Also Wittgenstein definiert ja Regeln als sinnlos, sonst sind sie keine Regeln. Das hat natürlich etwas, also gerade auch auf einem Spielfeld zum Beispiel gelten ja Regeln, diese Linie bedeutet das, die ja keinen Sinn außerhalb des Spiels ergeben. Und so ist es auch ein bisschen im Traum. Also da gelten Regeln, Zwänge, Autoritäten, die man nicht durchblickt und darin,
bricht sich natürlich eine reale Erfahrung, aber sie ist auf eine vielsagende Weise entkleidet, diese Erfahrung, hin zu so einem Kern. Was mir absolut erstrebenswert erschien, ist eine Filmsprache, die dieses stark Funktionalisierende des US-Kinos, was uns ja alles so prägt,
wo man eigentlich immer in einer erzählerischen Hierarchie ist. Also das ist wichtiger als das und darum muss ich das jetzt betonen und dann muss ich noch das zeigen und so weiter. Diese Zwänge aufzulösen und zu einem noch, wenn man so will, reineren Kinos zu kommen. Also unrein wie Fellinis, aber rein in dem Sinne, als dass es nur aus Empfundenem besteht und nicht aus konstruierten Kinos.
In einem dunklen, weiten Raum, der nur mühsam von Kerzen erhellt ist, starrt Kardinal Montini mit eiskaltem Blick in die Dunkelheit. Ich beschließe, ihm gegenüberzutreten. »Eminenz, haben Sie Vertrauen zu mir?« »Keineswegs«, antwortet er mir so hart und trocken wie ein Peitschenhieb.
Es ist klar, dass er niemals auch nur einen Moment lang an die christliche Botschaft geglaubt hat, die viele Kritiker, Gelehrte und Priester in meinen Filmen zu finden glauben. »Halten Sie mich für religiös?« frage ich ihn. »Oh, das schon«, antwortet er prompt. »Man kann dir an deinem Gesicht ansehen, dass du religiös bist. Was für wunderbare Augen der Kardinal hat!«
antworte ich ihm mit speichelleckerischer Unterwürfigkeit. Die Lebenswelt des italienischen Katholizismus beherrschte die Kindheit und die Jugend Federico Fellinis, weshalb es in seinen Filmen von kirchlichen Würdenträgern nur so wimmelt. Manchmal sind sie ironisch gespiegelt, wie etwa in der Modenschau im Vatikan in Fellinis Roma, in der deren Eitelkeit als bizarr-fantastische Haute Couture paradiert.
Auf diesem Catwalk werden Kardinäle zu Schulmädchen und Nonnen zu Aliens. Dann wieder wird ein Kardinal für ein Zwiegespräch bemüht oder die Kirchenmänner stehen am Rande zusammen und tuscheln. Schließlich bestimmen sie die Wertmaßstäbe, stellen Regeln für die Sexualität auf, sind mal Vertraute und gleichzeitig immer wieder eine latente Bedrohung.
Federico Fellini wuchs auf zwischen Nonnenschule und der schon seit seiner Geburt 1920 etablierten Herrschaft der Faschisten Mussolinis, deren eigentümliche Herrschaftsfolklore er zum Beispiel 1973 in Amacort aufspießt. Rimini ist versammelt zum Appell. Den Vater hat man zu Hause eingesperrt, wie jedes Mal, wenn die regierenden Schwarzhemden eine Kundgebung abhalten.
Als ihr ausgesprochener Gegner tobt er also daheim, ohne Zuhörer. Derweil schauen die faschistischen Würdenträger auf ihrer Tribüne stolz den jungen Leuten bei ihren Leibesübungen zu. Eine Jugend aus Granit raunen sie sich gegenseitig zu. Ja, eine Jugend aus Granit. Die Jungen präsentieren das Gewehr und dann die Mädchen ihre Reifen. Trompetenfanfaren kündigen ihn an.
Wir grüßen den Duce. Rechts und links rahmen schwarze Fahnen mit Lektorenbündel einen gigantischen kreisrunden Mussolini-Kopf ein, der doch nur ein riesiges flaches Blumengesteck ist. Nur ein schierer Kopf mit roten Blumen für die Mund- und die Augenpartie wird hochgezogen, sodass er aufrecht steht als groteskes Denkmal des Duce, wie bei einem italienischen Blumenkorso.
Plötzlich scheint sich sein Mund zu bewegen. Er spricht einen der Jungen an und fragt ihn, willst du? Er spricht eines der Mädchen an, willst du Ciccio Marconi heiraten? Wir befinden uns im Tagtraum des pubertierenden Jungen. Flugblätter regnen wie Konfetti. Alle, die sich zur Kundgebung versammelt haben, jubeln ihm zu, neben ihm das Mädchen, jetzt im Brautkleid.
Ein persönliches Erlebnis, gespiegelt im faschistischen Kitsch. Mittendrin Mussolini als blumiges Heiligenbildchen. Es ist etwas, was, glaube ich, auch ein bisschen die Epoche, in der er als Kind aufgewachsen ist, reflektiert. Weil er ist ja zwischen Katholizismus und Mussolinis Faschismus aufgewachsen.
ist dann auch in dieser Zeit quasi ins Filmgeschäft langsam reinkommen oder zumindest durch erst mal Zeitschriften und so weiter, also durch seine Beschäftigung in dieser Zeit. Er ist nie wie einige andere quasi nachweislich mit den Faschisten aktiv gewesen, sondern er hat das immer von außen betrachtet, was ja man nicht für alle sagen kann, die damals aktiv waren und auch nach dem Krieg. Aber das reflektiert er in allen Filmen, also wirklich bis ganz spät auch.
Und insofern ist dieser Zwiespalt zwischen einer historisch-politischen Schuldhaftigkeit, die mit Italien verbunden ist, und eben dem Schuldkomplex, den der Katholizismus dort und der Vatikan und natürlich, das kommt ja alles bei ihm auch direkt vor. Er ist aber nie wirklich antikatholisch.
Also er ist schon antifaschistisch, soweit würde ich gehen. Also Amacord macht sich schon lustig über den Faschismus. Und das ist auch interessant, weil in der Logik der Weltwahrnehmung von Fellini ist das auch lächerlich. Weil er ja eine sehr ambivalente Idee von Männlichkeit auch hat. Und Mussolinis Faschismus war ja eine übersteigerte Maskulinität, eine Virilität. Diese Virilität geht ja Fellinis Männerfiguren komplett ab. Komplett.
Und was auch wieder mit seiner Idee des Nicht-Fertiggeborenen zu tun hat. Also dass sie eher rekredieren und dass sie eher kindlich werden, sogar in Acht ein Halb. Also dass Marcello Mastroiannis Figur eher so eine Rückentwicklung manchmal hat und dann hilfloser erscheint und nicht sich buchstäblich ermannt und die Situation souverän meistert. Und das, denke ich, ist aus diesem Spannungsfeld heraus bezogen. So habe ich das immer wahrgenommen.
Das ist natürlich eine Reflexion von dem, was Italien damals beschäftigt hat und der kindlich gefilterte Blick auf diesen Pathos, den das hatte. Und interessant ist ja, dass man auch diese Unfähigkeit, sich jemals von diesen historischen Ereignissen zu lösen, in Italien heute noch bemerkt.
Also dass es in Predapio immer noch das Grab gibt, das als Sehenswürdigkeit gilt oder dass die Vitoriale zum Beispiel am Gardasee bei Salo, das sind ja alles Elemente des Faschismus, also die fast schon ehrfürchtig bewahrt werden.
auf eine Weise, die jetzt zum Beispiel für uns fast nicht verständlich ist, schnell aus einer deutschen Perspektive heraus im Umgang mit Geschichte. Und das ist, glaube ich, für Fellini offensichtlich. Und deswegen wählt er einen sehr spezifischen Zugang, der zugleich die italienische Perspektive mitdenkt, aber sich trotzdem darüber lustig machen kann. Zu der Zeit, als ich dann anfing, mich für das Kino zu interessieren, war Fellini so eine Art Gott geworden. Zum Beispiel in den
Die hässlichen Multiplexen, die in den 90er Jahren gebaut wurden, da waren oft Poster von ihm oder dieses Cesaro Schule von Athen Paraphrasebild, also dieses Kitschbild, da ist er derjenige, der Zampano mit der Peitsche.
der die großen Stars dirigiert. Die Espresso-Bars in diesen Multiplexen hießen oft Cinecittà und so weiter. Gleichzeitig liefen seine Filme da nicht, sondern das war so eine Art Imbegriff des Kinos. Und ich erinnere mich auch an die Schlagzeilen, als er starb.
Wurde im deutschen Föton so geschrieben, jetzt wo Mr. Cinema tot ist, kann es da überhaupt noch weitergehen? Also der Status war eigentlich ins Absurde überhöht. Und ich bin eigentlich ganz froh, dass das verblichen ist, weil man jetzt den Künstler wieder sieht, den tollen Filmemacher Fellini, der so ein bisschen verdeckt wurde von diesem extremen Ruhm. Aber...
Ob so ein Kino heute möglich ist oder wäre, schwer zu sagen. Es gibt ja schon Leute, die sich bewerben, sage ich mal, um seine Nachfolge. Also zum Beispiel Alicjo Rovacha, Lazaro Felice, aber auch der letzte, La Chimera. Da gibt es schon Felinesche sozusagen, Züge. Oder eine Weile lang gab es Kusturica oder...
Terry Gilliam oder Greenaway, die so versucht haben, bestimmte Aspekte des Felinesken weiterzuführen. Mein Eindruck ist, dass das schnell ein bisschen zu klein wurde. Ja, oder dieser Stadterzähler, der rumläuft, der Dottore, und erzählt etwas über die Etrusker. Ja, das ist schon toll. Was ich so befreiend finde, ist, man ist ja immer wieder in so Fesseln narrativer Erwartungen gestoßen.
Und dann eben zu sehen, es geht auch anders. Man könnte auch einfach einen Mann durch die Straße spazieren lassen und er spricht und es ist nicht verbunden, sondern es ist einfach nur Teil dieses Universums.
Der Bequemlichkeit halber unterscheiden wir genau zwischen Wirklichkeit und Traum. Eine Trennung, die mir etwas drastisch und schematisch erscheint. Ich glaube nicht, dass man beide Seiten der Existenz mit absoluter Sicherheit auseinanderteilen kann.
Das rechte Gleichgewicht bestände darin, dass man die Realität durchdringt und die Rolle des Realen im Traum und die des Traumhaften in der Wirklichkeit sieht. Es ist unsere Schuld, dass sich beide Operationen auf völlig getrennter Ebene abspielen, obwohl sie zusammengehören. Wenn wir sagen, ah,
Ah, das ist ein Traum. Wollen wir uns mit einem Gefühl des Unbehagens davon befreien? Ein Wegräumen, das jedoch nur an der Oberfläche stattfindet. Es würde sich stattdessen lohnen, wenn wir unsere nächtliche Lebensscheibe höher einstufen würden. Die psychische Gesundheit wächst, wenn wir weniger dreist unsere Traumbeziehungen archivieren.
Der Traum ist viel wichtiger, als wir normalerweise im Stadium des Wachseins, in dem ich mich jetzt gerade befinde, annehmen. So ist alles, was wir tun können, zu versuchen, das Bewusstsein zu erreichen, dass wir ein Teil dieses unergründlichen Geheimnisses sind, das die Schöpfung darstellt. Wir gehorchen ihren nicht zu erkennenden Gesetzen, ihren Rhythmen und ihren Wandlungen.
Wir sind Geheimnisse unter Geheimnissen. Auch in seinen Träumen philosophiert Federico Fellini manchmal über Kunst und Leben. Was kein Wunder ist. Nach seinen lebenslangen Traumerfahrungen und deren Spiegelung im Sinne der Lehre des analytischen Psychologen C.G. Jung,
Er wandte sie auf sein künstlerisches Leben konsequent an. Oder, wie er selbst es sagt, Ich glaube alles, was man mir sagt. Ich höre gern von außergewöhnlichen Dingen. Meine Fähigkeit zu staunen ist unbegrenzt. Ich hüte mich im Gegenteil die Möglichkeiten der Fantasie irgendwie einzuschränken.
Es ist nicht meine Sache, Ordnung in das alles zu bringen. Meine eigene Welt ist verworren und wechselvoll. Ich bin ganz gewiss kein Meister im klaren Denken. Ich nehme das Recht für mich in Anspruch, mir selber zu widersprechen. Musik
Was ich hier sehe, ist ein Rimini, das nicht mehr aufhört.
Früher gab es rund um die Stadt viele Kilometer Dunkelheit. Die Küstenbahn, eine holprige Straße. Man sah nur die gespensthaften Umrisse von faschistischer Architektur, die Gebäude der Ferienkolonien am Meer. Im Winter, wenn man mit dem Rad nach Isabella fuhr, hörte man den Wind durch die Fenster dieser Gebäude pfeifen, weil man die Fensterläden abgenommen hatte, um daraus Brennholz zu machen. Jetzt ist die Dunkelheit verschwunden.
Dafür gibt es 15 Kilometer lang lokale Lichtreklamen und jenen endlosen Zug von blitzenden Automobilen. Eine Art Milchstraße, die von den Scheinwerfern gezeichnet wird. Überall Licht. Die Nacht ist verschwunden. Sie hat sich in den Himmel und ins Meer zurückgezogen.
Auch auf dem Land, auch im Covignano, wo ein märchenhafter Nightclub eröffnet wurde, wie man ihn nicht einmal in Los Angeles, nicht einmal in Hollywood findet. Er steht dort, wo einst die Tennen der Bauern standen, wo man nur Hundegebell hörte. Jetzt gibt es hier orientalische Gärten und Musik, Zookboxes, überall Menschen, eine Fülle von funkelnden Bildern, ein Spielzeugland, Las Vegas.
Ein Besuch Fellinis in der alten Heimatstadt Rimini, der Strandmetropole mit Grand Hotel, die ihn immer wieder beschäftigt hat und die im Zentrum seines Filmes Amacord steht. Vieles ist verschwunden oder hat sich elementar verändert. Er sieht seine Heimatstadt kritisch, aber doch auch neugierig.
Genau diese Worte, die Federico Fellini 1967 in seiner Hommage in Mio Paese, mein Heimatland, geschrieben hatte, tönten zu seinem 100. Geburtstag 2020 durch die Straßen der Stadt. Damit sollte nicht nur des berühmten Sohnes des besonders bei Deutschen so beliebten Urlaubsortes an der Adria gedacht werden.
Gleichzeitig wurde damit ein ganz besonderes, eindrucksvoll von Künstlern gestaltetes Museum eröffnet. An drei Standorten.
den spektakulären Überresten des Castel Sismondo, im 15. Jahrhundert Sitz der Renaissance-Adelsfamilie Malatesta, dem Palazzo del Fulgur, dem Ortskino aus Amacort mit dem gigantischen Nashorn in einem kleinen Boot aus Elana Viva davor und der Piazza Malatesta, dem Platz vor dem Castel als Gedenkstätte für die Mitarbeiter Fellinis.
Im zentralen Castel Sismondo erinnern Projektionen und Installationen an die Filme des Maestro Fellini, die sich zu einer eigentümlichen Traum- und Erlebniswelt verdichten, durch die man im Wortsinne spazieren kann. Das ist der Ursprung, die erste Heimat des Federico Fellini. Hier wurde er geboren, hier wuchs er auf.
Aus seinen Erlebnissen in Rimini schöpfen viele seiner Filme, die im Kino Palazzo del Fulgur immerzu gezeigt werden. Auch zum Beispiel die Ankunft des riesigen Passagierschiffs Rex, das manchmal auf der Piazza Malatesta aus einem künstlichen Nebel inszeniert auftauchen kann. Fast wie in Amacord, Fellinis Filmporträt seiner Heimatstadt. Da taucht es aber aus dem Meer auf. Musik
Die Bewohner Reminis dümpeln mit ihren Booten im flachen Meer vor dem Strand und um die Mole herum. Die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein. Manche sind allein. Oft sind aber ganze Familien unterwegs. Temporäre Freundeskreise haben sich gebildet. Es wird gescherzt und gelacht von Boot zu Boot. Manch einer nimmt noch ein Bad im seichten Wasser. Prustend steigt er zurück aufs Boot.
Dann setzt sich wieder die milde, fröhliche Grundstimmung durch. Eine ideale, friedliche und harmonische Gemeinschaft, so will es scheinen. Dann ein dumpfes Tuten aus der Ferne. Plötzlich sind alle aufgeregt und die Luft scheint zu flirren. Und dann ist es da. Ein gewaltiges Passagierschiff kommt, dem sie alle ganz nah sein wollen. Es ist die Rex-Familie.
Plötzlich wird klar, dass sie alle nur gewartet haben auf das Schiff. Doch dieses mit tausend leuchtenden Fenstern ist nur eine reine Pappkulisse, die ins Bild geschoben wird, mitten im Film. Und jetzt ist auch das Meer, auf dem die Boote schwimmen, kein Wasser mehr. Nur noch knisternde Plastikfolie. Doch das alles geht unter in einem großen allgemeinen Hurra-Geschrei. »Viva! Viva! Eviva!«
Welch ein dramatisches Ereignis. Noch in der Szene gefriert es zur reinen kollektiven Erinnerung, zum unwiederbringlichen Sehnsuchtsmoment, der alle eint. Diese Szene, wenn das Schiff kommt, ist ja wahnsinnig. Also gerade auch die, sag ich mal, relative Armut dieser Effekte, das ist ja offensichtlich ein Karton, der da durch den Nebel fährt.
Er hat so eine Magie, weil wir eben ergänzen. Also ich sage immer, Kino ist eine Ergänzungskunst. Also wir müssen da dazugeben. Und im Grunde ist ein Kino umso mächtiger, je größer die Lücken sind. Also die Dreistigkeit oder der Mut, große Lücken zu lassen, heißt eben auch, man ist großzügig gegenüber dem Publikum. Und das ist für Lini unbedingt. Aufregung.
Vor ein paar Nächten überkam mich ein stark vibrierender Strom. Sofort fühlte ich mich weit in die Höhe katapultiert und sah endlich nach einer sehr langen Zeit den nächtlichen Himmel wieder. Ich schoss schwindelerregend weit in die Höhe und tauchte in einem Gefühl der Freiheit ein in die nächtlich leuchtende Luft. Es war schön und sehr anregend.
Christian Klandt, Jahrgang 1978, ist Absolvent der Konrad-Wolf-Film-Universität. Er ist einer der jungen Wilden des deutschen Films. Schon mit seinem ersten Film, Weltstadt, machte er 2006 urplötzlich von sich reden. Die Geschichte zweier Jugendlicher, die in Klands Heimatstadt Besko einen schlafenden Obdachlosen quälten und anzündeten, berührte die Welt.
Mit dem Kammerspiel »Life in Concert Vol. 2«, der im Mikrokosmos einer Kellerkneipe von der Kiezkultur erzählt, zeigte er schon einmal seine dramatische Finesse.
2024 gelingt ihm mit Sterben für Beginner, der Geschichte eines Musikmanagers, der Bestatter wird, um seinen besten Freund, einen Musiker, würdig und angemessen in den Tod zu begleiten, ein mit viel Gespür für die Zwischentöne und sogar unterhaltsam gestalteter Film. Ungewöhnlich bei diesem ernsten Thema.
Mit einem durchaus nicht unkritischen, durchaus pragmatischen Blick auf das Erbe des großen Federico Fellini ist Christian Klandt der dritte Gesprächspartner in dieser langen Nacht. Die Frage, ob jetzt Film Traum ist oder Träume Filme werden können,
Ist auch immer wieder zeitabhängig, zeitdifferenziert. Wenn man heutzutage mit einer Idee kommt, ach, das löst man in eine Traumsequenz oder machen verrückten Film und am Ende wacht dann die Hauptfigur auf und hat alles nur geträumt. Das kann man heutzutage nicht mehr bringen, weil verbraucht.
Wir leben ja sowieso in einer Zeit, wo wir alle die unzähligste VHS-Kopie eines Films sind, die wir alle bereits kennen. Also man ist ja, das ist heutzutage, Neues zu erfinden, muss gar nicht sein. Der Wunsch ist da, aber es sind immer die Mischformen. Es sind Mischformen von verschiedenen Strömungen, die etwas Neues entstehen lassen. Und man kann von den Altvorderen nur lernen, dass Träume mit Filmen verglichen werden. Traumfabrik Hollywood ist ja auch eine Marke.
Und diese Marke kann man auch gut aufrechterhalten. Traumfabrik, was soll das heißen? Traumfabrik ist einfach, dass die auch mit ihren Mitteln damals auch schon in den 30er, 40er Jahren dort mit den technischen Möglichkeiten Bilder kreiert worden sind. Also Milliers fing es ja auch schon an, so Anfang des 20. Jahrhunderts, dass er mit Tricktechniken, er war ein Zauberer, er ist Jahrmarkttyp gewesen, dass er tatsächlich Bilder kreiert hat und Szenen kreiert hat, die dem Träumen sehr nahe kommen.
Anders ausgedrückt einfach nur Fotografie, bewegte Fotografie, dokumentarische Dinge, was ja auch der Neue war mit dem Anfang der Cinematografie. Aber wenn man so reelle Bilder schafft, außergewöhnliche Bilder, dass die gerne mit Träumen verglichen werden. Und das hält sich nach wie vor. Und wie einfach es ist, heutzutage traumhafte Bilder, ob sie schön sind, sagen wir mal in Englisch, aber traumhafte, sonderliche Bilder herzustellen in der heutigen KI-Zeit ist ganz, ganz einfach.
Und nicht jeder Traum ist schön. Die Situation bezüglich meiner Arbeit ist seit zwei Jahren unverändert. Kein Projekt, ob ich es nun mochte oder nicht, war auf den Weg gebracht worden. Ich vegetiere und tue nichts. 700 Tage sind vergangen, wobei einer wie ein Ei dem anderen glich. Nichts hat sich verändert. Ich habe noch nicht einmal mehr Träume.
Ich habe dich vielleicht zu oft darüber befragt, was mit mir geschieht, wie ich reagieren soll oder welche Haltung ich einnehmen soll, um aus dieser tödlichen Stagnation herauszufinden. Sogar Zweifel lassen sich träumen. Und dass man überhaupt nicht träumt, auch. Stets aber schöpft Fellini aus der Heimat und dem Heimatgefühl.
Die zweite bedeutende Heimat des Federico Fellini ist Rom, in das er als 20-Jähriger umsiedelt. Zu Beginn seines Films Roma porträtiert er sich selbst, wie er als junger Mann die italienische Hauptstadt betritt.
Tatsächlich versuchte er sich neben einem ständigen Engagement als Zeichner für satirische Zeitschriften als Schöpfer von Varieté-Revues und wurde zu einem virtuosen Autor von Hörspielen für das Ende der 1930er Jahre immer wichtiger werdende Medium Radio. Dort lernte er auch seine spätere Frau kennen, die Schauspielerin und Sprecherin Juliette Damasina, die er 1943 heiratete.
Eine Tafel in der Via Marguta 110 mit Selbstkarikaturen des Paars erinnert daran, dass Fellini und Masina dort gelebt haben. Als Römer in Rom. Fellini eröffnete auch einen Funny Faces Shop, in dem er Comics und Karikaturblätter verkaufte. Die waren damals sehr populär. Fellini fertigte sie auf Bestellung sogar direkt an.
Und so betrat eines Tages der Filmregisseur Roberto Rossellini den Laden. Aus dieser Begegnung, so geht jedenfalls die von Fellini immer wieder gerne kolportierte Legende, entstand ab 1942 Fellinis erstes Engagement in der Filmbranche. Er begann, Drehbücher zu schreiben. Darunter für zwei der wichtigsten Filme Rossellinis, der als Vater des italienischen Neorealismus gilt.
Rom, offene Stadt. Rossellinis tragische Geschichtensammlung über den Widerstand in Italien 1945. Und auch an dessen Episodenfilm Paisa arbeitete Fellini mit. An 19 Drehbüchern war Fellini beteiligt. Und so war er schon bestens vernetzt, als er 1950 in den Regiestuhl wechselte. In Rom veränderte sich aber auch Fellinis Horizont.
Er sah sich auf einmal vor einer opulenten Fülle von Impressionen und Erlebnissen, in denen sich bei ihm oft schon Traum- und Realitätsebenen vermischten. Die Schule des Alltags dort erschuf erst den Filmemacher Federico Fellini mit all seiner sinnlichen Genauigkeit. Und so ist direkt mit Rom verbunden auch die berühmteste seiner Filmszenen, die selbst diejenigen kennen, die gar nichts über ihn wissen.
Sie spielt an, um und vor allem im Trevi-Brunnen, der Fontana di Trevi, dem Touristen-Hotspot in der Mitte der Stadt. Der monumentale Brunnen vor dem Palazzo Poli aus dem 18. Jahrhundert ist ein Meisterwerk des Barocks, durch das täglich 80 Millionen Liter Wasser fließen. Wer jemals in Rom gewesen ist, hat wahrscheinlich schon mal eine Münze hineingeworfen.
1960 in La Dolce Vita, Das süße Leben, wird der Brunnen zum Kinomythos. Marcello Mastroianni als Klatschreporter Marcello Rubini hat sich an die Versen der berühmten schwedischen Schauspielerin Silvia geheftet, die er beobachten soll.
Er nutzt einen ihrer kapriziösen Momente, um sie aus den Fängen ihrer Entourage zu lösen und mit ihr allein durch das nächtliche Rom zu stromern, das in den Schwarz-Weiß-Bildern des Films seltsam verfremdet wirkt. Auf einmal taucht in all seiner Pracht und ungewöhnlich menschenleer die Fontana di Trevi auf.
Und Anita Eckberg, die Darstellerin der Sylvia, steigt mit ihrem offenen, blonden Haar und ihrem schwarzen, schulterfreien Kleid sofort in das Wasser des Brunnens, der opulent sprudelt. Gerade ist Mastroianni hinterhergekommen. Sie paradiert im Wasser herum, spielt lasziv mit dem herunterrieselnden Nass und ruft Marcello zu sich. Er folgt ihr, geht auch ins Wasser.
Doch als er vor ihr steht, kann er nicht mehr näher an sie heran, so als sei sie von einem künstlichen Mann umgeben. Er kann sie nicht berühren. So sehr ist sie schon zur Ikone geworden in der Szene, im Bild und im Film. Dann geht auch der Ton weg. Das Rauschen des künstlichen Wasserfalls verstummt. Am Ende dieser Szene schreiten die beiden Hand in Hand durch das Brunnenbecken.
Die Kamera bleibt in der Distanz und erfasst auch den Pizzaboten am Rande des Brunnens mit, der sie gebannt anstarrt. Der Mythos, der da gerade entstanden ist, hat ihn schon in den Bann geschlagen.
Ich hatte das Gefühl, dass diese Idee, in einen Brunnen zu steigen, also etwas sehr Archaisches berührt. Also dieses Aufgehen in dem Fluiden, in dem Wasser, dass das etwas zu entfesseln scheint und auch etwas Seduktives, etwas Verführerisches hat, was quasi speziell dann auch mit der Figur nochmal affirmiert wird. Also dass Anita Eckberg dann natürlich durch ihre äußere Erscheinung auch nochmal da drinnen in ihrer Schönheit auch präsent ist.
Und das es aber gleichzeitig ihn außen vor hält...
Aber uns als Publikum sowieso. Weil wir sehen das, aber wir können daran nicht teilhaben. Weil die Fluidität ist genau das, was sich nicht vermitteln lässt. Also wie überhaupt alles, was haptisch ist. Wir können das im Film sehen und wir können es imaginieren, aber nicht wirklich daran teilhaben. Und ich denke, dass diese Szene einfach sehr weit geht, indem sie etwas entfesselt an archaischen Denkmustern oder Empfinden und Begehrensstrukturen, die offenbar vorliegen.
sehr verbreitet sind. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Mir ist die Szene natürlich auch sehr präsent. Es ist auch so diese Idee, wenn man dort ist, muss man diesen Brunnen sehen, wegen der Szene. Dann hat man noch die Idee, sollte man vielleicht mal reinsteigen. Das löst tatsächlich etwas aus. Es ist dann die Sehnsucht danach, kann ich nicht doch daran teilhaben, wenn ich dann dort bin. Also dass ich das dann nochmal spüren kann.
Aber im Endeffekt ist es so, wenn sie zusammen in diesen Brunnen gehen würden und sich vergnügen, wäre es eine andere Szene. Und ich glaube, der Clou ist gerade das Beobachten dieses Akts, das Hineinsteigen in das andere Element. Also als würden dann auch diese verschiedenen Erlebenswelten zusammenkommen. Wenn man nur diese Szene betrachtet, die in der Handlung des Films eigentlich keine bedeutende Rolle spielt,
ist sie in all ihrer Schönheit präsent. Und auch Anita Eckberg in ihrer lasziven Schönheit und ebenso Marcello Mastroianni als ratloser Verführer überzeugen. Doch was erklärt die unglaubliche, ikonische Aura dieser Szene, die für manche das eine Bild für das gesamte Werk des Federico Fellini ist? Wenn ich jetzt länger über diese Szene nachdenke, ist ja, wenn Wasser aufhört oder hier ein Geräusch verstummt,
Führt es ja dazu nochmal zu einer Veränderung und zu einer Transformation. Und diese Szene da im Wasser wurde einfach hinterherstiefelt und sie da als wundertolle Frau, einfach ist ja ein tolles Bild, was auch gezeichnet wird, sie lässt sich ja nicht küssen, führt dazu nichts, keine Intimität, obwohl es eine intime Szene ist, führt es ja nicht zu dieser Intimität, die dort anskizziert würde.
Und in dem Moment, wo die auditive Ebene zurückgezogen wird und sich auch visuell was verändert, verändert sich auch bei ihr etwas. Und damit ist die Geschichte auch erledigt. Und diesen Zustand, wie sie ihn zurücklässt, trägt er in die nächste Szene. Und jedes Mal, von Episode zu Episode, kommt er in diesen Moment, wo er kurzzeitig von einer Frau verlassen wird. Oder es gibt eine Vorwurfsspirale. Und jedes Mal verstummt er.
Also er ist eben nicht, bis auf diese eine Streitszene, wo er seine Verlobte da aussetzt, aber ansonsten ist es ja eher ein stummer Charakter, der innerlich leidet. Der sich zurückzieht und so ein bisschen treu-doof durchblicken lässt. Warum versteht mich dann keiner? Und da ist es auch wieder so eine Form von Enttäuschung. Aber ich glaube, diese Szene gehört eher der Dame, Anita Eckberg. Das ist ihre Szene. Der Film ist eigentlich sehr bitter. Der hat ja so eine...
so ein Image als süßer, romantischer Film irgendwie. Ich fand den immer eigentlich sehr kalt, also auch im Vergleich zu anderen Fellini-Filmen. Der ist sehr hart. Also da gibt es den Steiner, den Freund, der sich umbringt. Es gibt diese Dekonstruktion des Ruhmes. Es gibt diesen hohen Preis, den die alle zahlen für diese Art von Make-Believe.
Also ich fand immer, dass das eigentlich ein sehr harter Film ist. Vielleicht würde man ihn heute auch ganz anders beschreiben. Der ist ja so ein Inbegriff eines Filminfilms geworden, was ja für mich ihn ein bisschen überfordert. Das liegt eigentlich alles im Titel, Deutsche Vita.
Und der ist ironisch. Plakative Ironie funktioniert nicht. Auch da ist mir übrigens am meisten präsent der Vater, die Vaterfigur. Der Marcello erfindet sich eben und ist dieser Star mehr oder weniger. Aber es gibt eben auch lästigerweise eine Vergangenheit, die sich meldet und sagt, das ist doch unseriös, das stimmt doch gar nicht. Das passt ja nicht zusammen und da muss man sich verleugnen und davon laufen usw.,
»La Dolce Vita«, »Das süße Leben«, war 1960 Fellinis Porträt der in sich geschlossenen Schickeria von Rom, mit Marcello Mastroianni als Boulevardjournalisten Marcello Rubini im Mittelpunkt, dessen Leben eher das eines belanglosen Herumtreibers mitten im Luxus der feinen Gesellschaft ist.
Für diesen Film stilisierte Fellini auch den Paparazzo als Fotografen, der stets auf der Jagd nach dem Skandalbild ist, zur festen Größe in der Populärkultur, wobei er den schicken Namen eines beliebigen Hotelbesitzers auf ihn übertrug. In diesem Film kneten die Paparazzi ihre Prominenten zu Szenen wie Puppen, um an ihre Fotos zu kommen.
Begriffe und Namen werden schnell zu Mythen. Fellini sah sich gern als ihr Schöpfer, wie schon in La Strada, wo er den Prahlhans als großen Zampano einführte. Spätestens mit La Dolce Vita aber hatte Fellini übrigens seine endgültige eigentliche Heimat gefunden.
Cinecitta, seit 1937 noch von Mussolini eröffnet, die Traumfabrik Italiens, der sich in seinen Erzählungen so annäherte wie in seinem Film am Anfang in Achteinhalb.
Da erhebt sich Fellini selbst mit charakteristischem Hut wie im Traum in die Lüfte. Und selbst fliegend nähert er sich dem Gelände im Süden von Rom an, wo er die nächsten 30 Jahre leben und arbeiten sollte. Er überlegte sogar, ganz auf das Studiogelände zu ziehen, eben mitten in die Traumfabrik. Es folgt eine Liebeserklärung, die sich vom Boden aus in die Luft erhebt.
Langsam bewegte ich mich vorwärts. Es herrschte tiefe Finsternis. Meine Hände berührten eine Wand, die kein Ende nahm. Ein wenig älter, ein wenig schwerer geworden, machte es mir große Mühe, mich vom Boden zu erheben. Am Ende schaffte ich es doch und ich schwebte in großer Höhe durch die Luft. Was war das nur für eine Landschaft, die ich dort unten zwischen den Wolkenfetzen sah? Die
Das Universitätsgelände? Die Polyklinik? Wie ein Gefängnis sah es aus, wie ein Atomschutzbunker. Schließlich erkannte ich es. Es war Cinecittà. Cinecittà, wo den Besucher auch heute noch viele nachgelassene Bauten zu Fellinis Filmen erwarten,
Darunter, gleich neben der Auffahrt, der riesige Kopf der Göttin Luna, der zu Anfang von Fellinis Casanova aus dem Canal Grande auftauchte und wieder unterging. Auch die komplette Prachtstraße Via Veneto in La Dolce Vita wurde hier gebaut und das Raumschiff am Ende von 8,5 m.
Doch Cinecittà, die Stadt des Kinos, ist mehr als nur eine Ansammlung von Bauten und Studios oder ein Fundus der Prachtkostüme, den man in einem kleinen Museum besichtigen kann. Fellini lebte in diesem Traumreich, wo auch internationale Großfilme wie »Ben Hur« von William Wyler und »Cleopatra« von Joseph L. Mankiewicz voller Star-Power entstanden sind.
und reale Menschen, überirdisch erscheinende Kinolegenden und absurd schräge Kuriositäten sich an einem ganz normalen Tag in den 1960er Jahren in der Kantine zu einem fantastischen Reigen versammelten, als seien sie geradewegs der Traumwelt Federico Fellinis entsprungen.
Wenn ich darüber nachdenke, ließe sich die Kantine in Cinecittà am besten mit einem alten Irrenhaus vergleichen, in dem die Geisteskrankheit sich in Gesellschaft ihrer eigenen Illusion befindet.
Man begegnet Kardinälen, Revolutionären, SS-Männern, Höhlenbewohnern, Konkubinen und über 1,80 Meter langen Eidechsen, die Kaffee trinken, Pizza essen. Sie kaufen Sandwiches und nehmen sie in Plastiktüten mit an ihren Arbeitsplatz. Ich habe sogar gesehen, wie ein Sandwich im Beutel eines großen Kängurus verstaut wurde, mithilfe Richard Burtons.
Neben ihm saß Elizabeth Taylor, die mehr erstaunt als erschreckt über das Riesentier war, und er erklärte ihr, dass dieses Känguru anatomisch nicht richtig gebaut sei, da seine Ohren zu weit vorn am Kopf stünden. Sie, in ihrem prächtigen Kleopatra-Kostüm, sah sich mit ihren unglaublichen violettfarbenen Augen um, als ob sie den Urheber dieses Missgriffs suchte.
Im Filmstudio wurden Filme ausgedacht und verworfen oder schließlich realisiert. Diese Innenansichten erzählt Fellini vor allem in der ironisch gebrochenen Bestandsaufnahme seines künstlerischen Lebens in Acht ein Halb. Das Leben in Cinecittà erzählt aber auch seine kleinen Anekdoten, die – wahr oder nur gut ausgedacht – schnell zu den Mythen des Alltags der Film-Community wurden.
Eine davon liebte Fellini besonders, die vom gestohlenen, abgedrehten Filmmaterial zu Casanova 1974. Gestohlen war das Rohfilmmaterial, das wir in den ersten drei Wochen gedreht hatten. Das waren die Szenen »Der Sturm auf dem Meer« und »Der Teil, der in dem lossener Gas ausspielt«.
Wir haben damals viel herumtelefoniert mit der Polizei und mit der Lloyd-Versicherung in London, um wieder an die Rollen zu kommen. Aber am Ende der Dreharbeiten, am allerletzten Abend, haben wir dann in einem Korridor der Cinecittà einen Sack gefunden. Und in ihm waren die Filmrollen, mit einem kleinen Zettel daran, auf dem zu lesen war »Zum 1. Mai aus Bewunderung für den großen Federico«.
Der 1. Mai ist in Italien der Festtag der Arbeiter und der Kommunisten. Das war nun so eine Art Hommage an mich. Nein, nein, das ist wirklich wahr. Die Welt des Schauspiels und der Bösewichte haben immer schon eine besondere Bewunderung füreinander gehabt. Das hängt zusammen mit dem gemeinsamen Aspekt der Verführung und der Überredungskunst. Musik
Petra Seeger hat seit 1979 in verschiedenen Funktionen an Spiel- und Dokumentarfilmen mitgearbeitet.
Und seit 1991 als Regisseurin lange Dokumentationen, zum Beispiel über Edgar Reitz und Christoph Schlingensief gemacht. Mit »Auf der Suche nach dem Gedächtnis« gelang ihr 2008 der Durchbruch mit einem Porträt des Hirnforschers Erik Kandel, das unter anderem mit dem renommierten Bayerischen Filmpreis als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.
Ihr gelang mit diesem sehr persönlichen Dokumentarfilm eine leidenschaftliche Reise in die komplexe Gedankenwelt des Nobelpreisträgers. In einer Mischform aus Dokumentar- und Spielfilm widmete sie sich danach mit »Vatersland« ihrer eigenen Kindheit allein mit Bruder und Vater, der ebenfalls vielfach prämiert wurde.
Scharfsichtig, feministisch und humorvoll zeige sie ihren Weg zur Filmemacherin auf, schrieb die Kritik. Die Hauptrolle in dem eindrucksvollen Film übernahm Margarita Bruch, bekannt als Frankfurter Tatortkommissarin. Petra Seeger ist die vierte Expertenstimme dieser Sendung über Federico Fellini.
Ein Freund von mir, ein damaliger, der bei der RAI arbeitete, die RAI baute damals so Häuser für ihre Journalisten hinter Cinecitta, direkt hinter dem Studio. Und er kaufte eine Wohnung, die oben, und man konnte von oben direkt in Cinecitta reingucken. Und da stand, bis heute steht, also ich habe heute mit ihm telefoniert, bis heute steht, also es ist 30, 40 Jahre her, steht dieses Gerüst da von 8,5, dieses Gerüst.
Also diese Stabgerüst, das steht heute noch und wird benutzt und wird teilweise abgebaut und umgebaut und so. Man guckt von seinem Balkon direkt da rein. Und ich sprach heute mit ihm und sagte, steht das eigentlich noch da? Weil das fanden wir natürlich klasse, ja, vom Balkon da in acht, in halb reinzugucken sozusagen in den Film.
Und er erzählte mir dann, dass er dann mit der Metropolitana mal gefahren ist und Fellini saß drin und fuhr nach Chinatita. Und er setzte sich ihm gegenüber und sagte, buongiorno maestro. Und dann sagte er, also ich habe keine Schüler.
Und dann sagte dieser Freund von mir, ja, aber ich bin groß geworden mit ihren Filmen. Also insofern, ich bin gewachsen mit ihren Filmen, aufgewachsen mit ihren Filmen. Wenn aber alles zu Geschichten wird in Chinechita, in diesem geschlossenen System der Wünsche und Fantasien, das glaubt, größer zu sein als das Leben selbst, wie Hollywood, Bigger Than Life,
Woher kommen dann die kreativen Brüche und Katastrophen, die jede Kunst braucht? Ich befinde mich in Montesagro, in einem riesigen Kinosaal. Hinter uns ruft jemand, dass der Tiber über seine Ufer trete, da es seit Wochen unablässig regnete. Auf der Leinwand erschienen grauenhafte Bilder von Wasserstrudeln, die alles und jeden mit sich fortreißen.
Der Film zeigt genau das, was in diesem Augenblick da draußen tatsächlich vor sich geht. Dann höre ich jemand von einer Sonnenfinsternis sprechen. Aufgeregt trete ich hinaus auf die Straße. Der dunkle Himmel, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Sonne, die Son
wird von gleißenden Blitzen zerrissen und ein Wind, der direkt einer Naturkatastrophe zu entstammen scheint, pfeift lautstark über die Stadt. Und aus der dunklen Finsternis, die jeden Stadtteil umhüllt, ist das schauerliche Getöse des Tiberwassers zu hören, das alle Straßen, Plätze und Häuser überflutet.
Durch die unermessliche Gewalt dieser Katastrophe werden alle meine Sinne aufgeputscht, sodass ich mich aufs Äußerste erregt und wie berauscht fühle. Es lebe die Apokalypse. Das Kasperl-Etat ist natürlich für junge Menschen, für Kinder denn da, die man mit Einfachsmitteln verzaubern kann. Und dieses Prinzip verlernen wir als Erwachsene.
Und das ist ja so tragisch, dass wir uns abmühen und gucken. In der heutigen Zeit denken wir wie so ein Profiler oder es wird ein Abverlangter als Autorin, als Autor, als Regisseur. Was will die Welt sehen? Ist es spektakulär genug? Ist es erzählenswert? Und dabei sind die einfachsten Mittel, die einfachsten Tricks immer noch die besten.
Wenn man nämlich von sich erzählt, von seinem Leben, so unspektakulär es vielleicht auch sich anfühlen mag, ist es dann für außen nicht. Also ich will darauf hinaus, diese Reflexion nach innen, weil es auch gerade bei 8,5, da hat er auch ewig gesucht nach einer Story und hat dann irgendwann mitbekommen, das verwurschtelt sich jetzt mal selbst darin. Das sind ja alle so Vixierbilder, einzelne Szenen, aber das ist ja auch generell Fellini, so einzelne Szenen kreieren, opulent natürlich, immer in Bewegung, immer mit vollen Energien.
Aber einzelne Szenen, die einzeln betrachtet banal erscheinen, aber dann zusammengesetzt dieses bittersüße, schmerzhafte, tolle Bild oder Gesamtkomposition bedeutet. Das ist natürlich ganz, ganz toll. Und dieses Prinzip ist ja heute auch noch so. Es gibt ganz viele andere Attribute, die ich mich jetzt erinnere, natürlich mit Leidenschaft und Energie und ist es wichtig, wo ist die Story? Und ich finde ja dieses Wort Staunen so toll. Die Fähigkeit zum Staunen ist auch was Kindliches.
Und auch die Fähigkeit zum Staunen mit all dem, all das, was es bedeutet, das geht immer mehr verloren im Erwachsenenalter. Ah, ich glaube, aber das sollte man, wenn es geht, irgendwie wieder aktivieren. Weil wenn man sich heute noch Fellini-Filme anschaut, kann man nur staunen, was möglich ist, was damals möglich war. Auch wenn man aus der heutigen Zeit diese Filme nochmal sieht, sind sie natürlich...
Sie sind nicht mehr en vogue oder sie sind altbacken oder alt, wie auch immer. Aber diese unglaubliche Energie, die zumindest mich zum Staunen da verführt, ist auf jeden Fall noch da. Musik
Also es gibt ja Zeichensysteme, die durch ihre Ähnlichkeit uns sofort überzeugen. Und deswegen, ja, man kann das alles intuitiv sofort erschließen. Also eine ganze Bildwelt ist eigentlich sehr schnell intuitiv verständlich und sie erinnert an eine kindliche Erlebenswelt. Also es ist nicht zufällig, dass einige, nicht alle seiner Filme, aber einige seiner Filme haben ja ganz explizit das kindliche Erleben, zum Beispiel Amacord.
Oder der Anfang von Roma, also diese Erinnerung an die Kindheit. Aber es gibt auch Filme, die durch Giulietta Massina zum Beispiel einen kindlich anmutenden Charakter haben.
Diese Idee des kindlichen Staunens einschreiben in die Filme. Und ich glaube, die Zeichen- und Bildwelt, die so intuitiv sich erschließt, die dann auch Erinnerungen an Zirkus und Kasperletheater und so aufruft, das ist etwas, was er durchaus angstfrei einsetzt. Ohne die Angst davor, dass das banal sein könnte. Weil die Einfachheit und die Intuition ist ja nichts Banales. Sondern es ist etwas, was eine künstlerische Entscheidung voraussetzt.
Und ich denke, dass diese Entscheidung, kindliche Intuition zuzulassen, tatsächlich etwas ist, was viele seiner Filme prägt. Also ich finde es nicht einfach, weil, sagen wir mal, der Zirkus ist eine domestizierte Form des Karnevalesken.
Also wo in der Manege die ganzen Dinge zusammenkommen, die sonst das karnevalistische Chaos im Grunde repräsentieren würden. Also dieses sich komplett vermischende und im Chaos aufgehende. Im Zirkus scheint das geordnet zu sein. Wenn es kein Kino gegeben hätte, wenn ich Rossellini nie begegnet wäre, wäre ich wahrscheinlich gerne Direktor eines großen Zirkus geworden.
Als Kind in Rimini war der kleine Federico eines Tages nicht auffindbar. Er war einfach mitgelaufen und einem kleinen Zirkus, der in die Stadt gekommen war, gefolgt. So sehr hatten ihn die Clowns und deren Musik überhaupt das Zirzensische und dessen Melancholie fasziniert.
Am deutlichsten sieht man das in der poetisch-bizarren Tragödie La Strada, seinem ersten großen Welterfolg, der als bester fremdsprachiger Film 1957 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Anthony Quinn, als Kraftmensch Zampano, kauft einer armen Familie das Mädchen Gelsomina als persönliche Sklavin und Auftrittsassistentin ab. Er quält und unterdrückt sie.
Aber Giulietta Masina verkörpert in diesem Film den Sieg der Menschlichkeit, des tiefen Gefühls, dem sich keiner entziehen kann. Ich erinnere mich an die Grausamkeit von Anthony Quinn. Das ist, glaube ich, das Erste, was ich erinnere. Ich mochte den Film eigentlich nie so gerne, vielleicht deshalb. Das ist so ein schrecklicher Mann, das ist eigentlich das, was man heute vielleicht toxisch nennen würde. Das ist wirklich ein...
Schrecklicher Mann, der diese zarte Giulietta Massina so schrecklich behandelt. Das ist, glaube ich, der Anfang gewesen. Ich glaube, La Strada habe ich gemacht, weil ich mich in jene kleine Kindkreise, in die ein bisschen verrückt und ein bisschen heilig ist, in jenen zerzausten, drolligen, unbeholfenen, so anmutigen Clown verliebt habe, den ich Gelsomina nannte und dem es noch heute gelingt, mich ganz plötzlich schwermütig zu stimmen.
Die italienische Schauspielerin Giulietta Masina, Federico Fellinis lebenslange Ehefrau, prägt eine Reihe seiner Filme. La Strada war ihr künstlerischer Durchbruch.
Für Fellini war sie der Kobold seines Lebens. Und so zeichnete er sie auch in seinem Buch der Träume stets als kleine Fee mit einem Zauberstab, die seine Welt trotz aller Traurigkeit im Handumdrehen zu poetisieren vermag. Und sie repräsentiert auch mit ihrem runden Gesicht, das eine Clownsnase geradezu forderte, das Element des melancholischen Komedianten.
Fellini hat sie immer gerne mit Typen wie Charlie Rivel verglichen, dem spanischen Komedianten, der die Clowns-Rolle zur Meisterschaft gebracht hatte und den er neben vielen italienischen Spaßmachern in seinem Film Die Clowns 1970 direkt auftreten lässt.
Giulietta Masina verfügte aber auch noch über ein besonderes Image als betörende Kindfrau, der Fellini mit Julia und die Geister, wo sie in der Vision ihres Kindheits-Ichs sich selbst findet und befreit, 1963 eine eindrucksvolle Hommage widmete.
Julieta Massina finde ich mit das typischste, was man bei Fellinis vor allem seinen früheren Filmen auch finden kann, weil sie für mich eher immer das kindliche Element und das in der Tat das zirkusbezogene Klauneske auch hat.
Denn in La Strada ist es ja sehr speziell, wie sie auch andere Traditionen der Komik dann so ganz fließend einbaut. Also sie bekommt diese Melone aufgesetzt und ist sofort für kurze Momente dann Charlie Chaplin oder so der Tramp.
Und solche Umbrüche, die sind aber jetzt nicht weiblich in dem Sinne kodiert, der sich fassen lässt über eine Sexualisierung speziell. Ist ja auch so, dass zwischen Zampano und ihr in dem Film keinerlei sexuelle Spannung besteht, was ja sein könnte, was ja eigentlich ein Macht- und Ausbeutungsverhältnis sein könnte.
Bei Die Nächte der Kabiria spielt sie eine Prostituierte, aber gleichzeitig ist es eben nicht diese Idee der primären Sexualisierung, um die der Film kreist, sondern es geht um eine Form der materiellen Ausbeutung, also quasi das Kapital, um das das Ganze kreist.
Und mit ihr verbunden ist eine spezielle Form der filmischen Poesie. Und diese Poesie ist das Aus-dem-Alltäglichen-Heraustreten. Also habe ich es immer wahrgenommen. Also weil sie immer so ein bisschen neben der alltäglichen Funktion agiert in ihren Rollen. Und das ist, denke ich, auch etwas, womit man sich als Filmemacher auch identifizieren kann. Also dass sie wie ein Medium innerhalb des Mediums Film ist.
und einen anderen Blick, eine neue Perspektive auf eine vorgefundene Wirklichkeit ermöglicht, der dann gefiltert und leicht verändert bei uns ankommt. »Wie kann man einem solchen Kerl trauen? Ich sah Giulietta, wie in einem Spiegel reflektiert. Ich war Giulietta. Und als ich nun versuchte, durch ihre Augen zu verstehen, was für eine Art Mensch Federico ist, ich aber zur gleichen Zeit auch Federico war,«
konnte ich ihn beschreiben, ihn spüren und auf eine sehr überzeugende Weise von ihm reden. Die echte Giulietta schien an dieser Demontage, die ich gerade anstellte, kein Gefallen zu finden und versuchte, an mir auch positive, verdienstvolle Seiten zu finden.
Mein Julieta, ich hingegen, zog überaus komische Fratzen, die deutlich machen sollten, dass sie nie wieder dem Irrtum verfallen werde, mich anders als so negativ sehen zu wollen, und untermalte dies mit einer Kopfbewegung. Und wie zur weiteren Bestätigung erschien wie aus dem Nichts ein weiteres Bild, hinter Julieta, auf dem ich mit 23 zu sehen war, derzeit, als ich sie geheiratet habe.
Doch war das Bild alles andere als angenehm. Es zeigte ein schurkisches Lächeln und den Blick eines unzuverlässigen Menschen. »Schaut euch mal diesen Kerl an«, dachte ich mir und zeigte auf mein jugendliches Bild. »Wie kann man einem solchen Typen trauen?«
Fellini gilt ja als der italienische Filmemacher schlechthin. Das muss man ja sagen. Also der diesen italienischen Animo irgendwie verkörpert. Das ist etwas, das kann man theoretisch auch über Pasolini sagen. Und nur, dass es bei dem zusätzliche Dimensionen noch hat, die in eine andere Richtung führen würden. Bei Fellini kann man die Filme, denke ich, aus diesem italienisch sein durchaus verändern.
auch verstehen lernen. Also, weil er ja auch ganz programmatisch Filme gemacht hat, zum Beispiel Roma, die sich genau damit auseinandersetzen. Gleichzeitig bedenkt man dann, oh, Pasolini hat ja Mama Roma gemacht. Also auch wieder ein Film, der sich damit auseinandersetzt. Er hat Akatone gemacht und
Und jetzt, was für mich besonders relevant ist, er hat seine Strategie Anfang der 70er Jahre nochmal verändert, auch im Zuge der sexuellen Revolution, die auch Fellini beschäftigt hat. Denn bei Fellini gibt es ja so diese dekadente Phase, also La Dolce Vita und auch die Selbstreflexion in Acht und Halb und dann eine neue Tendenz dieser Collage-Filme, die also quasi nur noch wie eine Reise durch ein Panoptikum ein gesellschaftliches sind.
Das ist natürlich Satyricon, das ist auch Roma und die erinnern dann wiederum an Pasolinis Filme, Trilogie des Lebens und so weiter, die er zur selben Zeit gedreht hat. Und das finde ich absolut frappierend. Und dann kommt Liliana Cavani und macht I Canibali auf diese Weise und später La Pelle, die Haut. Also es gibt offenbar eine sehr italienische Herangehensweise dazu.
die auch eine lange Tradition hat, die aber Fellini auf die epischste Art verkörpert. Von Italianità sprechen die Italiener, wenn Art, Wesen und Natur Italiens und der Italiener gemeint sind. Der Begriff stammt noch aus den italienischen Vereinigungskämpfen des Risorgimento im 19. Jahrhundert.
Vom Faschismus missbraucht steht der Begriff heute wieder für die Gesamtheit italienischer Gewohnheiten, Marotten und Eigenheiten. Am besten verkörpert durch die Nonchalance der Alltagsverrichtungen, wie sie in La Dolce Vita und Acht ein Halb aufgespießt wird. Fellini reiste nicht in ferne Länder, um einen neuen Blick auf die Welt zu bekommen. Er hat auch nie einen Film außerhalb Italiens gedreht.
Er schöpfte alles unmittelbar aus sich heraus. Heimat in sich selbst finden. Ich bin ja Regisseurin und ich entdecke oft, weil ich nicht so theoretisch an die Filmgeschichte rangehe, entdecke ich dann manchmal in meinen Filmen Sachen, die ich übernommen habe oder aufgenommen habe, ohne dass ich das wusste. Und ich habe jetzt die Schlussszene von »La Strada« gesehen.
Das hat mich wirklich so getroffen. Da geht der Anthony Quinn ja runter zum Meer und ist im Sand und weint. Das ist ja so der Höhepunkt seiner Verzweiflung, aber auch der emotionale Durchbruch, während er vorher ja so ein Wüstling und so ein Wildling ist, der vollkommen zu ist, ist das ja so der Moment, wo sich die Emotionen öffnen.
Und ich habe ja in meinem Film Vatersland gibt es die Hauptszene für mich, die wichtigste Szene ist, dass Margarita Beuch zum Meer fährt und nach all diesen Jahren des Nicht-Anschauens ihres Traumas da plötzlich so einen Durchbruch hat, einen emotionalen, sich in den Sand schmeißt und weint.
Als ich das sah, habe ich gedacht, und alle haben damals gefragt, warum musst du denn, das ist so teuer, warum musst du da ins Meer fahren? Ich habe immer gesagt, ich kann es nicht erklären, aber ich muss da hin und das muss so gefilmt werden. Und das ist ganz ähnlich gefilmt. Es ist auch eine ähnliche Bedeutung hat das im Film. Nur bei Fellini hört es auf, da in der Verzweiflung bei mir. Also es ist der Mittelpunkt des Films bei mir. Aber da habe ich gedacht, so tief sitzen solche Sachen, dass man...
das gar nicht mehr auseinanderhalten kann, was die eigene Idee ist und was man aufgenommen hat von der Filmgeschichte. Ich wusste nur nicht, wie tief das geht, dass man das überhaupt gar nicht mehr weiß. Ich war richtig erschrocken, als ich das gesehen habe. Ich konnte mich an die originale Szene von ihm überhaupt nicht erinnern.
Wenn man Fellini nach seinem wichtigsten Mitarbeiter fragte, dann zögerte er kaum eine Sekunde und nannte sofort seinen Komponisten Nino Rota, der tatsächlich die Musik zu fast allen seinen Filmen geschrieben hat.
Auch wenn ihn manche Filmliebhaber eher für seinen besonderen Mafia-Walzer aus Francis Ford Coppolas »Der Pate« kennen oder seine Bearbeitung von Giuseppe Verdis Musik für Lucchino Viscontis »Der Leopard« im Ohr haben. Die kongeniale Kooperation mit Nino Rota geht bei Fellini aber noch über seine Betonung des Italienischen hinaus.
Nino Rota hat ja quasi eine Dimension, die auch in Filmen anderer Regisseure wie Coppola oder so dann zum Tragen kommt. Er hat eben diese italienische Atmosphäre auch wirklich eingeschrieben in die Instrumentierung, in die Melodien. Das ist natürlich auch ein wichtiger Punkt, dass Fellini war ja kein weltgewandter Regisseur, der überall rumreiste und
an anderen Orten drehte und sich die aneignete, sondern interessierte das ja gar nicht. Ihn interessierte das Italienische, das, was er erlebt hatte, das, was er erleben wollte. Das hat er umgesetzt und Nino Rota hat ihm die Klangwelt dafür gegeben. Wenn ich mit Fellini arbeite, bringe ich natürlich bestimmte Ideen mit.
Ich kann mich insofern vorbereiten, als mir immer der Anlass gegenwärtig ist, für den ich Musik schreibe. Als ich ihm zum Beispiel die Titelmelodie von Acht ein Halb zum ersten Mal vorspielte, die ich viel früher komponiert hatte, hörte er gut zu und sagte dann, nimm dies weg und stell jenes um und so weiter. Und so fanden wir unsere Acht ein Halb Musik dann gemeinsam. Musik
Das haben wir später noch dazu gegeben, weil ich alles so mache. Zwei Mal. Warum nach dem ersten? Da ist noch etwas. Dann noch etwas.
Eine Stimme ruft mich beim Namen.
während ich stürmisch von einer Treppe zur nächsten hasste. Der Ton dieser Stimme ist alarmierend, eine einzige Warnung. Und genau in diesem Moment bemerke ich, dass ein Treppenabsatz zwischen der einen Treppe und der nächsten nicht mehr vorhanden ist. Vielleicht ist er eingestürzt oder noch gar nicht gebaut. In der Tat sieht das ganze Gebäude so aus, als befände es sich noch im Bau. Es kann aber auch sein,
Als Federico Fellini 1975 ankündigte, Casanova drehen zu wollen, wunderte sich eigentlich niemand. Außer denen, die ihn gut kannten und damit auch seine stets geäußerte Ablehnung des großspurigen venezianischen Frauenhelden.
Trotzdem schien alles zu stimmen, denn Fellini haftete ja durchaus der Ruf an, in Sachen Erotik kein kleines Licht und auch kein Meister der leisen, weniger schrillen Untertöne zu sein. Weswegen dieses Kapitel der langen Nacht, das sich mit Männerbildern und Frauendarstellungen bei Fellini beschäftigt, unbedingt mit Fellinis Casanova beginnen muss.
Die Memoiren des Kavaliers aus dem 18. Jahrhundert, der seine Liebschaften in ganz Europa akribisch aufgeschrieben hatte, umfassen in der heute allgemein zugänglichen Ausgabe 20 Bände in kleinem Druck. Im Reich der Trivialmythen gibt es kaum einen Stoff, der häufiger nacherzählt und in Film- und Fernsehserien in zahlreichen Varianten umgesetzt worden ist. Was wollte Fellini dem noch hinzufügen?
Er hält sich in seinem Film überraschend genau an Casanovas Memoiren. Jedenfalls bei den Episoden, die er ausgewählt und in der vollkommenen Künstlichkeit von Cinecitta inszeniert hat. Allerdings wirkt schon die Besetzung der Rolle Casanovas selbst mit dem kanadischen Star Donald Sutherland vollkommen abwegig.
Die Bildsprache der opulent ausgestatteten Szenen orientiert sich jedoch erwartbar an der in eisiger Schönheit erstarrten Ästhetik zeitgenössischer galanter Gemälde der Barockzeit. Casanova erhält ein Billett, mit dem ihn die nonne Schwester Maddalena auf die kleine venezianische Laguneninsel San Bartolo zum Rendezvous bittet. Nur mit einer Kerze und ohne Diener soll er kommen.
Und so begibt sich Casanova in einem weiten, weißen Gewand, bekleidet nur mit dem Notwendigsten dorthin. Eine kleine Hütte auf der Insel, die er betritt, weitet sich in ihrem Inneren zum erlesen ausgestatteten Liebespalast.
Die Nonne erwartet ihn aufreizend in einem obszön rot leuchtenden Kleid und teilt ihm mit, dass dieses kleine Palais dem französischen Botschafter gehöre, der hinter einem Porträt zweier Fische durch eines der Augen zuschauen möchte beim Liebesspiel. Casanova reagiert gar nicht, stellt stattdessen erst einmal seine irgendwie dennoch mitgebrachte mechanische Spieluhr auf, bei der sich ein goldener Hahn hochreckt.
In einer Art getanztem Reigen entkleidet sich die kichernde Nonne, schon unter das weiße Gewand des eitlen Großliebhabers geschlüpft, der nicht müde wird, seine Fähigkeiten zu preisen, bevor er Maddalena sichtlich angestrengt penetriert. Unmittelbar danach aber versucht er noch, quasi gewohnheitsmäßig mit dem Botschafter ins Geschäft zu kommen, indem er mit dem Auge des Fischporträts spricht.
Doch niemand antwortet ihm. Das Auge hinter dem Auge des Fisches ist nämlich längst schon verschwunden, nachdem der Botschafter schnell noch Casanovas Liebeskünste abfällig als ein wenig fantasielos rezensiert hatte. Kichernd geleitet ihn die Nonne wieder hinaus. Lacht sie etwa über ihn? Oder ist ihr Giggeln der Ausdruck der erlebten Wonnen?
Casanova, das ist ja quasi der mythische Liebhaber, der sich selbst glorifiziert in seinen Memoiren, wird ja von ihm auf eine ganz verstörende Weise fast manchmal zu so einem Horror-Zerrbild gemacht. Also Donald Sutherland ist ja wirklich die abwegigste Besetzung, die man dafür finden konnte damals. Großartiger Schauspieler natürlich.
Aber es ist genau nicht diese Rolle, die man ihm zumessen würde. Aber damit arbeitet er. Und man hat im Nachhinein, das ist eine Szene, die ich auch nie vergessen habe, diese Puppenakt-Szene.
Also wo im Grunde sein Begehren im Leerlauf mit der Puppe agiert und die Belebung dieser Puppe über sein überbordendes Begehren quasi dann geleistet wird. Das ist ja totale Absage an jede Form von Vitalität.
Also im Grunde ist so ein Misstrauen zu spüren in seinen Filmen, was diese direkte sexuelle Impulse betrifft der Figuren. Und deswegen, wie gesagt, wundert mich das nicht, dass er immer wieder auch in anderen Filmen solche Ausbrüche zeigt, die aber eigentlich ein bisschen erbärmlich sind fast. Und dieses Umherirren, das ist ja immer eine Suche, es ist fast eine verzweifelte Suche, selbst bei einem oder vor allem bei einem Überangebot, also wie man es in seinen Dekadentenszenarien hat, wie bei La Dolce Vita zum Beispiel.
eher Ratlosigkeit erzeugt. Und ich glaube, das ist ein bisschen, wie er das ja auch darstellt, als Kind hat er das noch erlebt, Sexualität ist schuldhaft und ist eigentlich im Geheimen möglich oder eben mit der Prostituierten.
Ja, im Bordell. Und es gibt ja in Italien im Vergleich zu anderen Ländern eine sehr differenzierte Bordellkultur. Also er zeigt das ja auch, alle möglichen Varianten. Also für die ärmsten Leute gibt es Bordelle. Es gibt für die Reichen quasi Etablissements, die gar nicht mehr aussehen wie ein Bordell und so weiter, also wie Paläste dann. Und das inszeniert er aber nicht unbedingt immer nur mit einer Lust, sondern auch mit so einem eigenartigen Misstrauen in diese Mechanismen. Also so habe ich es gesehen zumindest.
ist einem weichen, riesigen Transportmittel geworden. Ich liege ausgestreckt auf ihrem üppigen, weißen Bauch und halte mich voller Freude an ihren riesigen Titten fest, die sich wie runde Hügel vor meinem Gesicht erheben. Ihr nachgiebiger, großer Körper ist nackt und breiter als die Straße, auf der er liegt. Er gleitet sanft dahin wie ein weißes Schiff,
Ihre Hüften streifen die Fassaden der Häuser. Welche Freude, welch ein Fest, sage ich laut. Meine wundervolle, majestätische Hure hat noch breitere Hüften bekommen. Wie schön und wie gut es mir doch hier oben geht. Ich möchte die Frage in diesen Terminen stellen.
Ich weiß nicht, warum ich einen Film über Casanova mache. Das hat sich so ergeben. Sie müssten Casanova fragen, warum er ausgerechnet mich ausgesucht hat, ihn zu verfilmen.
Für mich hat sich dieser venezianische Bastard zum Chevalier hochstilisiert. Für mich hat er nichts von der erotischen Größe, die seinen Namen zum Begriff macht. Für mich ist er ein gepuderter, nach Schweiß riechender Angeber, der sein ganzes Leben lang Komplexe auf Kosten anderer kompensiert hat. Ein Poseur, Betrüger, Aufschneider, labil und oberflächlich.
Ein Mann, der immer davon gelaufen ist, wenn die Probleme für ihn zu groß geworden sind. Und ich bin entschlossen, den Nimbus dieser infantilen Weltgefälligkeit zu zerstören, in der letztlich auch der Faschismus wurzelt. Mein Film über Casanova ist ein Film gegen Casanova und den Casanovismus. Diesmal habe ich die Position des Hasses.
der Antipathie, des Misstrauens gewählt. Was ist charakteristisch für die Frauenbilder bei Fellini? Naja, das ist Italien. Das ist nicht Fellini, das ist ganz Italien. Das ist die Mama und die Hure und das ist die Heilige und die Prostituierte und...
Das ist die ewige Ambivalenz des Mannes, der verheiratet ist. Er war ja auch mit Massina verheiratet und hatte ja auch andere Affären und lange Affären und bedeutsame, aber sicher auch viele kleine Affären, ganz sicher. Und dieses ständige...
die es immer in Italien mit allen Männern gibt. Dass sie die Frauen auf den Sockel stellen...
und sie da runterholen müssen. Oder sie heiraten die eine und bleiben auch ein Leben lang bei denen. Ich kenne kaum, ganz selten nur italienische Männer, die sich von ihrer Frau trennen, wenn sie bedeutsame andere Affären haben. Die bleiben alle. Das ist auch akzeptiert mit großem Leid dann immer der Ehefrauen. Aber ich kenne eigentlich auch kaum einen italienischen Mann, muss ich jetzt wirklich sagen, der nicht...
Also dieses Suchen, dieses ständige Auf-dem-Sprung-Sein, wo gibt es eine tolle Frau zu erobern? Da gibt es eine Auseinandersetzung damit, zumindest in der Stadt der Frauen. Ja, den habe ich nochmal gesehen und da sieht man ja seine Hilflosigkeit angesichts der politischen, feministischen Entwicklung. Also dieses...
Diese völlige Staunen auch darüber, dass es sowas gibt. Ich liebe einfach den Mastroianni. Ich glaube, wenn er das nicht wäre in all den Filmen, würde ich manches auch nochmal anders sehen. Aber das ist für mich einfach einer der ganz großen, tollen Männer auch im Kino. Acht einhalb. Eine Rückblende in die Kindheit.
Der kleine Guido versteckt sich zwischen großen weißen Tüchern, hinter denen ihn schließlich die Großmutter einfängt und zu den anderen Kindern und den Frauen der großen Familie bringt.
Sie werden gemeinsam gebadet in einem großen Zuber, zu dem man eine Treppe hinauf muss. Dann werden sie nach und nach unter großem Hallo herausgeholt und mit voller Zärtlichkeit in ein Badetuch gehüllt und davongetragen ins obere Stockwerk, wo sie gemeinsam unter warme Bettlaken gestopft werden. Überall Frauen, alle verschieden, auch im Alter, aber alle unwahrscheinlich liebevoll und zärtlich.
Die Kinder genießen die soziale Gemeinschaft unter der großen Bettdecke und weigern sich dann ein wenig, sofort einzuschlafen. Sie hüpfen herum und werden wieder gestoppt, erneut ins Bett gestopft und zugedeckt. Eines der Kinder zitiert einen Zauberspruch. Wenn man die Verfremdung des Wortes im Kinderspiel durch zusätzliche Silben entschlüsselt,
So verbirgt sich dahinter Anima, die Seele. Später im Film gibt es eine Haremssequenz. Guido träumt davon, wie ihn zahlreiche Frauen umgeben, alle liebevoll und zärtlich. Er wird von ihnen in einem großen Zuber gebadet. Den Fellini-Hut behält er auf dem Kopf. Danach wird er, na was schon, in weiße Tücher gehüllt und fröhlich herumgetragen. Musik
Steckt in der Idee der Vielweiberei des Harems, die Guido so sehr reizt, nicht eigentlich in Wahrheit der Traum von der Rückkehr in die Kindheit?
Umso älter man wird, umso mehr erinnert man sich natürlich an Kindheiten. Und die frühere, bessere Zeit ist ja auch immer kindheitsgeprägt. Diese Geborgenheit und diese Wärme und dieses Riechen von, wenn die Mutter oder die Großmutter, ich weiß nicht, wer das war, die Familie, denen waren ja mehrere Kinder in diesem großen Zuber, da gewaschen worden sind und er eingehüllt in Laken da weggetragen worden ist. Das ist dann tatsächlich nochmal gedreht worden in Acht und ein Halb, wo er dann auch von diesen Frauen weggetragen wird.
An dem Punkt, wo dieser Film ist oder wo die Figur ist, war das ja so, dass er schon ein bekannter, also ein Star ist. Er ist ein Star und ein bekannter Regisseur, ein Maestro, wie ständig immer behauptet wird, eben als alter Ego von Fellini selbst. Und das hat für mich etwas mit, ich möchte geliebt werden, zu tun.
Es gibt natürlich die Brücke in der Vergangenheit, die wird hiermit geschlagen, aber nur als Vorgang. Ich habe das immer so interpretiert, ich möchte geliebt werden, deswegen zerstöre ich mich selbst, ich bin Narzisst, ich bin ein Star, ich komme nicht weiter, mir muss man helfen. Doch seht bitte, wie unglücklich ich bin, ich brauche die Berührung, ich brauche die Umarmung. So habe ich das empfunden und vor allen Dingen habe ich das auch andersrum empfunden, wie echt ist die Liebe, die ihm geschenkt wird von den Frauen, die da sind.
um ihn rumtänzeln, machen sie das tatsächlich aus einer Inbrunst heraus oder weil sie eine Rolle haben wollen. Die ist echt sehr ambivalent aufgeladen, diese Erinnerungsszene. Weil er auch, ich glaube, hat einen Hut auf, einen Cowboy-Hut, so diese Persiflage, auch mit der Peitsche, so diese Wild-West-Geschichte, Cowboy, Leben um Tod, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das wird ja auch damit so irgendwie verhandelt. Also es ist nicht zurück in den Schoß der Mutter,
Und nicht zurück in die Geborgenheit der Großmutter oder der Mutter, in die liebevolle Umarmung. So habe ich das nicht empfunden. Vielleicht würde ich mich weniger mit jenen Jahrhunderten identifizieren, deren Geist kriegerisch war. Ich hätte mich wohl gefühlt, wenn ich das Gleiche gewesen wäre wie jetzt. Nämlich ein Hofnarr, ein Balladensänger, ein Dichter am Hofe, der Maler einiger Königinnen, der Künstler der Kirchendecken ausfreskiert. Du bist so gut, wie ich war.
Historiografisches Kino, also qua Film in fremde Epochen zu reisen, das hat Fellini nur selten interessiert.
Doch dann sehr genau und gründlich. Eigentlich begab er sich nur einmal auf den Spuren Casanovas in Settecento, so bezeichnet man das 18. Jahrhundert des Dekadenten Venedig, und in Satyricon, nach dem Novellenfragment des Petronius, in die sterbende antike römische Kultur der Kaiserzeit. Ein wilder, kaum zugänglicher Mix skurriler Szenen entstand, den Fellini ursprünglich in Latein drehen wollte.
Seine Vorüberlegungen zur Historicität eines Films bei Casanova nehmen jedoch sogleich sehr konkrete, sinnliche Züge an. Und er verrät damit seine allgemeine Denkweise. Es ist ein Film, der sich an eine Zeit des Vergangenen bezieht.
Einen Film zu drehen, der sich auf eine Epoche der Vergangenheit bezieht, wie z.B. Satyricon, ist meiner Meinung nach ein besonders delikates Unternehmen. Ich möchte da alles vermeiden, was uns in Gesichtern, in Physiognomien und anderen physischen Merkmalen an Gestalten aus unserer Gegenwart erinnert. Die Gesichter sollen uns in keinem Zug bekannt vorkommen. Sie dürfen nicht alltäglich sein, also nicht in der Zeit,
Gesichter, die nicht aktuell sind, die nicht in unser Jahrhundert gehören, nicht in unsere Gesellschaft und nicht unserem soziologischen Typus entsprechen. Ich wollte ein glaubwürdiges Gesicht finden. Es sollte so sein wie ein Toter, der nach 300 Jahren wieder aufersteht. Der hat ja eine völlig andere Nahrung zu sich genommen. Er hat eine andere Physiologie, einen anderen Stoffwechsel.
Es ist ja ganz sicher, dass ein Mensch des 18. Jahrhunderts einen ganz anderen Stopfwechsel hat, als wir ihn heute haben. Diese Fremdheit wollte ich darstellen, auch in diesem physischen Sinn. Es ist eine Fremdheit, die wir gewöhnlich auch empfinden, wenn wir Fotografien von Menschen anschauen, die schon lange tot sind. Da sehen wir eben nicht nur andere Frisuren und ein anderes Make-up, die Spuren anderer Lebensgewohnheiten, sondern wir sehen auch die anderen Mythen.
Die anderen Riten, die anderen Bräuche. Und mir scheint doch, dass das Gesicht von Donald Sutherland nicht unbedingt das Gesicht eines Menschen von heute ist. Ich habe ihn also auch deshalb ausgewählt. Stadt der Frauen
Snappuras, gespielt von Marcello Mastroianni, betritt auf der Suche und auf der Flucht vor den Frauen die Villa von Cazzone und befindet sich gleich in einem gewundenen Treppenhaus, in dem die Wände geschmückt sind mit den Porträts von Frauen. Neben jedem dieser Bilder befindet sich ein Knopf. Snappuras kam nicht umhin, auf einen der Knöpfe zu drücken, worauf er eine stöhnende Frauenstimme vernimmt.
Offenbar hat Cazzone die Frauen seines Lebens aufnehmen lassen, wie sie klingen im Liebesakt. Ob sie nun wimmern oder jubilieren, zärtlich säuseln oder streng tönen.
Dieser Geräuscheteppich begleitet Snapporas immer höher hinauf, wobei er in immer schnellerer Reihenfolge diesen oder jenen Knopf drückt und aus der Porträtgalerie wird ein vielstimmiger Chor der Frauen, der Cazones Renommierinstallation, schnell überdeckt. Snapporas gelangt ans Ende des Aufgangs und trifft dort überraschend auf seine Ehefrau, die auf ihn wartet.
Ist sie die zehntausendste Eroberung, die Cazone gerade mit einem riesigen Geburtstagskuchen samt Kerzen feiert? Das bleibt offen. Aber der ganze Film, das wird irgendwann klar, ist nur ein Traum gewesen. Ist er das tatsächlich? Ein gewisses Maß an Sorge bleibt Snapperers trotzdem.
Znappuras, übersetzt so viel wie »Du bist nur ein armer Sack«, repräsentiert einen der typischen Männer bei Fellini. Die Männer sind unsicher und überheblich. Ihr Selbstbild scheitert stets an der Wirklichkeit. Und die Frauen sind für sie reine Verfügungsmasse.
Regisseur Anselmi bittet in 8,5, in einem schwachen Moment seiner Schaffenskrise, seine Geliebte unbedingt sofort zu kommen. Und wenn sie dann da ist, möchte er sie eigentlich nur noch loswerden. Fast genauso ergeht es ihm mit seiner Ehefrau. Und dann steht er vor Claudia Cardinale, die seine Hauptdarstellerin werden soll. Er erstarrt fast vor Begeisterung für die neue Frau in seinem Leben.
Alles auf Anfang. Und wieder hat er nichts zu bieten und verirrt sich schnell wieder in selbst geschaffenen Labyrinthen. Auch Marcello Rubini, dem Boulevardjournalisten in La Dolce Vita, stoßen die Frauen zu wie unerwartete Abenteuer, auf die er sich einlässt. Er vergöttert sie und lässt sie dann wieder fallen, bis wieder eine neue Frau ihn anschaut und er alles Weitere um sich herum wieder vergisst,
Als sei er in ein Schnellrestaurant geraten, wo jedes neue Gericht von jetzt auf gleich all seine Aufmerksamkeit verlangt. Jedenfalls für den Moment, den er als chronischer Herumlungerer erübrigen kann. Sind das die Männerbilder von Fellini?
Kommen sie stets schlecht weg? Nö, das würde ich nicht sagen. Das sind natürlich Hans' Wurste. Manche sind offen lächerlich, manche sind sympathisch, unkontrolliert. Nee, ich würde nicht sagen, dass sie schlecht wegkommen. Aber zu ihnen gehört natürlich, dass sie den Schein herstellen müssen und sie nicht Schritt halten können mit dem Schein, den sie herstellen müssen. Also es gibt immer diese Diskrepanz. Eigentlich sind das alles Angeber und Versager usw.,
Aber darin durchaus einnehmend und auch anrührend. Also von Marcello bis dem schon erwähnten Mann im Baum, der nach der Frau ruft. Es gibt immer eigentlich einen Aspekt des Lächerlichen, des sich Überschätzen. Fellini gefällt das Überschätzen. Also er feiert das auch.
Also weil es eben Dinge in Bewegung bringt. Es sind natürlich Gockel sozusagen. Ja, und die zappeln ja so rum. Also ich meine, Marcello ist ja, der macht sich ja immer alles kaputt. Es sind im Grunde Taugenichts, die aber schon etwas produzieren, nämlich Sehnsucht und Schein. Und das ist ja nicht nichts. Also ich glaube, für Fellini ist das nicht nichts, sondern vielleicht ist das sogar die Essenz des Lebens, wenn man so will.
Ich habe solche Männer auch gekannt in Italien, das war auch so. Ich finde auch dieses ganze Lebensgefühl, dieses Rumfahren, dieses nächtliche. Ich war eine ganze Weile in Rom, wir haben genau so gelebt, obwohl ich jetzt kein Paparazzi war oder auch nicht in Paparazzi-Kreisen verkehrt habe. Man fuhr raus nachts zum Forum, einer hielt irgendeine Rede oben auf einem Stein oder man fuhr zu...
Auf die Apia Antica setzte sich da auf das Grabmal der Cecilia Metella und philosophierte nachts und die Grillen zirpten. Oder man war auf der Piazza Navona nachts und spielte da Fußball oder dann waren irgendwelche Leute, die einem aus der Hand lasen. Man vagabundierte so durch die Nächte. Ich glaube, dass das heute überhaupt, das hatte doch einen ganz starken Bezug zu diesen antiken Zeiten,
zu dieser antiken Situation. Da ist noch mal was ganz anderes. Fellini erweckte oft den Eindruck, dass ihm die Schauspieler bei diesen Inszenierungen von Gefühlszuständen selbst nichts bedeuten, dass sie ihm nur als Material dienten. Deswegen griff er auch oft auf Laien zurück, besetzte manchmal lieber von der Straße weg, als in einem langwierigen Casting-Prozess seine Darsteller auszuwählen.
Die Ausnahme dabei war Giulietta Masina, der die Rollen im Gegenteil oft sogar auf den Leib geschrieben wurden. Und Marcello Mastroianni, der das Privileg hatte, das alter Ego des Regisseurs im Film zu sein. Was die beiden Schauspieler ja noch einmal in der revueartigen Installation »Ginger e Fred« als alterndes Tanzpaar zusammen zelebrieren durften.
bevor sich Fellini in Intervista höchstselbst als Darsteller seiner selbst in einer filmischen Hommage an sein Werk und die Filmfabrik Cinecittà vor die Kamera wagte. Immer wieder kommt Fellini auch in seinem Traumtagebuch auf seine Schauspieler und seine Kollegen zurück, die in seinen Träumen manchmal seltsame Rollen spielen.
Mit Michelangelo Antonioni betrachtet er beispielsweise die berühmte Schlusssequenz von dessen Meisterwerk »The Brisky Point«. Pier Paolo Pasolini fragt ihn um Rat und er besucht ihn »brüderlich«, wie es heißt, zu Hause. Sophia Lorin wird zu einer verständnisvollen »Bordellchefin«.
Fellinis Aufnahmeleiter Fracassi ist dagegen Kumpan fürchterlicher Taten. Und Valeria Giangottini, die Darstellerin des jungen Mädchens am Ende von La Dolce Vita, wird Opfer einer Schändung, bei der Fellini noch im Traum Schuldgefühle verspürt. Valeria Giangottini, vielleicht das Symbol der Reinheit, das sich vertrauensvoll an meiner und Fracassis Hand in ein Haus führen kann,
»Das im Schutz dunkler Bäume am Viale Tiziano steht. Es ist ein zwielichtiges Haus, in dem sie der Geilheit eines Kunden geopfert werden soll. Die Kleine hat keine Ahnung. Wusste ich davon? Ich kann es nicht sagen. Ich empfinde der geplanten, fürchterlichen Tat gegenüber nur Gleichgültigkeit. Dann wird Valeria unseren Händen entwunden und verschwindet in irgendeinem der scheußlichen Zimmer dieses Freudenhauses.«
Wir haben ein richtiges Verbrechen begangen. Ich bin vor Scham und Gewissensbissen völlig niedergeschmettert. Zynisch zuckt Frau Kassi mit den Schultern. Ganz so, als wolle er mir sagen, dass ich eine bestimmte Art des Denkens oder auch die Folgen nicht deswegen vermeiden ließen, weil sie einem nicht in den Kram passten. Später ist Valeria dann wieder bei mir. Doch ich weiß, dass sie nun keine Jungfrau mehr ist. Federico Fellini und die Frauen
Das ist eine thematische Konstante, die allerdings auch in einer traditionell stark von Männern geprägten Gesellschaft wie der italienischen immer wieder auf Kritik stieß und die sich im Wandel der Zeit auch verändert hat. So hat er auf die Frauenbewegung dezidiert reagiert mit dem Film »La città delle donne«, »Die Stadt der Frauen«, 1980.
Dort wird sein alter Ego, Marcello Mastroianni, nach einem Bilderbogen von Männerfantasien und Männerängsten schließlich vor ein surreales Gericht der Frauen gezerrt und vermeintlich verurteilt. Alles im typischen Traumstil Fellinis. Man kann ihm jedenfalls kaum vorwerfen, sich nicht mit Schuld und Scham in seinem Verhältnis zu den Frauen beschäftigt zu haben. Er tendierte zu der Akkusation zu antworten.
Ich wollte damit auch den Vorwurf antworten, dass in meinen Filmen die Frauen immer grotesk, deformiert und albtraumhaft dargestellt werden. Gegen diese Anklage, die ich nunmehr schon fast pünktlich zu hören bekomme, verteidige ich mich.
Ich drehe keinen Film über Frauen, sondern über einen Mann und seine Vision von der Frau. Mein Oeuvre bedeutet deshalb Kritik, die liebevoll, komplizenhaft und auch solidarisch ausgedrückt sein mag, aber doch stets Missgeschick, Abenteuer und Psychologie eines gewissen Männertyps zu erzählen versucht.
Eines Mannes, der Italiener ist. Weil ich Italiener bin. Es ist klar, dass ich mit seiner Psychologie rede. Ich kenne und verkörpere sie vermutlich besser als ein Franzose. Amerikaner, Deutscher. Deshalb tauchen immer wieder in meinen Filmen dieser Typ und seine Mentalität auf. Sie bewundern die Frau, verspüren ihren Charme und gleichzeitig Angst. Sind verwirrt.
Der Filmtitel Amarkort geht auf Amarkort zurück, was im Dialekt von Rimini in etwa bedeutet, wie ich mich erinnere. Und damit betont er den sehr persönlichen Zugang zu den Geschichten aus den 1930er Jahren, die der Film erzählt. Im Zentrum steht der junge Titta, aus dessen Perspektive die Tabakhändlerin des Ortes ihn mit ihrem Sex und ihrer Körperfülle geradezu zu verschlingen scheint.
Im modernen Grand Hotel werden regelrechte Orgien gefeiert. Der Name der Superschönheit Grandiska geht direkt auf ihre exzessiven Erlebnisse im Grand Hotel von Rimini zurück. Sie sonnt sich in ihrem Namen und ihrem Image, wenn sie im auffälligen roten Kleid durch die Stadt paradiert.
Immerzu kassiert sie dabei bewundernde Blicke, auch die der Betrachter des Films, und wird zum karikaturistisch überhöhten, typisch felinesken Sexsymbol im Zentrum des Films. Ganz dominant ist ja auch die rote Frau, die immer dieses rote Kleid anhat, die alle verehren, aber dann doch immer wieder verpassen eigentlich.
Und die dann so ganz sang- und klanglos irgendwie nachheratet. Genau, und die eigentlich vollkommen banal ist, die wirklich nur der Gegenstand ist der Fantasie. Und sie selbst...
Glaubt selber an diesen Mythos zur Hälfte, dass sie so wunderbar ist, aber eigentlich ist es eine leere Hülle. Das eigentlich Tolle ist die Zärtlichkeit der Erzählung, die sich um diese Figuren entspinnt. Also Erzählung jetzt nicht im Sinne von einer funktionalen Geschichte, sondern es ist ein Gewebe von Zuschreibungen, von Wörtern.
Ängsten und Sehnsüchten. Auf diesem Teppich oder auf diesem Rasen weiden dann die anderen Figuren. Das ist die Frage, wer hat Sehnsucht? Mastroianis Figur, oder er hat immer Cello, heißt er ja ständig. Immer wenn es brenzlig wird oder es kriselt, dann gesteht er Liebe. Und ansonsten guckt er, was kommt. Aber gerade die Liebe, und das glaube ich auch, das ist in dem Moment, wenn es ein Mann und gerade die Figur, die Fellini da zeichnet, oder...
Vielleicht, auch wenn ich jetzt überlege, meine eigene Vergangenheitsbiografie, wenn es einem nicht gut geht und es einem schlecht geht und man melancholisch drauf ist, dann sehnt man sich nach Liebe, nach Geborgenheit und nach jemandem, dem man vertraut. Aber auffällig ist natürlich auch, dass alle Frauenfiguren ihn auch suchen, also die Hauptfigur. Die wollen, die lieben ihn und nur ihn.
Und warten auch da geduldig. Und er ist unglücklich, aus welchen Gründen auch immer. Manchmal weiß man es nicht. Aber auf jeden Fall sind die Frauen durchweg unglücklich, weil sie auf ihn warten, auf seine Liebe. Dass die erwidert wird. Es ist ja nicht so, dass er sich großartig bemüht, das zu zeigen. Weil ich auch glaube, dass das alles Momentaufnahmen sind. Dieses Liebe geben ist auch eine Figur, die es nicht leicht fällt. Oder wo auch ein Stück weit eine Unfähigkeit dahinter steckt.
Deswegen ist es ja immer wieder diese Grenzüberschreitung. Ich muss mich spüren, ich stürze mich irgendwo hinein, auch gerade bei Lottie Civita. Es ist ja auch seine sogenannte Verlobte, die sich umbringt oder umbringen will gleich am Anfang und in diese Streitszene, wo sie vom Auto ausgesetzt wird und willfährig wie so ein Hündchen, der irgendwie am Bürgersteig wartet, bis sie dann frühmorgens wieder abgeholt wird. Es ist komisch, das anzugucken.
»Giulietta soll einen goldenen Haifisch gebären. Sie liegt bereits in den Wehen und es bleibt keine Zeit mehr, sie in die Klinik zu transportieren. Also legt sie sich auf den Boden. Befinden wir uns etwa in der Fischhalle? In Rimini?«
Und da schiebt sich bereits zwischen ihren Schenkeln der mondsichelförmige Schwanz eines Haifischs heraus. Ich rufe allen zu, sie sollen zurücktreten, denn der Haifisch ist mordlustig und gefräßig, kaum dass er geboren ist. Jetzt ist das kleine Monster aus G's Vagina herausgekommen.
»Es hat die Form eines Hammerfischs und ist ganz bunt. Schau dir dieses Rot an, wie rot es ist«, sagt Ghees Stimme, »und wie gelb das Gelb ist.« Der Haifisch zappelt auf den Boden. Ich ermahne alle, vorsichtig zu sein, auch wenn ich nicht wirklich davon überzeugt bin, dass das kleine Monster tatsächlich so wild und mordlustig ist.
Bei näherer Betrachtung sieht es vielmehr wie ein harmloses Gummispielzeug aus. Er sagt ja über sich selbst, dass er sich nie als fertig geboren begriffen hat. Und das ist ja ein bisschen eigenartig, weil es gibt ja diese Begrifflichkeit auch bei Theweleit in Bezug auf den faschistischen Mann, was hier das Gegenteil ist. Er meint ja, dass er nie diesen kindlichen Wahrnehmungsmodus verlassen hat.
der dann tatsächlich die Weiblichkeit zugleich als Mutter und als Liebhaberin wahrnehmen kann. Und es gibt ja diese Szenen, wo diese oft auch voluminösen Frauenfiguren dann quasi so thronen und ihre Söhne dann, auch wenn sie erwachsen erscheinen, sich dann zu ihnen begeben. Ja, ich möchte nochmal bei dir sein und solche Dinge. Solche Szenen gibt es ja. Ich glaube, in Roma ist so eine Szene.
Und das ist schon etwas, was ihm so bewusst war, dass er das beibehalten hat, also über Jahrzehnte eigentlich auch immer wieder genau darauf verweist.
Und deswegen, ja, ich würde sagen, Sexismus in einem heutigen Sinne, wie das auch kritisch zu verstehen ist, funktioniert nicht komplett bei seinen Filmen. Weil seine Filme nicht eine Reduktion des Weiblichen auf irgendwie eindeutige Attraktionsmomente oder sowas sind, also Objekte der Schaulust oder so, sondern es ist komplexer. Es hat sehr viel eben mit dieser kindlichen Wahrnehmung der Welt und der Menschen und auch der Eltern zu tun.
Frauen sind in Federico Fellinis Filmen allgegenwärtig. Manchmal sind sie unendlich duldsame Opfer wie in »La Strada« und in »Die Nächte der Cabiria« und erweisen gerade in dieser Bewährungsprobe ihre Stärke. Sie sind oft aber auch lockend und verführerisch als erotische Verheißung,
Ob sie sich nun mit den Wassern der Fontana di Trevi vereinen wie Anita Eckberg oder still warten auf ihren Moment der Aufmerksamkeit des Mannes, wie die unschuldige Kellnerin Paola am Strand von Freggene nördlich von Ostia, wo die wohlhabenden Römer sich herumtreiben in La Dolce Vita. Fellinis Rollenbild der Frau ist traditionell konservativ italienisch.
Er selbst hat sich damit in seiner späten Phase, vor allem in Stadt der Frauen, auf seine spezielle Art auseinandergesetzt. Und noch in der Situation der Abwesenheit jeglicher Weiblichkeit setzt sich die Sehnsucht nach ihnen durch. In einer beeindruckenden Szene in Amarkor zum Beispiel, die einen Baum ikonisch auflädt zum elementaren Hilferuf nach der Frau. Ausflug mit der Kutsche aufs Land.
Den Onkel Theo hat die Familie vorübergehend aus der psychiatrischen Anstalt geholt, damit er etwas erlebt und nimmt ihn mit. Den ersten unbeachteten Moment nutzt dieser und klettert auf den mächtigsten Baum am Rand des Grundstücks und ruft laut und verzweifelt, »Voglia una donna«, »Ich will eine Frau«, woraufhin sich alle um den Baum scharen, um ihn dazu zu bewegen, den Baum wieder zu verlassen.
Nur wenn er sich in einen Bereich des Baumes mit wenig Laub bewegt, kann man ihn noch kurz aus der Ferne sehen. Die Familie will ihn herunterholen. Doch er wiederholt nur immer wieder seine elementare Forderung, ich will eine Frau. Der wirft mit Steinen auf jeden, der die Leiter hochsteigen will. Selbst ein angetäuschtes Wegfahren mit der Kutsche bewegt den Onkel nicht zum Abstieg.
Er wird eins mit dem Baum und macht ihn zum Monument seines Anliegens. Ich will eine Frau. Die Familie schickt einen Boten zur Irrenanstalt. Sie sollen kommen und die Situation bereinigen. Wenig später kommt ein Krankenwagen mit einer Abordnung der Pfleger. Sie haben eine kleinwüchsige Nonne dabei.
Sie wird das schon machen, versichert der Oberpfleger. Und gleich klettert die Nonne auf den Baum und schimpft Theo so aus, als mache sie das täglich. Worauf der sofort heruntersteigt und sich mitnehmen lässt. Er erzählt noch, dass er von Ferne das Dorf gesehen habe und wie schön es ihm erschienen sei. Seine innerste Natur sei es immer gewesen, Bilder zu erschaffen. Das hat Fellini häufiger gesagt.
Er hat dabei sein ganzes Leben im Blick gehabt und sich stets wie ein Maler gefühlt, der die Kathedrale des Lebens ebenso wie die Kapelle des Films mit immer neuen Deckenfresken ausmalt. Das Werk Fellinis und auch seine ganz persönliche Identität.
Das alles ist heute weggepackt in einer musealen Installation, die in immer neuen Projektionen in Riminis Castel Sismondo und in den Kinos dieser Welt immer zugänglich bleibt, als Sammlung von Kunst- oder gar Meisterwerken, die man studieren und auch auf stets neue Weise für sich lebendig machen kann.
Das wird gerade dadurch nicht leichter, dass diese Bilderwelten, die Träume des Herrn Fellini, so offen und vielfältig sowie gelegentlich ohnehin kaum fassbar sind. Und so sollte auch diese lange Nacht nur einige Aspekte des Werkes wieder erlebbar werden lassen. Vor allem ihre Traumstruktur und ihre Traumgebundenheit.
Die Heimatliebe, die tief versteckt ist in diesem Oeuvre, und die Männer- und Frauenbilder, die sich erst in Fellinis kinematografisch vermittelter Liebe zum Kino realisieren. Zeit für Spurenelemente eines Fazits. Was bleibt von Federico Fellini? Fellini brillierte dadurch, indem er immer unglückliche Figuren zeichnet. Es gibt ja nirgendwo Filme, die mit glücklichen Figuren beginnen.
Und wo es denn einen Bogen gibt. Das sind ja zumeist offene Strukturen, die sich ja von Szene zu Szene schleppen. Und manchmal auch, man kann nicht weiß, woran man jetzt dran bleibt, aber es ist wie so ein Regenschauer. Man stellt sich irgendwo unter und dann kommt die Sonne raus und dann hat man wieder ein anderes Gefühl und dann geht man wieder zum Strand. Also man lässt sich da gerne vereinnahmen.
Die Redaktionen oder Redakteure oder Finanziers von heute würden dann gleich schreien, wo will die Geschichte hin, was will jetzt die Figur sagen. Da kommt man, glaube ich, damit nicht weit. Und das ist das Faszinosum. Das ist das Faszinosum Fellini. Ja, unter diesen Umständen kann man natürlich keine Filme machen. Man kann auch von Fellini vor allen Dingen lernen, wie man es nicht machen sollte, sozusagen. Man muss ja immer die Brücke schlagen zu der heutigen Zeit und zu der damaligen Zeit.
Und ich bin ja in so einem Alter, wo ich nicht behaupten kann, mit Fellini groß geworden zu sein. Das ist ja sozusagen nochmal ein Blick in die Schatztruhe, die man aufmacht und sie blinkt und glitzert, man weiß aber nicht, was drin ist.
Es sind so Tableaus. Er geht ja auch oft davon aus, dass er sich einen Raum so nimmt, den füllt er dann. Also immer mit den ähnlichen Figuren, mit den Varieté, mit den Gauklern, mit den Leuten, die irgendeinen Defekt haben oder irgendwas besonders gut vorführen können oder singen können, tanzen können, Varieté.
Und das macht er ja immer in einem großen, entweder so ein Festsaal oder es ist ein Fest oder eine Prozession. Also er eröffnet so einen großen Raum, wo er die alle vorführt. Bei Bellini geht es mir einfach so, dass ich die Filme teilweise gar nicht auseinanderhalten kann. Dass das so eigentlich ein großer Film, ein großer Zirkus ist, seine ganzen Filme für mich.
Er ist ja eigentlich so ein Gesamtkunstwerk. Der Ausdruck von so einer ganz starken eigenen Persönlichkeit, die sich da ausbreitet in allen Variationen und nicht einer Schule angehörig ist. Er ist ein Solitär eigentlich auch. Und diese Verbindung zum Populären, das fand ich auch toll bei ihm. Dieses »Il Popolo«.
Er hat sein Ding gemacht. Er hat gespielt, glaube ich, sein Leben lang. Es ist schon ein unglaubliches Füllhorn an Möglichkeiten des Kinos. Zum Beispiel auch Satyricon fällt mir ein. Die Art, Geschichte darzustellen oder römische Vergangenheit oder Roma, den ich auch sehr mag. Das ist dann ja endgültig eine Revue eigentlich. Es gibt keine Ambition mehr, eine Geschichte zu finden.
Aber auch Ginger Alfred, den ich sehr mochte. Dieses Aussortieren, was Medien ja immer haben. Also es gibt sozusagen den Glanz und dann gibt es eben die Zeit, wenn deine Zeit vorbei ist. Und das ist herzreißend. Da ist ein unglaublich zärtliches, aber eben auch genaues Bild von, was Medien machen oder was dieser Zirkus mit den Performern auch macht.
Das Publikum ist was Schönes bei Fellini, aber er ist nicht blind der Tatsache gegenüber, dass das Publikum eben auch wie bei Cabiria grausam ist und rücksichtslos und vergisst von einem Moment auf den anderen. Und ich meine, Acht und ein Halb ist ja so ein Krisenfilm gewesen im Grunde auch, weil er sagt, was kann ich eigentlich tun?
überhaupt sagen? Also was kann ich eigentlich bieten? Also irgendwelche grandiosen Raumschiffe aufbauen, aber was soll das dann? Also wer bin ich in diesem Zusammenhang und so weiter? Und dieser Mut auch natürlich, seine eigene Krise dann wiederum zur Unterhaltung zu machen, ist unübertroffen.
Musik
Das, was hängengeblieben ist, war von Fellini immer diese Unendlichkeit. Wenn man eine Treppe hochgestiegen ist, die hörte nicht mehr auf. Diese ständigen Bewegungen. Es gab ja nicht eine Figur, außer es war jetzt Absicht, die nur still und starr irgendwo stand. Musik
Als würden sie einem geheim gegebenen Signal folgen, streben plötzlich alle durch einen kleinen Wald mit weit auseinanderstehenden Bäumen zum nahegelegenen Meer. Alle, das sind genauer besehen, die Frauen um Marcello, dem Klatschreporter ohne Lebenssinn, der ihnen nun folgt. Musik
Aufregung breitet sich aus. Ein Monsterfisch ist gefangen worden und wird von Fischern mühsam in einem Netz auf den Strand gezogen. Auffällig ist das offene Auge, mit dem der ansonsten regungslose Leviathan die kleine Gemeinschaft der Schaulustigen anzublicken scheint.
Marcello langweilt sich bald und setzt sich ein wenig abseits auf den Sand und schaut nach links und erblickt eine junge Frau jenseits eines kleinen plätschernden Priels, der für ihn dennoch scheinbar unüberwindbar erscheint. Marcello hat sie, Paola, schon einmal getroffen, auch hier am Strand von Freggene, wo die römische Schicaria das Meer aufsucht. Er hat mit ihr auch gesprochen, ihre unschuldige Schönheit bewundert.
Nun erscheint sie ihm geradezu als eine Offenbarung. Sie ruft etwas. Das Tosen des Meeres verhindert aber, dass er sie hören kann. Die Kommunikation der beiden ist auf karge Gesten angewiesen. Gesten der Sehnsucht. Vergebliche Gesten. Sie können zueinander nicht kommen. Und dennoch. Das letzte Bild des Filmes zeigt die junge Frau. Sie lächelt. Es ist ein Lächeln der Unschuld.
So endet La Dolce Vita. Aber das ist ja nicht zufällig, dass das gekoppelt ist mit so einem mythischen Geschehen. Also mit einem Geschehen, das so aufgeladen wird, dass der Alltag eines Filmmachers und so weiter sich auflädt mit einer anderen Dimension, die Dimension der Träume. Man könnte die Dimension der Mythen auch noch sehen in seinen Filmen. Und es gibt eine andere Monsterfischszene in Satyricon zum Beispiel. Da wird so ein Fisch gefangen und dann hochgehievt aufs Schiff.
Und Satyricon ist jetzt ein Film, der natürlich nah an der römischen Mythologie ist durch seine Vorlage von Petronius, aber gleichzeitig war das ja auch schon eine Zeit, die in der Lage war, das war ja schon in der griechischen Antike, dass Mythen reflektiert und sogar kritisiert wurden.
Und Fellini ist jemand, der als Filmemacher relativ furchtlos wieder hineingreift in diese mythischen Elemente und quasi uns klar macht, diese Dinge existieren alle parallel und auch alle Möglichkeiten existieren parallel. Von daher kann man seine Filme schon auch so als ein kosmisches Modell wahrnehmen, in dem seine Protagonisten irren, also umherirren.
und Möglichkeiten sehen und verweigert bekommen. Andere Türen, die sich öffnen, wahrnehmen oder nicht wahrnehmen. Aber wir können die Filme mit Gewinn deswegen mehrfach sehen, weil man immer wieder etwas entdeckt, was einen klar macht, ah, okay, da ist der Moment, wo er im Grunde eine ganz andere Entscheidung hätte noch mal treffen können. Fellini selbst nahm seine Filme eigentlich nie wie unumstößlich fertige Kunstwerke wahr.
Bei jeder Beschäftigung mit ihnen fiel ihm ein, wie er sie noch etwas anders hätte machen können. Schließlich lebte er mit und in seiner Kunst und hatte sich seit der letzten Klappe eines Films noch einmal weiter bewegt. Alles ist im Fluss, ein Leben lang und darüber hinaus. Am 31. Oktober 1993 ist Federico Fellini in Rom gestorben. Sein Begräbnis war wie das eines großen Volkshelden.
Sein Publikum paradierte zu Tausenden an seinem Sarg vorbei. Ein hochemotionaler Abschied von Mann und Mythos. Und doch scheint es manchmal, als sei Federico Fellini immer noch unter uns. Stets auf der Suche nach dem letzten und entscheidenden Bild. Damit wäre der Film zu Ende. Besser gesagt, er ist zu Ende.
Mir ist, als hörte ich die Stimme meines Produzenten. Was? Das soll es gewesen sein? So soll der Film enden? Einfach so? Tu mir den Gefallen, zeig mir doch wenigstens einen kleinen Sonnenstrahl zum Schluss. Pflegte er mich an zu flehen, wenn ich ihm einen Film zum ersten Mal vorführte. Einen Sonnenstrahl. Nun ja, wir können es ja versuchen. Einen kleinen Sonnenstrahl. Ein Ratschel von Sonne. Nein, ich weiß nicht.
Sie hörten Träume fürs Kino. Eine lange Nacht über den italienischen Filmemacher Federico Fellini von Josef Schnelle. Es sprachen Andreas Grotka, Josef Trattnig und Claudia Mischke. Ton und Technik
Nächste Woche erwartet Sie an dieser Stelle eine lange Nacht über die Zuversicht, die nicht dasselbe wie Hoffnung ist, aber durchaus dasjenige sein könnte, was uns erst in die Lage versetzt, Zukunft zu gestalten.
Seien Sie gespannt auf die lange Nacht über Zuversicht von Gesine Schmidt. Sie können alle langen Nächte der letzten Monate auch in der Deutschlandfunk-App nachhören. Und wenn Sie uns abonnieren, können Sie keine Sendung mehr verpassen. Bis nächste Woche.