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"Göttliche Komödie" - Vom Inferno zum Paradies

2025/6/27
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Lange Nacht

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
F
Franziska Meier
无发言人
Topics
无发言人: 我发现自己正处在人生的中途,迷失在一个黑暗的森林里,森林是如此的狂野、粗糙和茂密,我无法描述。这象征着人生的迷茫和危机。 无发言人: 《神曲》的第一句是诗歌中最天才的开端,因为它既个人化,又具有普遍性,每个人都能产生共鸣。 Franziska Meier: 但丁没有明确指出他陷入了什么样的危机,这使得我们每个人都能产生共鸣。无论是因为爱情还是不幸的环境,每个人都会遇到危机。 无发言人: 这是一种内疚感,因为做错了事而受苦,从这种内疚感中解脱出来。这种内疚感促使人们进行自我反省,并走上必须经历的道路,从而穿越半个世界,即地狱、炼狱和天堂。 无发言人: 早上时间到了。太阳和那些星星一起升起,就像第一天一样,从创造者的爱中辉煌地走出来。这象征着希望和启示。

Deep Dive

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Vielleicht gehören Sie ja zu den Menschen, die auf Ihrem Nachttisch Dantes göttliche Komödie liegen haben. Vielleicht lesen Sie jeden Abend ein paar Verse, lassen sich von Vergil bzw. von Dante durch die neuen Kreise der Hölle, durch das Inferno führen, durch das Fegefeuer geleiten, bis Sie zum irdischen und zum himmlischen Paradies gelangen. Gehören Sie zu diesen Menschen? Das ist sicher ein lohnendes und schönes Unterfangen,

Bei diesem Jahrtausendwerk, so dachte ich einmal und habe es versucht. Buch, Nachtisch, abends ein paar Verse, langsam aber stetig ins Paradies. Aber, ach, was soll ich sagen? Der Geist war willig, das Fleisch war schwach. Ich bin Abend für Abend eingeschlafen und über die Hölle nie hinausgekommen. Geschieht mir recht, werden Sie vielleicht sagen. Nun ja.

Nach einigen Wochen habe ich das Buch dann vor dem Staub gerettet und meine Hoffnung auf eine Vollendung meines Heilsweges aufgegeben. Vielleicht ist es Ihnen auch so gegangen? Vielleicht hatten Sie einen ähnlichen Plan mit diesem Buch? Und vielleicht haben Sie ihn auch nicht ganz so umsetzen können? Ihre Augen waren zu müde?

Verzweifeln Sie nicht, es gibt Rettung. Denn Sie haben ja die lange Nacht. Ihr Begleiter in dunklen und hellen Stunden an Ihrer Seite und für Sie unterwegs in, so dürfen wir heute sagen, Himmel und Hölle. Seien Sie gespannt auf Vom Inferno zum Paradies. Eine lange Nacht über Dante Alighieri und die göttliche Komödie von Astrid Nettling.

Mein Name ist Hans-Dieter Almendahl. Ich bin der Redakteur der Langen Nacht. Sie erreichen mich, wie immer, unter langenacht.de. Nächste Woche erwartet Sie an dieser Stelle eine lange Nacht über eine erstaunliche Konstante des menschlichen Lebens, über alle Zeiten und alle Erdteile hinweg. Über den Gesang. Seien Sie gespannt.

Ich fand mich gerade in unseres Lebens Mitte in einen dunklen Wald verschlagen, weil ich den rechten Weg verloren. Wie war der Wald so wild, so rau und dicht, dass ich es nicht erzählen mag.

Die Erinnerung, woran mich schreckt. Viel bitterer kann selbst der Tod nicht sein. Der erste Vers der Comedia auf halbem Weg des Menschenlebens oder in Mezzo del Camino in Ostra Vita ist sicherlich der genialste Anfang von einer Dichtung.

Und zwar deshalb, weil er einerseits sehr persönlich ist, nämlich auf Dante bezogen mit seinem 35. Lebensjahr. Und andererseits kann sich jeder Mensch und auch wir, die wir jetzt wahrscheinlich nicht mehr 35 als Mitte des Lebens generell bezeichnen, damit identifizieren. Und dieser ganze Anfang spielt im Grunde mit dem Ich aus.

Franziska Meier, Professorin für Romanische Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Göttingen. Ich kann nicht so gut lachen, wie ich entstanden bin. So viel Sonne war ich zu dem Punkt, dass ich die echte Straße verlassen habe.

Ich weiß nicht recht, wie ich hineingeriet, war nach und nach so schläferig geworden, bis dass ich abkam von dem rechten Weg.

Doch als an eines Hügels Fuß ich kam, allwo das Tal sein Ende fand, das mir mit Angst mein Herz durchbohrte, blickte ich empor und sah die Kurven schon des Bergs, umhüllt von strahlendem Gestirn, das Menschen auf allen ihren Wegen richtig führet.

In was für eine Krise er da geraten ist, wissen wir nicht. Und ich glaube, dass Dante auch sehr gut daran getan hat, das in seinem Text nicht zu präzisieren. Denn das ermöglicht es jedem von uns, sich damit zu identifizieren. Egal, ob man jetzt aus Liebe oder aus unglücklichen Umständen oder warum auch immer man in eine Krise gerät.

Und jetzt entspannte sich die Angst ein wenig, die mir so jammervoll die ganze Nacht im Innersten des Herzens sich verkrampfte. Wie einer, der nach Atem keuchend ringt, sich aus dem Meer ans Ufer hat gerettet, zurückschaut auf das fürchterliche Wasser, so wandte sich, noch immer weiter fliehend, mein Geist zurück, die Enge zu betrachten, die noch kein Mensch lebendig je verließ. Nach kurzer Rast, den müden Leib erquickend, erstieg ich neu den Weg, den öden Hang hinan,

und stemmte stets mich auf den tieferen Fuß. Und es ist einfach eine Art von Schuldgefühl, etwas falsch gemacht zu haben und darunter zu leiden, sich davon frei zu machen. Und das gibt den Impuls zu einer Art von Selbstbesinnung und diesem Weg, den man zurücklegen muss und wo man dann die halbe Welt, also Hölle, Läuterungsberg und Paradies durchqueren muss.

Es war die Stunde früh am Morgen. Die Sonne stieg samt allen jenen Sternen, die um sie waren, als am ersten Tag aus Schöpfers Liebe herrlich trat das All.

So klingen die ersten Verse der Diviner Comedia. Der Anfang des Canto Primo, des ersten Gesangs, mit dem der Weg des Dichters und Wanderers Dante Alighieri beginnt. Sein Weg durch Inferno, Purgatorio und Paradiso, durch die drei Jenseitsreiche seiner göttlichen Komödie.

Alles ist zu Beginn schon da und wird von dem Dichter bereits im ersten Gesang, in seinen ersten 39 Verszeilen in kurzen Worten angerissen. Die Dunkelheit und die erdrückende Angst, der Ausblick und der erhoffte Aufstieg auf einen Berg, sowie die Helligkeit und das strahlende Licht von oben, das die Menschen letztlich auf ihren Lebenswegen leitet.

Es ist ein Werk Anfang des 14. Jahrhunderts geschrieben, in Italienisch, seiner Muttersprache, mit Blick auf seine Zeit und seine Welt. Ein Werk, das dennoch bis heute Bestand hat.

Etwas geradezu Unwahrscheinliches, wie Franziska Meyer hervorhebt. Der unwahrscheinliche Erfolg von Dantes Komödie besteht einerseits sicherlich darin, dass das ein Werk ist, was 700 Jahre überlebt hat. Und dieses Jahr feiern wir ja den 700. Todestag und es ist immer noch präsent.

Das ist etwas ganz Unwahrscheinliches für literarische Werke. Diesem unwahrscheinlichen Erfolg hat sie ihr neuestes Buch gewidmet, das in diesem Jahr anlässlich des Dante-Jubiläums erschienen ist.

Es heißt »Besuch in der Hölle. Dantes göttliche Komödie. Biografie eines Jahrtausendbuchs«. Das andere ist, was ich in meinem Buch mit einem unwahrscheinlichen Erfolg gemeint habe, dass es eigentlich nicht abzusehen war, dass diese Komödie so viele Leser bekommen konnte.

Wenn Sie sich vorstellen, dass er in der Volkssprache geschrieben hat. Anfang des 14. Jahrhunderts konnte man damit natürlich Leser gewinnen, aber dass man derart verehrt wurde, das war eigentlich nicht vorgesehen. Da musste man schon Latein schreiben. Das andere ist, ein richtiger Kult hat sich in Florenz, seiner Heimatstadt, ausgebildet. Und das ist nun die Stadt...

die er im Inferno ständig als eine Stadt der Hölle bezeichnet, die Florentiner, die beschimpft er. Und trotzdem sind sie dann doch eine ganze Weile lang seine eifrigsten und dankbarsten Leser geworden.

Und dann im 15. Jahrhundert, wenn der Humanismus sich in Italien vollkommen ausbildet und folglich das Lateinische überhandnimmt, dann ist es kaum vorstellbar, wie sich dieses Werk, was in der Volkssprache geschrieben worden ist, sich trotzdem halten kann und auch von Florentiner Humanisten sehr geschätzt worden ist.

Das nächste vielleicht Unwahrscheinliche ist der Protestantismus, dass sich der Heinrich VIII., der englische König, für Dante interessiert hat, weil Dante den Papst kritisiert hat. Die Lutheraner haben sich dafür interessiert. Also das ist eigentlich ein Missbrauch, der mit diesem Buch getrieben worden ist, aber der für diese unglaubliche Rezeption Ausschlag gegeben hat. Musik

Und dann ist das nächste Unwahrscheinliche, dass diese 200 Jahre Klassik, die von Frankreich dominiert werden, also 17. bis 18. Jahrhundert, dass Dante diese zwei Jahrhunderte überlebt. Denn die Klassik konnte mit ihm nichts anfangen. Das war alles monströs, übertrieben, mittelalterlich, keine richtige Formgewalt, wie man das im klassischen Theater sich vorgestellt hat. Und dann ist das nächste Unwahrscheinliche,

Und dass dann Ende des 18. Jahrhunderts dieser Dante plötzlich nördlich der Alpen, hier in Deutschland, bei uns, aber eben auch in Frankreich, England, zum großen Autor wurde, das halte ich für zutiefst unwahrscheinlich. Und der letzte Punkt ist vielleicht heute unwahrscheinlich, dass Dante in der Unterhaltungsindustrie bei den japanischen Manga-Computerspielen aus Amerika kommt.

so präsent ist, das mag vielleicht Dantisten nicht immer gefallen, aber das ist sicherlich eine Gewehr, dass er noch eine Weile lang sich halten wird und einfach dann in unserem kollektiven Gedächtnis präsent ist. Kehren wir zurück zu Dante. Zurück zum Dichter und zum Wanderer, der gerade dem finsteren Wald entronnen, noch ganz am Anfang seines Wegs steht, von dem er selbst noch nicht weiß, wie er ihn bestreiten soll und wohin er ihn führen wird.

Aber kaum hat er mit frischem Mut ein paar Schritte den Berg hinaufgetan, schon gleich am steilen Anstieg siehe da, ein Gepard mit geflecktem Fell, sehr schnell und wendig. Und derart huscht sein Fell im Hin und Her mir immer vors Gesicht und stört und hindert meinen Aufstieg so, dass ich schon wankend wieder weichen wollte. Aber noch lässt er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen.

Alsbald jedoch versperren ihm zwei weitere Bestien den Weg nach oben. Ein hungriger Löwe mit stolz erhobenem Kopf und eine gierige, magere Wölfin. »Alte Verderberin der Menschenvölker!« Der grauenvolle Ausdruck ihres Blickes befiel wie Lähmung mich an Herz und Gliedern,

Und meine Hoffnung nach der Höhe schwand. War der Gepard ein Sinnbild für die haltlos schwankenden Begierden der Menschen, der Löwe für ihren hochfahrenden Stolz, so ist die Wölfin ein Sinnbild für die unersättliche Habgier der Menschen. Drei schwere Laster, die sie in ihrem Leben auf Abwege bringen und ins Verderben stürzen.

Von ihrem drohenden Anblick entmutigt, will der verirrte Wanderer nun tatsächlich aufgeben und in die tiefe Dunkelheit des Waldes zurückfliehen. Doch dann, »Indem ich so in Tiefe sank und fiel, erstand ein Mensch vor meinen Augen, der wohl lange ohne Kraft und Stimme schon in weiter Einsamkeit gewesen war.« »Mentre qui ruvinava in basso loco, dinanzi aliochi mi si fu offerto, chi per lungo silenzio parea fioco.«

Erbarm dich, meiner, rief ich. Wer du auch seist, ein Schatten oder ein lebendiger Mensch. Ich bin, sprach er, kein Mensch, doch war ich's einst. Und aus Lombardien stammten meine Eltern, und bei der Heimatstadt war Mantua.

»Ich lebte in Augustus Rom, ein Dichter war ich, sang von Ankises gerechtem Sohn, der aus Troja kam. So bist du denn, Vergil, bist jener Brunnen dem Reich des Wohllauts voller Strom entflossen,« sprach ich zu ihm mit schamgebeugter Stirn. »Sieh dort das Tier, vor dem ich fliehen muss. Und steh mir bei, berühmter weiser Mann, mir bebt das Blut in allen Adern. Ein anderer Weg als dieser ist der deine. Willst du aus dieser Wildnis dich noch retten?« erwiderte er.

»zu deinem Besten denke ich drum und rate dir, dass du mir folgst. Ich will dein Führer sein und bring dich weg von hier in ewige Räume, wo du verzweiflungsvolles Schreien hörst und sehen die armen, abgeschiedenen Seelen. Und schauen wirst du die zufrieden Wandeln im Feuer, weil sie noch Hoffnung haben, früh oder spät zum Sitz der Seligen zu kommen.« Dann schritt er aus und ich ging hinter ihm.

Er wird also einen ganz anderen Weg einschlagen müssen und diesen nicht alleine gehen können. Einen Weg, der ihn, wie er jetzt weiß, durch das Jenseits führt. Will er sich retten, muss er durch Hölle und Fegefeuer hindurch. Darf nicht davor zurückschrecken oder davor fliehen, sondern muss sich die menschlichen Laster und Vergehen mitsamt ihren Strafen vor Augen führen und sich selbst von diesen Übeln und ihren Versuchungen läutern.

Bei diesem nahezu übermenschlichen Unterfangen aber braucht er Beistand, Zuspruch, Rat und Lenkung. Als Wanderer und ebenso als Dichter.

Vergil ist eine späte Lektüre von Dante gewesen. Bevor er dann die Comedia beginnt, muss er die Aeneas von Vergil gelesen haben und da gibt es im sechsten Buch eben diesen Abstieg in die Unterwelt und das ist eigentlich die Inspirationsquelle für das ganze Inferno.

Und gleichzeitig ist es nicht nur eine thematische, motivliche Inspirationsquelle, sondern das ist eben ein antikes Epos. Das ist ein Ideal für den Dichter Dante, der jetzt nicht nur kleinteilige Gedichte schreiben will, sondern an so eine Großform denkt, epische Großformen.

Und Vergil bringt dann einerseits die antike Philosophie, die römische Geschichte natürlich, vertritt er und er ist derjenige, der sich dann Dante liebevoll annimmt und das Verhältnis zwischen den beiden erinnert.

hat was von Vater, Sohn, nennt ihn meinen Führer, meinen Mentor. Manchmal sogar wird er verglichen mit einer Mutter. Also es ist ein enorm inniges Verhältnis. So wird der römische Dichter Vergil der erste Begleiter des Jenseitswanderers. Kein Christ, sondern ein Heide, der schon im Jahr 19 vor Christus gestorben ist. Er wird Dante durch das Inferno und durch das Purgatorio leiten.

während im letzten Teil seiner Reise keine andere als die vielbesungene Beatrice selbst es sein wird, die den Dichter durch das Paradiso führt. Beatrice, die früh verstorbene und unsterbliche Liebe Dantes, die zumeist in einem Atemzug mit ihm genannt wird.

Und sie war es auch, die den Schatten Vergils an seinem Ort im Inferno aufgesucht und ihn gebeten hat, Dante in seiner Not beizustehen, was Vergil sogleich seinem verzagten Schützling mitteilt. »Ich war ein Schützling, der sich auf den Schatten gelegt hat. Die Frau nannte mich Beata und Bella, so wie ich sie beantragen musste. Sie schlug ihre Augen mehr als die Sternen an.

Da rief mich eine hohe Frau so selig schön, dass ich mir gern von ihr befehlen ließ. Mehr als ein Stern leuchteten ihre Augen, und sanft und leis mit Engelsstimme sagte sie mir in ihrer Sprache...

Mein armer Freund, dem das Glück nicht freundlich ist, im Aufstieg dort, gehemmt am öden Berghang, hat sich aus Furcht zur Umkehr weggewendet und ist vielleicht schon ganz verirrt. Ich fürchte, dass ich zu spät zu seiner Hilfe aufstand, nach dem, was mir die Seligen von ihm sagten. Nun eile du mit deines Wortes Lockung, mit allem, was zu seiner Rettung Not tut, hilf ihm, damit ich seiner mich getröste. Ich, Beatrice, bin es, die dich schickt.

Gleich im zweiten Gesang wird sie erwähnt und sie ist im Grunde die, die ihn rettet.

Und ab diesem Moment ist sie dann wirklich eine, wie ihr Name sagt, Beseeligende. Das heißt, sie sitzt eh schon im Paradies bei den kontemplativen Seelen. Und deshalb braucht sie auch ein bisschen länger, um einzugreifen. Da muss Maria schon irgendwie mit dem Zaunpfahl winken, dass ihr Freund da in Not ist. Und dann schickt sie eben Vergil. Wie balsam legen sich denn auch die Worte Vergils auf Dantes niedergedrückte Seele.

Kaum, dass er den Namen Beatrice hört, ist alles gut. »Quali i fioretti dal notturno gelo, chinati e chiusi, poi che il sol lilimbianca, si drizzan tutti aperto in loro stelo. Tal mi feci io di mia virtute stanca, e tanto buono ardire al cor mi corse.«

»Chi io cominciai come persona franca?« Wie Blümlein, die der Nachtfrost schloss und beugte, sobald die Sonne ihnen widerscheint, die Stiele recken und die Kelche auftun, erholt ich mich von meiner Mattigkeit. Und neuer Mut durchflutete mein Herz. Ich sprach wie ein befreiter Mann und sagte, »Wie herzensgut sie ist, dass sie mir half! Wie freundlich du, dass du so rasch gehorchst der wahren Weisung, die sie zu dir brachte!«

Du hast den Wunsch mir in der Brust geweckt, mit deinen Worten, dass ich wandern will und wieder fest im ersten Vorsatz bin. Brich auf, wir haben beide einen Willen. Du bist mir Führer, bist mein Herr und Meister. Ich sprach's, und wie sein Schritt sich vorwärts regte, betrat auch ich den steilen, rauen Weg. Musik

Verlassen wir für kurze Zeit die beiden Wanderer, verlassen wir ebenso die Dichtung und wenden uns dem Leben und der Person Dante Alighieris zu. Wie er aussah, haben wir als Bild direkt vor Augen. Wir sehen sein markantes Profil, seine schlanke Gestalt im langen roten Gewand und mit der für seine Zeit üblichen Kopfbedeckung.

Nicht bloß auf den zahlreichen Gemälden, die uns die Kunst im Laufe der Jahrhunderte überliefert hat, ist er so zu erkennen. Ebenso ziert sein berühmtes Profil, das der Renaissance-Maler Raphael geschaffen hat, die Rückseite der heutigen italienischen Zwei-Euro-Münze. Das Konterfei von Dante ist allgegenwärtig in unserer Zeit und wir glauben also zu wissen, dass er eine Adlernase hatte, ein hageres Gesicht.

Und meistens Ohren klappen, die Kopfbedeckung und wir geben ihm einen Lorbeerkranz. Letztlich ist dieses Konterfei fake, denn es beruht auf einer Beschreibung von Boccaccio, also einem schriftlichen Text, keinem Bild. Und Boccaccio hat Dante nie gesehen. Es ist also alles vom Hörensagen entstanden.

Er hat nie im Leben einen Lorbeerkranz gekriegt. Ob er diese Ohrenklappen gehabt hat, weiß ich auch nicht. Es war dieser unser Poet von mittlerem Wuchs und wie er zu reifem Alter gekommen war, ging er ein wenig gebeugt. Und es war seine Art zu gehen, ernst und ruhig, stets mit anständigen Kleidern angetan und im Anzuge, der seinem Alter ziemte.

Sein Gesicht war länglich, die Nase adlerhaft und die Augen eher groß als klein, die Kiefer stark und im Verhältnis zur unteren Lippe war die obere vorstehend und stets war sein Antlitz voller Melancholie und sinnend.

So beschreibt der Dichter Giovanni Boccaccio Dante in seinem Traktat »Das Leben Dantes«. »Das Leben Dante«, man weiß eigentlich sehr wenig darüber. Was wir wissen, wissen wir aus seinen eigenen Texten. Und was sind auch historische Quellen? Und zwar hat man im 19. Jahrhundert diesen sogenannten »Codice Diplomatico« gesammelt und allgemein,

Und alles zusammengetragen, was man irgendwie über die Familie Alighieri in Erfahrung bringen konnte. Und dazu gehört auch ein sehr kurioser Ehevertrag mit einer Gemma Donati, und zwar in einem sehr frühen Alter. Wir wissen, dass adelige Königskinder sehr früh verheiratet worden sind, aber warum eigentlich?

in einem ganz jugendlichen Alter schon ein Eheversprechen mit dieser Gemma hatte und das von den Familien ausgehandelt wurde, das wirft bis heute Fragen auf.

Wir wissen, dass er ungefähr 1265 geboren ist und das schließt man daraus, dass in der Divina Comedia er von der Mitte des Lebens spricht und nach dem biblischen Lebensalter von 70 Jahren ist die Mitte des Lebens 35 und folglich müsste er 1265 geboren sein.

Wir wissen dann, dass seine Mutter relativ früh gestorben ist. Warum, auch das wissen wir nicht. Er muss auf die Schule natürlich gegangen sein, aber er scheint auf der Schule nur ein rudimentäres Latein gelernt zu haben. Also er war nicht im Grammatikunterricht, wie man das nannte, das war letztlich Lateinunterricht.

sondern er hat nur eine Schule mit Lesen, Schreiben, wie man das brauchte, wenn man dann Kaufmann werden wollte. Denn die Familie der Vater war ein Geldleier im Grunde. Heute würde man vielleicht sagen Banker, aber er war im Kreditgeschäft und das war wohl auch die Ausbildung und Beruf, der den Söhnen unter anderem Dante Alighieri dann bestimmt war. Musik

Als junger Mann muss er dann in den Kreis von influenztätigen jungen Dichtern hineingeraten sein. Wie er das selbst in der Vita Nova, seinem ersten Prosawerk, in das seine frühen Gedichte, die er selbst ausgewählt hat, eingelegt sind.

Lyrik ist damals ein Genre, wo man nicht sich zu Hause hinsetzt und seine innersten Gefühle aufs Papier bringt und eventuell veröffentlicht, sondern das sind Gedichte, mit denen man mit anderen kommuniziert und wiederum Gegengedichte dann erwartet. Er nennt sie selbst die Fideli d'Amore, also die getreuen Amors. Musik

Jede verliebte Seele, jedes Herz, das rein vor deren Anblick diese Verse kamen, grüß ich in ihres Herrn, in Amors Namen, dass jede ihren Sinn mir offenbare. Es mochte um die vierte Stunde sein, der Zeit, in welcher alle Sterne glühen, als unvermutet Amor mir erschien. Noch denk ich dran, will mich ein Schauer lähmen.

Fröhlich schien Amor mir, in Händen hielt mein Herz er, und in seinen Armen lag die Herren, schlafend in ein Tuch gehüllt. Dann weckte er sie auf, und sie mit Beben aß still mein glühend Herz. Fern schien der Tag, und weinend sah ich ihn von dannen schweben.

So lautet das erste Sonett aus seiner Vita Nuova. Die Herren ist natürlich Beatrice. Ihr übereignet der Gott Amor das lebende Herz Dantes und macht ihn so unwiederbringlich und für alle Zeit zu ihrem Eigentum. Damit beginnt zugleich das neue Leben des Dichters. Incipit Vita Nuova. Unter solcher These habe ich die Worte niedergeschrieben, die ich in diesem Büchlein wiederzugeben mir vorgenommen habe.

Heißt es gleich zu Anfang seines ersten Buchs, an dem der junge Dante zwischen 1292 und 1295 arbeitet. Direkt im zweiten Abschnitt erzählt er den Lesern von seiner schicksalhaften Begegnung mit Beatrice. Neunmal war schon seit meiner Geburt der Himmel des Lichtes zum selben Punkt zurückgekehrt, als meinen Augen zum ersten Mal die glorreiche Herren meines Herzens erschienen.

Sie war ungefähr im Beginn ihres neunten Lebensjahres und ich ungefähr zu Ende meines neunten Jahres. Sie erschien mir in einem Gewand von edelster Purpurfarbe, bescheiden und süchtig, gegürtet und geschmückt, wie es ihrer zarten Jugend geziemte. In diesem Augenblick geschah es, ich kann es wahrhaft bezeugen, dass der Geist des Lebens, der im verborgensten Gemach des Herzens wohnt, gar sehr zu erbeben begann,

und sich mir in den leisesten Pulsen erschreckend kundtat. Von Stund an, ich bekenne es, beherrschte die Liebe meine Seele und begann durch die Macht, die meine Einbildungskraft ihr lieh, so viel unumstößliche Herrschaft und Gewalt über mich zu gewinnen, dass es mir nur noch zukam, ihr füglich alle ihre Wünsche zu erfüllen.

Man hat bezweifelt, dass es diese Beatrice gegeben hat. Der große erste Dante, sozusagen das Giovanni Boccaccio selbst, der berichtet, dass es eine Bici, also Beatrice, Abkürzung von Portinari, gegeben hat und das Dante, der auch begegnet sein muss.

Dante entwickelt da eine lange Liebesgeschichte draus. Er ist sozusagen gleich in Ohnmacht gefallen, als er dieses junge Mädchen gesehen hat und dann begegnete er ihm wieder. Alles, was sie gemacht hat, nach Dantes eigenen Aussagen, ist ihm einmal zuzulächeln. Sonst hat sie ihn eigentlich nicht wahrgenommen, aber das hat gereicht, um damit auch eine Revolution in der Liebeslyrik, in der Art des Frauenlobes zu machen.

Ungefähr 1290 herum ist sie gestorben. Und das muss Dante zunächst mal in eine Krise geworfen haben. Er war zu der Zeit schon verheiratet und er hatte auch Kinder. Also das eine schließt das andere nicht aus. Und er hat sich dann entschlossen...

diese Vita Nova zu schreiben. Also es ist die Geschichte seiner Liebe und vor allen Dingen die Bedeutung seiner Liebe. Dass Beatrice, nämlich wie der Name sagt, Beata, Selige, also die Beseligende ist, die ihn selbst auf einen richtigen Weg zu Gott dann auch führen soll. Weit über Sphären, die zu äußerst kreisen, hebt sich mein Seufzer, den mein Herz erhegt.

Ein neuer Geist, den Liebe weinend legt in ihn, zieht ihn empor. Und kommt er an am Ziele seiner Reisen, sieht eine Frau er. Ruhm und Leuchten pflegt sie auszustrahlen, das vom Glanz erregt, der pilgernd Geist ihr Ehre möcht erweisen. Er schaut sie so, dass kaum ich's kann ermessen, so zart spricht er von ihr zum Wehen Herzen. Ich weiß, er spricht von Beatrice mir, dass nie ich diese Holde mög vergessen.

Sollte es daher dem gefallen, durch den alle Dinge bestehen, dass mein Leben noch einige Jahre wäre, dann hoffe ich, von ihr so zu sprechen, wie noch nie von einer Frau gesprochen wurde. Möge es ihm gefallen, welcher der Herr aller Gnade ist, dass meine Seele aufzusteigen vermöge, um die Herrlichkeit ihrer Herren zu sehen, der Benedekten Beatrice.

Mit diesen Worten endet seine Vita Nuova, mit diesem großartigen Versprechen, dass er dieser Frau und seiner Liebe gibt. Der Dichter wird sein Versprechen tatsächlich einhalten. Mehr als zwei Jahrzehnte später, wenn er in den letzten Jahren seines Lebens die 33 Gesänge des Paradiso niederschreibt. La bellezza che io vedi si trasmorda.

Ich sah, wie ihre Schönheit unser Maß weit übertrifft. Ich glaube fest, dass nur ihr Schöpfer sie so ganz empfindet. Doch wie die Sonne wirkt auf schwaches Auge, so trennt Erinnerung an das holde Lächeln den Geist mir los von meinem Erdenwesen.

Vom ersten Tag, da ich ihr Antlitz sah, im Leben bis hin zu diesem Schauen, fiel es mir nie schwer, mein Singen fortzusetzen. Doch jetzt muss ich verzichten, mit meinem Dichten ihrer ganzen Schönheit noch zu folgen, so wie kein Künstler je das Höchste noch wird finden. Nach dem Tod der Beatrice und vielleicht auch nach Abschluss der Arbeit an der Vita Nova war,

hat er sich dann offenbar dem Philosophiestudium hingegeben. Also er muss Latein noch nachgelernt haben und wir wissen aber nicht, wo er genau war. Aufgrund dieses Philosophiestudiums interessierte sich immer mehr für Ethik. Und das ist für ihn damals insbesondere aristotelische Ethik.

Und er entwickelt dann so eine Art neue Figur, in der er sich selbst so eine Art Erzieher macht. Also er beklagt die Zustände in Florenz, die Sittenverhältnisse. Er weist den eigenen Leuten in Florenz einen Weg zu einem besseren Zusammenleben.

Franziska Meyer, Professorin für Romanische Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Göttingen. In dieser Zeit stirbt auch sein Lehrer Brunetto Latini. Und Brunetto Latini gilt in der Generation davor als ein Erzieher der Partei der Guelfen, die in Florenz das Ruder übernommen haben.

sich der Partei des Papstes angeschlossen hatten, jetzt nicht weil sie besonders katholisch waren oder fromm, sondern einfach weil sie sich von dem Papst mehr Profit versprochen haben als Handelsstadt mit den Bankkrediten, aber auch mit dem Handel, den sie über das ganze Mittelmeer inzwischen ausgebreitet hatten. Und für diese neue Generation spielt Brunetto Latini eine riesengroße Rolle.

Er bringt ihnen die Rhetorik des Cicero bei, er erklärt ihnen, dass man debattieren muss, wie man seine Argumente vorträgt, wie man dann einen Entscheidungsprozess gemeinsam in den Gremien der Stadt herbeiführt.

Und dieser große Mann, der stirbt in der Zeit, sodass man vermutet, dass da so eine Art Lücke entstanden ist, in die Dante gehofft hat, hineinzuspringen. Eine Hoffnung, die sich jedoch zerschlägt, wie sein weiterer Lebensweg zeigt, der Dante 1301 ins Exil führt.

in die bittere Zeit seiner Verbannung aus Florenz, wenn er erfahren muss, wie das Brot der Fremde so salzig schmeckt und wie die fremden Treppen hinab, hinan ein hartes Steigen ist. Seinen verehrten Lehrer wird Dante jedoch auf seiner Jenseitsreise wiedersehen, im Inferno allerdings, im siebten Höllenkreis, wo die Sodomiten im ewigen Feuerregen brennen.

Aber über die Homosexualität seines Lehrers sieht der Wanderer souverän hinweg. Entscheidend für ihn ist, dass ihm Brunetto Latini dort unten sein bitteres Exzellentenschicksal vorhersagt, ihn aber ebenso auf seinem Dichterweg nach oben bestärkt. Kaum aber vermag der Wanderer den vom höllischen Feuer Entstellten wiederzuerkennen.

Als seinen Arm er nach mir streckte, blickte ich so scharf auf die versenkten Züge, dass mein Verstand ihn schließlich doch erkannte. »Meister Brunetto, ihr seid hier?« »Mein Sohn, es soll dir nicht missfallen, wenn Brunetto Latini noch ein Stückchen wegs mit dir zurückgeht.« »Ich bitte euch drum«, erwiderte ich, »von Herzen.« »Folg immer deinem Sterne«, sprach er, »du kannst das ehrenvolle Ziel nicht fehlen, sofern ich's richtig droben schon voraussah.«

Und wenn ich nicht so früh gestorben wäre, da ich den Himmel dir so gütig sah, hätte ich in deinem Werke dich bestärkt. Jedoch das undankbare, böse Volk wird Feind dir werden, weil du Gutes tust. Und so gehört sich's. Zwischen herben Bären ist für die süße Feige kein Gedeih. Geizig, neidisch, überheblich sind sie. Schau, dass du rein von ihren Sitten bleibst.«

Davon wird später mehr die Rede sein. Doch eins sei schon erwähnt, dass unser Jenseitswanderer nicht bloß sein zukünftiges Geschick erfährt, sondern sich selbst von seinem Lehrer mit ordentlichen Vorschusslorbeeren begrenzen lässt, mag dem Leser mit einiger Verwunderung auffallen und ist bereits von seinen Zeitgenossen bemerkt worden. So

so sollen dem Dichter ein hohes Maß an Stolz und Eigendünkel sowie ein aufbrausendes Temperament eigen gewesen sein. Davon berichtet auch Giovanni Boccaccio in seinem Traktat »Das Leben Dantes«. »Es war unser Poet von recht stolzem und reizbarem Gemüt. In gleicher Weise hatte er von sich selbst eine hohe Meinung, wie seine Zeitgenossen berichten.«

Wenden wir uns wieder den beiden Wanderern zu, die wir zu Beginn ihres Wegs durch das Inferno zurückgelassen haben. Wir treffen sie gerade vor dem Eingang zur Hölle. Dort machen sie vor einem Riesentor Halt, auf dem zu lesen ist. Durch mich geht es zur Stadt der Leiden. Durch mich geht es zum ewigen Schmerz. Durch mich geht es zu den verlorenen Menschen. Die ihr hereinkommt, lasst alle Hoffnung fahren. Per me. Per me.

Drei wuchtigen Hammerschlägen gleich dröhnen die gleichlautenden Satzanfänge der drei ersten Verszeilen den beiden entgegen. Wuchtig und endgültig geben sie Kund, dass niemand jemals diesen Ort der Hölle wird verlassen können.

Als Inschrift sah ich diese finsteren Worte hoch über einem Tore stehen und wandte an meinen Führer mich. Ein harter Sinn. Und er, der Gleichverstand, entgegnete, hier gilt's, sich jeder Halbheit zu entschlagen. Hier gilt's, den kleinen Mut in sich zu ersticken.

»Wir sind am Ort, von dem ich dir gesagt, dass du die leidenvollen Menschen wirst zu sehen bekommen, die das Licht, die Wohltat des Erkennens verloren.« Und damit legte er seine Hand auf meine und sah mich heiter an und macht mir Mut und führte mich in die verborgene Welt. »Qui vi sospiri, pianti e alti guai risonavan per laere senza stelle, perchio al cominciarne lagrimai.«

Da war von Seufzen, Weinen, Wege, Schrei, rings um mich her in sterneloser Luft ein Widerhall, dass mir die Tränen kamen. Verschiedene Sprachen, wilde Schreckenslaute.

Worte des Schmerzes und Geschrei des Zornes, schrille und heisere Stimmen, Händeschlagen vollführten ein Getümmel, das ohne Ende in diesen zeitlos trüben Lüften kreiset, wie Sand, gejagt in einem Wirbelsturme. Auf ewig lichtlos ist es dort. Dantes Inferno gleicht einem gewaltigen Trichter im Innern der Erde, der sich nach unten zum Erdmittelpunkt hin immer stärker verjüngt.

An seiner tiefsten Stelle steckt Luzifer selbst, der einstmals schönste Engel. Nach seinem Aufstand gegen Gott, unmittelbar nach der Schöpfung, hatte er sich dort durch die Wucht seines Sturzes tief in die Erde hineingebohrt. Neun Höllenkreise insgesamt umfasst der Trichter des Inferno. Je tiefer man kommt, desto entsetzlicher werden die Strafen.

Aber noch befinden sich die beiden Wanderer am Anfang ihres Abstiegs. Im sogenannten Antinferno, in der Vorhölle, die direkt hinter dem Höllentor beginnt. Es ist die trübe Zone der Feigen, Lauen und Unentschlossenen, deren jämmerliches Leben so verächtlich war, dass sie nicht einmal Höllenstrafen zu erwarten haben. Kein Wort von ihnen, schau und geh vorüber, äußert sich Vergil angewidert von ihrem Anblick und von ihrem Geschrei.

Kaum hat Dante seine Augen und Ohren von ihnen abgewandt, als er in einiger Entfernung eine riesige Schar toter Seelen erblickt, die es mit Macht zum Ufer eines großen Stroms zieht. »Und da, zum Strand ein Boot, ich plätschern hörte, gelenkt von einem altersbleichen Greise.«

»Weh euch, verworfene Seelen und Betörte«, rief er aus rauer Kehle. »Ed echo verso noi venir per nave, un vecchio, bianco per antico pelo, gridando, quai a voi, anime brave«. »Hofft niemals zu Erschauen des Himmels Kreise. Ans andere Ufer bring ich euch hinüber, in ewige Finsternis, zu Glut und Eise. Du aber, der du dort stehst, lebendige Seele, geh weg von jenen, die gestorben.«

Doch als er sah, dass ich mich nicht entfernte, sprach er, »Auf anderem Weg, durch andere Häfen kommst du zu diesem Strand, nicht hier mit diesem Kahne.« Da wies mein Führer ihn zurecht. »Charon, erhitzt dich nicht. So will man es dort oben, wo man das, was man will, auch kann. Mehr sollst du jetzt nicht fragen.« Nun schwiegen stille die behaarten Wangen des Fährmanns auf dem leichenhaften Wasser.

Doch bleiche Angst mit Zähneklappern fasste jene Seelenschar, die nackte, stumpfe, da sie des Schiffers grimme Worte hörten. Dann drängten alle heftig weinend sich zusammen an das unheilvolle, vielverhasste Ufer, das jeden noch erwartet, der Gott nicht fürchtet. Allen verworfenen Seelen steht ihr unabwendbares Geschick, ihre unabänderliche Verurteilung, ihre endgültige Verdammnis bevor.

Die ihr hereinkommt, lasst alle Hoffnung fahren, hatten die beiden Wanderer über dem Höllentor gelesen. Dieses Verdikt gilt für immer. Und dennoch hat der Dichter sein Werk Komödie genannt. Geläufig ist sie uns sogar als göttliche Komödie. Der Titel, der heute üblich ist, Divina Comedia, heißt

Der kommt erst Mitte des 16. Jahrhunderts auf und zwar in einer Edition und vermutlich aus Marketinggründen. Im 16. Jahrhundert wollte jeder als göttlich bezeichnet werden, also die Menschen und die Werke auch. Also das ist so, wie wir heute cool sagen oder mega oder so ein Ultimativ-Symbol.

Und in diesem Sinne hat dann eine Edition in Venedig diesen Ausdruck Divina Comedia im Titel geführt und Ende des Jahrhunderts hat die Accademia della Crusca, also die Sprachinstanz in Italien, den Titel definitiv aufgenommen. Dante selbst bezeichnet im Inferno zweimal seinen Text als Comedia, also man muss es so betonen.

Diese Comedia hat nichts mit unserer Vorstellung von Komödie zu tun. Wenn man ins Paradies geht bei Dante, spricht er immer nur von einem Poema Sacro, also einem heiligen Gedicht. Dem erhabenen und siegreichen Herrscher, dem Cangrande della Scala, wünscht der ihm ergebenste Dante Alighieri, Florentiner der Geburt, nicht der Lebensweise nach, ein glückliches und viele Jahre währendes Leben.

Diese Begrüßungsworte richtet Dante während seiner Zeit im Exil an den Veronäser Fürsten Cangrande della Scala, an dessen Hof er einige Jahre von 1312 bis 1318 leben wird. In seinem Brief legt er ihm seine Comedia ans Herz und erklärt Cangrande, was es mit dem Titel und dem Werk auf sich hat. Die Komödie ist eine Art poetische Erzählung, die sich von allen anderen unterscheidet.

Sie unterscheidet sich von der Tragödie im Stoff dadurch, dass die Tragödie zu Beginn bewundernswert ist und ruhig, am Ende aber erschreckend. Die Komödie aber beginnt abstoßend, aber ihr Stoff endet glücklich. Daraus geht hervor, weshalb das vorliegende Werk Komödie genannt wird. So ist der Stoff zu Beginn erschreckend und hässlich, weil die Hölle dargestellt wird, zum Schluss beglückend, begehrenswert und schön, weil er das Paradies darstellt.

Das Ziel des Ganzen besteht darin, die Lebenden in diesem Leben aus dem Zustand des Elends herauszuholen und sie zum Zustand des Glücks hinzuführen. Man weiß über die Entstehung der Comedia nicht viel. Es gibt die These, die Boccaccio aufgestellt hat, dass schon in Florenz die ersten Gesänge geschrieben worden sind und dann im Exil hätte er wieder angefangen.

Wahrscheinlicher ist, dass er so ungefähr 1306 angefangen hat mit dem Inferno und sich dann die Arbeit bis kurz vor seinem Tod hinzieht. Wir wissen dann, dass ungefähr so 1312 das Purgatorium teilweise zitiert wird von anderen Leuten, also müssen Gesänge im Umlauf gewesen sein.

Aber wie sich das Ganze entwickelt hat und ob er wirklich einfach nur Gesang für Gesang sich davor getastet hat, wissen wir einfach nicht. Und es gibt leider keinen Autografen. Also auch das ist für die Zeit nichts Untypisches. Erst Boccaccio und Petrarca haben Autografen, sind die letzten, die die Handschrift Dantes gesehen haben, aber auch nicht das Manuskript der Diviner Comedia, sondern Briefe, die er geschrieben hat.

Dante, genug zu bewundern und zu preisen, fehlt mir fast die Kraft. Diesen Mann, den weder die Ungerechtigkeit seiner Mitbürger noch Armut noch die Stachel persönlicher Feindschaften von der Bahn losreißen konnten, die er sich einmal bestimmt hatte.

wo doch viele gerade dann, wenn sie hohen Geistes sind, so zart veranlagt zu sein pflegen, dass leichtes Murmeln schon sie von ihrem innersten Vorsatz abbringen kann.

Dante hat sich nicht von seinem Jahrtausendwerk abbringen lassen. Nicht von seinem Weg durch die drei Jenseitsreiche, die er als Dichter schaut und gestaltet und auf dem ihn die Menschen bis heute begleiten.

Ein Weg, der mit den Schrecknissen der Hölle beginnt, die ihm und seinem Mentor nun bevorstehen. Ausgehend vom Ufer des Acheron, wo sich die Schar der toten Seelen für ihre Überfahrt zu ihren unverrückbaren Plätzen und den ewigen Strafen in den neuen Kreisen des Höllentrichters gesammelt hat. Der düstere Charon winkt sie heran und ordnet sie zu Hauf. Mit seinem Ruder schlägt er jeden Säumigen.

Wie Blätter, die vom Baum im Spätherbst fallen und eines nach dem anderen flattert fort, bis aller Schmuck der Zweige unten liegt. So springt die böse Brut von Adam ab vom Ufer, einer nach dem anderen auf bloßen Winken, wie ein Vogel auf den Lockruf. Dann geht's mit ihnen übers dunkle Wasser und ehe sie drüben ausgestiegen sind, versammelt wieder neue Schar sich diesseits. Mein Sohn, erklärte mir der Gütgemeister.

Es kommen alle, die in Gottes Zorn versterben, hier von überall zusammen und sind sofort zur Höllenfahrt bereit. Der Rechtsspruch Gottes drängt und quält sie so, dass sie das Fürchterliche sich ersehnen. Für gute Seelen gibt es hier kein Hinüber. Daher, wie nunmehr du verstehen wirst, sich Charon über dich ereifern muss. Kaum war es gesprochen, als das dunkle Land so heftig bebte,

Und ich so erschrak, dass ich's noch heut nicht ohne Angstschweiß denke. Ein Sturm, geboren aus dem Weh der Erde, erzeugte Wetterstrahl, durchzüngelt von der Blitze roten Schlangen, dass jeder Sinn mir unterging im Brausen. Und wie vom Schlaf befangen, sank ich hin. Finito questo, la buia campagna tremò si forte, che dello spavento la mente di sudore ancor mi bagna.

La terra lagrimosa diede vento, che balenò una luce vermiglia, la qual mi vinse ciascun sentimento, e cadi, come l'uom che il sonno piglia. Ruppemi l'alto sonno nella testa, un greve truono sicchio mi riscossi, come persona che per forza desta.

Ein dumpfer Donner brach den Schlaf im Haupte mir und jäh fuhr ich empor, wie ein gewaltsam Wachgerüttelter.

Das ausgeruhte Auge ließ sich wandern, ringsum und in die Höhe und blickte scharf, um auszukunden, wo ich denn nun war. Und in der Tat, am Rand des Tales stand ich, das in den Abgrund allen Schmerzes führt, wo ungezähltes Weh sich staut und rollt, ein dunkles, tiefes, nebeldunstig Tal. Soweit mein Blick hinunterbohren mochte, erfasst es nirgends ein bestimmtes Ding. Wir steigen jetzt hinab ins blinde Reich.

Mein Dichter sprach's und wurde totenblass. Ich will vorangehen, und du sollst mir folgen. Wie er erblasste, hatte ich wohl bemerkt und sprach, wie soll ich gehen, wenn du erschauerst, der du mich zagenden zu stärken pflegst? Die Not der Menschen, die da unten zittern, erwidert er, verfärbt mir das Gesicht. Und Mitleid ist, was du als Furcht verstehst, doch vorwärts. Eile, heischt der lange Weg.

Und damit drang er ein und führt mich ein zum ersten Kreis, der um den Abgrund läuft. Es wird in der Tat ein langer Weg, den Dante als Wanderer und Dichter zurücklegen muss. Ein langer Weg wird es auch für den Leser, der ihn dabei begleiten möchte. Nicht nur auf dem langen Weg der Strafen, der Läuterung und der Erleuchtung, sondern ebenso auf der langen Wegstrecke seiner Verse. 14.000 Verse umfasst seine Comedia insgesamt.

4700 Verse etwa zählt jeder der drei fast gleich langen Teile, jede sogenannte Kantika, und zwischen 120 und 150 Verszeilen betragen die einzelnen Kanti. Überhaupt gibt Dante seinem Werk eine durch Zahlen präzise bestimmte Struktur.

So lässt er seine Comedia im Jahr 1300 beginnen. 1300 nimmt er als Mitglied einer florentinischen Gesandtschaft an einer Reise zum Papst nach Rom teil. 1300 ist auch das erste sogenannte Jubeljahr oder Heilige Jahr in der römisch-katholischen Kirche, das Papst Bonifatius VIII. ausgerufen hatte.

Es ist das Jahr, in dem die Menschen in Massen nach Rom gepilgert sind, in der Hoffnung, Ablass von ihren Sünden zu erhalten. Die Zahl 3 spielt in der Diviner Komedia eine große Rolle. Es besteht eben aus drei Teilen. Die Kantika besteht aus 33 Gesängen, nur die erste aus 34, aber man zählt eben Nummer 1 als Einleitung.

Und drei steht eben für die Trinität Gottes. Und wenn man die drei mal drei multipliziert, dann landet man bei der neun. Und neun ist die Zahl der Beatrice. Unter dieser Zahl neun finden die Begegnungen Dantes und Beatrices auf Erden statt. Insgesamt sind es 100 Gesänge, also 99 dreimal. 33 plus eins und eins steht für Gott Gottes.

Das sind aber nur die einfachsten Zahlen. Es gibt dann noch unendlich viel. Es steckt eine ganze Zahlenmystik in der Comedia drin. Und vom ersten bis zum letzten seiner 100 Gesänge ist Dante anwesend.

Man mag diese Omnipräsenz des Dichters als aufdringlich empfinden, aber es ist Dantes Persönlichkeit, die das ganze Werk zusammenhält. Es ist seine dichterische Gestaltungskraft, die den Bau seines Weltgedichts zusammenfügt. Eine gigantische Aufgabe, für die er als Dichter auf seinem Weg durch die Comedia nicht nur einmal den Beistand der Musen erbittet.

Es ist kein Spaß, kein spielerisch Versuchen für Kindermund, der Mutti ruft und Vati. Die Musen mögen meinem Lieder helfen, damit sich Wirklichkeit und Wort entsprechen.

Als Wanderer durch die Jenseitsreiche steht ihm der römische Dichter Vergil zur Seite. Ein Heide, und auch ihn muss Dante in sein christliches Weltgedicht einfügen. Denn als Nichtgetaufter hat Vergil keinerlei Chance, einen Platz bei den Seligen im Paradies zu erhalten. Sein Platz ist und bleibt das Inferno.

Allerdings weilt sein Schatten mit anderen Ungetauften an einem besonderen Ort im ersten Kreis der Hölle, im Limbus, dem Ort ohne Strafen, doch ohne Hoffnung auf Glückseligkeit. Den beiden Wanderern tönt, als sie im Limbus ankommen, kein wütendes Höllengeschrei entgegen. Nur seufzend Klagen ließ hier die ewige Luft erzitternd schwingen, wie Dante verwundert feststellt.

Der gute Meister sprach, willst du nicht wissen, was es für Geister sind, die du hier siehst? So merke dir, bevor du weitergehst, zwar sündigten sie nicht, doch ihr Verdienst genügt nicht, weil die Taufe ihnen fehlt, die erst den Zugang schafft zu eurem Glauben. Und so sie vor dem Christentum schon lebten, verehrten sie noch nicht genug den Herrn. Zu diesen Mangelnden gehöre auch ich.

Durch solchen Fehl und keine weitere Schuld sind wir verloren. Unser ganzes Leid ist, hoffnungslos in Sehnsucht leben müssen. Mir blutete das Herz, als ich es vernahm. Denn manche Menschen, die von hohem Wert, erkannte ich, die in diesem Vorhof walten. Die Diviner Komedia ist eine ungeheure Syntheseleistung, die Dante vollbracht hat.

Er ist einerseits natürlich ein Christ gewesen und in dem katholischen Glauben aufgezogen, aber er hat, wie das damals auch andere hatten, eine große Verehrung für die Römer. Zu dem damaligen Zeitpunkt waren es vor allen Dingen die Römer und die Griechen, soweit die Römer darüber berichtet haben.

Und diese Liebe zu diesen Heiden mit ihrer Philosophie, mit ihren Ebenen, mit ihrer Lyrik, die wollte er sich nicht nehmen lassen. Und da hat er diese großartige Idee des Limbus gehabt, ohne körperliche Strafen, aber eben ohne göttliches Licht auch diese Heiden entdeckt.

denen dort einen Platz zu geben und trotzdem das Ganze in einer göttlichen, also christlich-göttlichen Justiz aufzufangen. Und Leute waren da, mit Augen, ernst und still. Ehrfurchtgebietend waren ihre Minen. Sie sprachen wenig nur und sanft war ihre Stimme. Wir zogen uns zurück zur Seite, nach einer hellen, offenen Höhe hin, wo wir sie alle sehen konnten.

Ich sah den Meister aller Wissenden, Aristoteles, im Kreis der Philosophenschüler sitzen. Da sah ich Sokrates und Plato auch, die ihm am nächsten vor den anderen stehen. Und Demokrit, der Zufall sieht in allem, Diogenes und Thales, Empedokles, Zenon und Heraklit.

Ich kann nicht alle zur Genüge schildern. Der reiche Gegenstand bedrängt mich so, dass oft mein Wort die Sache nicht mehr fasst. Und diese Syntheseleistung, die natürlich immer wieder auch Reibungen hervorbringt, das lässt sich nicht immer zusammenbringen, das ist sicherlich auch eine Geburtsstunde der europäischen Kultur und Tradition. Erläutert die Literaturwissenschaftlerin Franziska Meyer. Und

Und das wird von ihm selbst geleistet, sowohl als Figur, als der durch das Jenseits geht, als auch als Dichter, der diese Reise beschreibt.

Und gleichzeitig in diesen beiden Figuren Vergil, der große römische Epiker, und Beatrice, eigentlich eine kleine Florentinerin, aber nun bei Gott. Und darin steckt schon der ganze Anspruch dieser neuen Zeit, dass die eigenen Leute, die Zeitgenossen, sogar eine solche Funktion immerhin bis ins Paradies zu führen, übernehmen können. Und die Quelle

Spiegata laure, o Ageletti, o Ageletti, gari, com'io, com'io, com'io l'amè, com'io l'amè, caldi sospiri, vita nel cuore spiri, vita nel cuore spiri, mandola al sé, mandola al sé, mandola al sé.

Musik

Bis zum Ende seiner Jenseitsreise wird den Christen Dante dennoch die Frage quälen und sie wird ohne befriedigende Antwort bleiben, warum seinem geliebten Vergil und den anderen zu früh Geborenen trotz vorbildlichen Lebens auf ewig der Aufstieg ins Paradiso verwehrt bleibt. Doch kehren wir ins Inferno zurück, wo Vergil darauf drängt, ihren Weg fortzusetzen.

Ihr Aufenthalt im Limbus war nur ein kurzes Zwischenspiel, eine kleine Verschnaufpause gleichsam für beide. Denn ab jetzt wird es in der Hölle ungemütlich. Nunmehr beginnen schon die Schmerzenslaute zu meinem Ohr zu dringen. Nun bin ich dorthin angekommen, wo die Flut des Tränenjammers mich bestürmt.

Die Gegend wurde lichtlos um mich her, wie auf dem Meer umbrüllte mich das Wetter, wenn Winde gegen Winde feindlich wüten. Die höllische Windspraut rastet nie und reißt die Geister mit sich wie geraubtes Zeug.

Geworfen dorthin an die Felsentrümmer, erheben sie ein Schreien, Klagen, Jammern und Lästern gegen Gottesmächtigkeit. Und wie die Stare fliegen, dicht gedrängt im Zuge, dass sie des Winters Frost entrinnen, so treibt der Wind die Sünder hier zum Fluge, hierhin und dorthin, auf und niederwärts. Und wie die Kraniche ihre Klagen singen in langen Reihen durch die Luft,

So sah ich kommen unter lautem Stöhnen menschliche Schatten, die vom Sturm getragen. Drum sprach ich, Meister, wer sind jene, die all so peinigt dieser dunkle Wind?

Vergil belehrt ihn, dass es die Seelen all derer sind, die, statt der Vernunft zu folgen, sich sündiger Fleischeslust hingaben. Eine Todsünde für die damalige Zeit. Vergil zählt sie auf. Dido, Kleopatra, Helena, Tristan. Und andere, wohl mehr als tausend, nannt er mir, die liebeshungrig um ihr Leben kamen.

Vor allem zwei durch den Sturm eng aneinandergepresste Seelen sind es, die Dantes Aufmerksamkeit geradezu magisch anziehen. Mit ihnen will er reden, wozu Vergil ihn sogleich ermuntert. Er sprach, sieh zu, wann sie uns näher sind, und dann beschwöre sie bei jener Liebe, die sie umhertreibt, und sie werden kommen. Kaum hat der Wind sie zu uns hergebogen, hob ich die Stimme.

O ihr gequälten Seelen, kommt her mit uns zu sprechen, wenn ihr dürft. Und wie ein Taubenpärchen sehnsuchtsvoll auf breiten Schwingen ruhig vom Wunsch getragen die Luft dem trauten Neste zu durchzieht, so schwebten sie hervor aus jenem Schwarme zu uns herüber durch die wilde Luft. So mächtig war mein liebevoller Ruf. O du, ein lebendiger Mensch, freundlich und gut, besuchst in dieser purpurschwarzen Luft uns, die wir die Erde blutrot färbten.

Denn Liebe, die leicht ein edles Herz erfasst, ergriff den Mann hier zu dem schönen Leib, der mir entrissen ward. Liebe, die zum Lieben den Geliebten zwingt, erfasste mich zu diesem hier so mächtig, dass, wie du siehst, sie mich noch nicht verlässt. Und Liebe riß in einen Tod uns beide. Ich hörte diese tief verletzten Seelen und senkte meinen Blick. Dann nahm das Wort ich wieder und sprach, »Arme Francesca«,

Weinen muß ich aus innig Leid und Mitgefühl um dich.

Also das ist die erste große Sünderin, die erste groß vorgestellte Seele, der Dante begegnet. Er hat sie im Leben nicht gekannt. Was er genau über sie wusste, ist auch unklar. Er wusste nur, dass sie eben verheiratet war mit dem Herrscher Malatesta von Rimini und mit dessen Bruder ein Liebesverhältnis hatte und Ehebruch begangen hat.

Die Rede ist von Francesca da Rimini und Paolo, seit Dante nicht nur in Italien eins der legendären Liebespaare der Literatur.

Beide wurden ertappt und von Francescas Ehemann getötet. Näheres dazu erzählt wiederum Giovanni Boccaccio in seiner Vorgeschichte zu Francesca. Die Francesca da Rimini, die berühmt geworden ist, das ist die Francesca da Rimini, die Boccaccio draus gemacht hat. Also es ist schon der Gesang von Dante, natürlich mit seinen unglaublichen Klängen. Aber es ist Boccaccio, der uns diese ganzen historischen Informationen liefert und

Und dann sogar anfängt, Francesca zu entschuldigen. Und dann geht es eben, dass sie einem Mann verheiratet wird, den sie nicht liebt und der auch noch missgestaltet ist. Und während der Bruderbild schön ist und dergleichen mehr. Und sie hat dann ein Recht darauf nach Boccaccio. Unser Francesca da Rimini-Bild ist ein romantisches Bild der Frau, die sich selbst leben will. Und letztlich geht es auf Boccaccio zurück.

Dante will nur eins von Francesca wissen. Ihn drängt es zu erfahren, wie es zu dieser tödlichen Leidenschaft zwischen ihr und Paolo überhaupt hat kommen können. Sie sprach, »Im Elend sich vergangenen Glückes erinnern müssen, ist der größte Schmerz. Das weiß so gut wie ich dein Führer dort. Doch weil du mich so traut und herzlich fragst und unserer Liebe Anfang kennen willst, so muss ich denn mit Tränen dir's erzählen.«

Wir lasen eines Tags zur Unterhaltung von Lancelot und wie er sich verliebte, wir zwei allein und dachten uns nichts Böses. Da mußten manchmal wir vom Buche auf uns in die Augen schauen und erblasten. Die eine Stelle war's, die uns besiegte. Dort, wo wir lasen, wie Lancelot, der Held der Liebe, den heißbegehrten Mund ihr küßte, da küßte er, der ewig mir gehört, am ganzen Leibe zitternd mir den Mund.

An diesem Tage lasen wir nicht weiter. Indes die eine Seele so erzählte, hörte ich die andere weinen, dass vor Schmerz der Sinn mir schwand, als ob ich sterben müsste. Und ich sank hin, gleich wie ein toter Körper hinsinkt. Mentre che l'uno spirito questo disse, l'altro piangea. Si, che di pietade, io veni men così, com'io morisse.

Vier harte K-Laute vor den dunklen Vokalen A und O beenden den Vers. Sie machen die Stärke seines Schmerzes angesichts ihres Schicksals, aber ebenso die Heftigkeit seines Schocks angesichts ihrer sündigen Verstrickung allein durch Hören sinnfällig. E caddi, come corpo morto cade.

Weil er sich sagt, das hätte mir auch passieren können. Also ich war auch kurz davor, diesen ganzen Reiz höfischer Liebe für etwas Großartiges zu halten und wäre dann auch auf die schiefe Bahn gekommen. Heute würde man Dante vielleicht als einen großen Psychologen, zumindest als einen Menschenzeichner bezeichnen. Das ist das, was dieses Werk aus den ganzen mittelalterlichen Werken, die vorher geschrieben worden sind, heraushebt.

Das ist eine Charakterisierungskunst, die fängt bei ihm selbst an. Seine eigenen Empfindungen, Ängste, Freude, Neid, Unsicherheit, alles beschreibt er und drückt auch teilweise körperliche Gesten oder sonst was aus, also woran sie das festmachen können. Und das andere sind diese knappen, also teilweise lakonisch knappen, Existenzen.

exakten Darstellung einzelner Seelen im Jenseits. Und die haben sich den Lesern alle eingeprägt. Das sind ja fast Anthologiestücke geworden. Nach dieser Begegnung mit den stromgepeitschten Seelen geht es für die Wanderer weiter den düsteren Höllentrichter hinab.

Als das Bewusstsein wiederkehrte, welches aus Mitleid mit den beiden mir geschwunden, das ganz mit Tränen mich verwirrte,

Da sah ich neue Qualen und Gequälte rings um mich her, wohin ich mich bewege, wie ich mich wende, hin- und wiederblicke, in einem Regen, der ewig Fluch erfüllt und schwer und kalt herunterströmt. Nie ändern seine Art und Stärke sich. Von Hagelkörnern, Schnee und schmutzigem Wasser ein Mischmasch gießt es durch die Finsternis. Die aufgeweichte Erde stinkt davon. Wir schritten über Schattenleiber hin,

vom Regen schwer bedrängte und traten mit Füßen ihre nichtige Gestalt. Sie lagen allesamt am Boden. Nur ein einziger Schatten setzt sich jählings auf, da er uns sah, wie wir vorübergingen. »Der du dich durch die Hölle schleifen lässt«, rief er, »besinn dich, ob du mich erkennst. Du wart'st geschaffen, ehe ich zerfiel.«

In deiner Stadt, die voll von Neid und Missgunst bis zum Überlaufen ist, wurde ich gehegt ein heitres Leben lang. Ihr Bürger nanntet mich den Schweinischen Tschako. Weil ich frönte nur dem gierigen Schlunde, muss ich dem Regen, wie du siehst, erliegen. Florenz und seinen Menschen gilt die Rede Tschakos. Dantes so geliebter wie gehasster Heimatstadt, die ihn im Alter von 36 Jahren brutal aus ihren Mauern verstößt.

Florenz, dieser zu seiner Zeit von Zwist und blutigen Kämpfen zerrissenen, reichen Stadt am Arno, deren politische Geschicke Dante nach seinem Studium der Philosophie an den Florentiner Ordenshochschulen versucht hatte mitzugestalten. Musik

Wir wissen, dass er in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in die Politik, würden wir heute vielleicht sagen, gegangen ist.

Das ist jetzt keine Berufswahl, wie man das heute hat, sondern das war vollkommen normal, wenn sie Bürger einer Stadt waren. Und dann mussten sie auch Teil einer Zunft werden. Bei Dante war das die Zunft der Apotheker und Ärzte, der sich angeschlossen hat. Dann kamen sie sozusagen automatisch in so ein Rotationssystem und wurden dann, was Dante selbst war, zum Prior geworden.

Dazu war man zwei Monate, aber man gehörte so einem Rat an, der sozusagen die eigentliche Führung der Stadt hatte. Jeder Bürger sozusagen war aufgerufen an sich, nichts Besonderes, also könnte jeder Bürger von Florenz sein. Zu Dantes Zeit war die Florentiner Bürgerschaft auf verkehrteste Art in zwei Parteien geschieden. Und dank der Anstalten eifriger Führer war davon eine jede recht machtvoll.

sodass einmal die eine ein anderes Mal die andere zum Missvergnügen der unterlegenen Partei regierte, schreibt Giovanni Boccaccio in seinem Traktat »Das Leben Dantes«.

Diese beiden Parteien waren die sogenannten Bianchi, die Weißen, wozu auch Dante gehörte, und die Neri, die Schwarzen. Nach und nach begannen sie, sich immer stärker zu entzweien. Dieser Konflikt zwischen den Weißen und den Schwarzen steigert sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts so stark, dass es immer wieder zu Unruhen kommt. Und eine Weile lang können die Weißen sich halten.

Dante wird dann als Botschafter nach Rom geschickt zum Papst und während er außerhalb der Stadt ist, gelingt es den Schwarzen, die Stadt in den Griff zu bekommen. Und das bedeutet einen Exodus all dieser Bianchi und Dante erfährt das auf der Reise zurück und zieht es dann auch vor, außerhalb von Florenz zu bleiben.

Es hat das immer in Florenz gegeben. Es gibt einen politischen Umschwung und dann geht ein ganzer Teil der Bürgerschaft ins Exil und irgendwann geht es wieder in die andere Richtung, dann kommen die wieder zurück. Aber was jetzt gemacht wird...

ist, dass man die Gerichtsverfahren, die man anstrengt gegen politische Gegner, unter einer Rubrik von Kriminalität laufen lässt. Das heißt, sie werden verurteilt, also im Falle von Dante wegen Amtsmissbrauch, dass er Geld gekriegt hat in seinem politischen Amt dafür, dass er bestimmte Dinge getan hat.

Aber es wurde von Gerichten gemacht, die sozusagen keine Sondergerichte waren, sondern normale Gerichte. Und folglich landeten die Akten unter ganz normalen Kriminellen wie Dieben, Mördern und dergleichen mehr. Und darunter hat Dante gelitten. Man war nicht mehr jemand, der ins Exil geschickt wurde aus politischen Gründen, sondern man war ein Krimineller.

Also wurde er verurteilt und er sollte eine Strafe zahlen und als er diese Strafe nicht gezahlt hat und nicht zurückgekommen ist, hat man ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Da ist Dante vogelfrei und bewegt sich im Exil. Diesen Lohn trug Dante davon, für die zärtliche Liebe, die er für seine Vaterstadt gehabt hatte.

Diesen Lohn trug Dante davon für die Mühsal, die er gehabt, als er die Zwietracht der Bürger beseitigen wollte. Diesen Lohn trug Dante davon, weil er mit jeglicher Sorge das Gute gewollt, den Frieden und die Ruhe seiner Mitbürger, woraus deutlich hervorgeht, wie wahrheitsleer des Volkes Gunstbezeugungen sind und wie wenig Vertrauen sie verdienen. Heißt es nicht ohne Pathos bei Boccaccio weiter.

Im Inferno macht Dante denn auch mit einem sarkastischen Ausbruch gegen seine Vaterstadt seine Verbitterung Luft. »Freu dich, Florenz! So groß ist deine Macht, dass über Land und Meer dein Flügel rauscht und durch die ganze Hölle dein Name heilt. Fünf deiner großen Bürger traf ich unter den Dieben. Ich muss mich schämen, und dir erwächst keine Ehre draus.«

Man muss wohl vermuten, dass Dante lange noch gehofft hat, wieder zurückzukommen. Er könnte sich zunächst in Bologna aufgehalten haben, er könnte sozusagen um Florenz herum, auch Richtung Lucca, sich aufgehalten haben. Er kann nach Verona gegangen sein. Aber all diese Stationen, mehr oder minder alles so ab Florenz nach Norden, sind alle möglich möglich.

Wir wissen dann nur, dass er irgendwann nach Ravenna am Schluss gegangen ist und dort dann gestorben ist. Dieses Exil ist wirklich sehr schwer für ihn gewesen. Wie gesagt, er war vogelfrei, also de facto hätte ihn jeder umbringen können und hätte sich damit nicht strafbar gemacht. Er war ununterbrochen abhängig von irgendwelchen Herrschern, welcher Art auch immer.

Das heißt, er aß das Brot der anderen. Und das ist für jemanden, der so jähzornig und hochmütig und auch so außerordentlich talentiert war wie Dante natürlich wahnsinnig hart gewesen.

Er hatte seine Familie, also die Frau war überwiegend in Florenz, die drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, die waren oft bei ihm. Also sie mussten das auch, wenn sie dann ungefähr so 13, 14 Jahre alt waren als Sohn, dann mussten sie auch raus aus der Stadt. Also in irgendeiner Form, zumindest in Ravenna, muss er dann auch mit der Familie gelebt haben.

Aber es sind lange Jahre, es ist ja also von 1301 bis 21, es sind 20 Jahre, die er im Exil irgendwo lebt. Nicht vermochten die schmerzlichen Tränen, noch die Sorgen des Hauses, noch die elende Verbannung, noch die unerträgliche Armut, jemals Dante seinem vornehmsten Vorsatz zu entfremden, dass er auch inmitten der grausamsten jener Leiden sich als Dichter betätigte.

hält Giovanni Boccaccio fest. Und weiter geht es hinunter in die Tiefe. Die vier Höllenkreise der Maßlosigkeit haben die beiden Wanderer schon hinter sich, wo die der Sinnenlust Verfallenen wie Francesca und Paolo durch ewigen Sturmwind getrieben werden.

wo die maßlos Gefräßigen, wie der Florentiner Giaco, im schmutzig-kalten Regen liegen. Und die maßlos Geizigen und Verschwender, die Zornigen und Trägen, ihre jeweiligen Strafen erleiden. Durchquert haben sie ebenso den Höllenkreis der Heretiker, in ihren glühenden Steinsergen, dass kein Schmied das Eisen glühender braucht. Den Höllenkreis der Gewalt, mit seinem brodelnd heißen Blutstrom.

Darin ein jeder, der Gewalt demnächst tut, gekocht wird. Je tiefer sie hinabsteigen, desto kälter wird es. Im letzten Kreis der Hölle schließlich herrscht ewiges Eis. Dort unten in der Tiefe ist man am weitesten von Gott entfernt. Dort werden die schlimmsten Sünder und die verdammenswertesten Vergehen bestraft. Für Dante ist es der Verrat.

Der Verrat an Verwandten, an politischen Freunden und an der tiefsten Stelle im Inferno, der Verrat des Judas. Zuvor jedoch treffen wir die Wanderer beim Durchgang durch diesen letzten Höllenkreis. Wie wir in den dunklen Pozen schlugen, unter den Füßen des gigantischen, viel niedrigeren. Und ich schaue noch auf den hohen Wall, und sage, hör mir an.

Als wir den dunklen Schacht hinunter waren und ich hinauf sah zu der hohen Mauer, da hörte ich zu mir sagen, »Pass auf, wo du die Füße setzt. Geh so, dass du nicht auf die Köpfe trittst, der elenden Brüder.«

Ich sah mich um und vor und unter mir gewahrt ich einen See, der war gefroren, sah eher aus wie Glas und nicht wie Wasser. Ich senkte den Blick und sah zwei Menschen so eng zusammen, dass ihre Haare sich vermischten. Sie drehten ihren Hals und richteten zu mir herauf das Antlitz, sodass die Tränen, bisher im Auge wohl nur innen, übertropften auf die Lippen und dann als Eis die Augen ganz verschlossen.

So fest zwingt keine Klammer Holz an Holz. Und Tausende sah ich, vom Frost blau-schwarz zugerichtete Gesichter, sodass mich immer noch ein Schauder vor gefrorenen Pfützen packt. Wir waren weiter unseres Wegs gegangen, da sie in einem Loch im Eis zusammengefroren zwei Männer. So wie ein Hut lag ein Kopf über dem anderen.

Und so wie der Hungrige sein Brot verschlingt, so schlug der Obere die Zähne in den Andern, dort, wo sich Hirn und Rückenmark verbinden. Der du so tierisch deinen Hass bekundest an deinem Feind, sag mir den Grund, sprach ich. Es hob der Sünder von der grausen Speise den Mund empor und wischt ihn an den Haaren des angefressenen Hinterschädels ab.

Es ist Graf Ugolino, einst einer der mächtigsten Adligen in Pisa. Der andere ist Ruggeri delle Ubaldini, der ehemalige Erzbischof dieser Stadt. Machtbesessen waren beide. Ein Landesverräter der Graf, ein Verräter an seinem politisch Verbündeten der Erzbischof. Ugolino erzählt. Wie er mit seinen Ränken mich umgarnte, mich, den Vertrauenden, gefangen nahm und nachher töten ließ, weiß jedermann.

Wie grauenvoll mein Tod gewesen ist, das hat dir keiner noch erzählt. So höre, was er mir getan. Ruggeri hatte Ugolino mit seinen vier kleinen Söhnen in einem Turm einsperren lassen. In Pisa heißt er noch heute Torre della Fame, Hungerturm. Schließlich, nach langen Wochen der Gefangenschaft, Es kam die Stunde, da man gewöhnlich uns das Essen brachte. Da hörte ich drunten an dem fürchterlichen Turm das Tor vernageln.

Meinen Kindern sah ich ins Angesicht und sprach kein Wort. Ich weinte nicht und war zu Stein geworden. Keinen Laut sprach ich an jenem Tag, noch in der Nacht, bis draußen wiederum die Sonne schien. Wie nun ein kleiner Strahl herunterfiel auf unser Stroh und wie aus vier Gesichtern mein eigen Bild mir in die Augen sah, biss ich in beide Hände mir vor Schmerz. Da glaubten sie, ich bisse mich aus Hunger.

Und alle vier zumal erhoben sich und riefen, Vater, besser wäre uns, wenn du von unserem armen Fleische nämest. Du hast es uns gegeben, nimm es wieder. Wiederum beruhigt ich mich ihnen zuliebe. Und noch zwei Tage schwiegen wir zusammen. Und wie wir nun am vierten Tage waren, da wirft sich Gaddo hin zu meinen Füßen. Mein Vater, sagt er, warum hilfst du nicht? Und stirbt. Und so wie du mich siehst,

So sah ich die anderen Dreie nacheinander fallen, vom fünften bis zum sechsten Tag. Hernach erblindete ich und kroch und tastete und schrie nach ihnen noch zwei lange Tage. Dann übermannte mich der Hunger mehr noch als der Schmerz. »E due di li chiamai, poi che fur morti, poscia più che il dolor potel digiuno«.

Den genauen Sinn des Verses lässt Dante in der Schwebe. Offen bleibt, ob sich der sterbende Ugolino vom Fleisch seiner Kinder ernährt oder ob der Hunger ihn getötet hat. 75 Verszeilen bloß braucht Dante, um seine Leser vom Entsetzen über den Hass des schädelnagenden Landesverräters bis hin zum Mitleiden mit dem Schmerz des verzweifelten Vaters zu führen.

75 Zeilen, die die Spanne tiefster Abstoßung bis hin zu höchster Anteilnahme durchmessen. Fast lässt der Dichter seine Leser vergessen, wo sie sich befinden. Im letzten Kreis der Hölle mit ihrer unerbittlichen Strafjustiz. Daran erinnert Dante sogleich im nächsten Vers. Nach diesen Worten schlug er mit verdrehten Augen die Zähne, hart wie Hundezähne, wieder in den Unglücksschädel.

Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, dass eine Figur wie der Ugolino, der da unten sitzt und an dem Kopf seines Feindes, des Erzbischofs von Pisa, nagt.

bevor er dann seine Geschichte, wie er im Hungerturm umgekommen ist, erzählt. Das ist ja noch nicht mal ein ganzer Gesang, das ist sozusagen eine gute Hälfte eines Gesangs. Und diese Figur hat sich aber so ins kollektive Gedächtnis eingeprägt, es hat Mahler angeregt, dass sie sich verselbstständigt hat.

Und das hat in der Forschung dazu geführt, dass man in Dante immer einen geradezu neuzeitlichen Autor, Dichter erkannt hat, der eben schon den Wert des Menschenlebens, den Wert des Individuums klar machen wollte.

und den rausrückt aus der göttlichen Justiz, die ja eigentlich im Jenseits da waltet. Dass er das so nicht gemeint hat, das ist, glaube ich, historisch ganz richtig, das zu betonen. Das geht um göttliche Justiz und das sind Figuren, die die exemplifizieren.

Aber das sind nicht nur exemplarische Figuren, sondern die erzählen, die leben und die haben Gefühle, die wir mit ihnen teilen können und das bis heute, glaube ich, auch tun. Fast haben die beiden Wanderer es geschafft. Ganz unten, im eisigen Höllentrichter angekommen, sehen sie zum Schluss Luzifer, den einstmals schönsten Engel und ersten Verräter überhaupt.

Ein abscheuliches Schreckensbild ist aus ihm geworden, mit drei grässlich entstellten Gesichtern und sechs riesigen, fledermausartigen Flügeln, deren gewaltige Windstöße den Höllengrund zu ewigem Eis gefrieren lassen. Er weinte aus sechs Augen. Tränen trieften mit blutigem Speichel von drei Kinnen ihm. In jedem Maul zermalmten seine Zähne, wie man das Flachs bricht, einen Sünder.

Die drei größten Verräter der Menschheit, für Dante sind es Brutus und Cassius, die Julius Cäsar ermordeten, den Begründer des römischen Kaisertums. Und natürlich Judas, der Jesus Christus verriet. Schließlich mahnt ihn Vergil,

Die Nacht steigt auf. Es ist Zeit, wir müssen fort. Denn alles haben wir nun gesehen. Mit Grausen klettern sie so dann den engen Spalt zwischen dem beharrten Teufelsleib und der dicken Eiskruste weiter hinunter. Sie passieren so den Erdmittelpunkt und gelangen auf die andere Seite der Erde.

Dort kommen sie in einem dämmerig-feuchten Höhlengang an, dessen felsige Windungen die Wanderer nun emporsteigen. Auf diesem dunklen Weg begann mein Führer zurückzukehren in die Welt des Lichts. Und ohne je ein wenig auszuruhen, stieg er hinauf und ich gleich hinter ihm, bis durch ein dunkles Loch ich endlich sah die schönen Dinge, die den Himmel zierten. Dann traten wir hinaus und sahen die Sterne wieder.

Mit dieser Verszeile und mit diesem befreienden Blick nach oben auf die Sterne endet der 34. und letzte Gesang des Inferno. Das Wort Inferno ist ein Wort, das wir in der Bibel nicht kennen.

ist durch Dante in alle europäischen Sprachen eingegangen. Es ist nicht nur der Höllenort im christlichen Sinne, sondern alles, was höllisch ist, schrecklich ist, man als Inferno bezeichnet, das ist ein Erbe.

Und im 20. Jahrhundert hat das eine traurige Aktualisierung erfahren durch die totalitären Regime und durch die KZs, Vernichtungslager, Arbeitslager in der Sowjetunion auch.

Aber man kann das selbst in China verfolgen. Da gibt es ein Beispiel bei der kulturellen Revolution von einem verfolgten Autor, für den auch das Inferno zu einer Art Modell wird, um seine eigenen Erfahrungen in dieser Verfolgung einzuordnen. Mich hat sehr fasziniert, dass man in den Dokumenten finden kann aus den KZs, jetzt den deutschen KZs,

dass sowohl die Täter, in den wenigen Fällen, wo die sich in Tagebüchern darüber geäußert haben, als auch die Opfer gleichermaßen auf Dante zugreifen. Und zwar von Anfang an. Und man kann sich überlegen, ob dieses Inferno dazu dient, eine nicht sagbare Erfahrung der Entmenschlichung weiterzuentwickeln.

zu vermitteln, also an Leute, die eben nicht da waren, oder ob es für die Betroffenen selbst eine Möglichkeit war, dem einen Namen zu geben, was sie selbst erleben. Zwei Tage waren Dante und Vergil in der Hölle. Am Karfreitag des Jahres 1300 hatten sie ihre Wanderung durch das Inferno begonnen.

In der Frühe des Ostersonntags kommen sie im Purgatorio an. Genauer kurz vor Sonnenaufgang, am Morgen des 10. April, wie aus dem Stand der Sterne zu erschließen ist. »Dolce color d'oriental zaffiro, che sacco lieva nel sereno aspetto del mezzo, puro insino al primo giro. Agli occhi miei ricomincio di letto, tosto ch'io usci fuor dell'aura morta.

Ein sanftes Blau, wie morgenländischer Saphir ins heitre Bild des Himmels hingegossen, von lichter Höhe bis zum Horizont, beglückte endlich wieder meine Augen, sobald ich aus der Todesluft heraus war, mit mattem Blick und schwerem Atem noch. Venus, das freundliche Gestirn der Liebenden, durchglänzte lächelnd schon den ganzen Osten,

Erleichterung und neu gewonnene Frische klingen aus den Versen des Dichters. Die düsteren Klangfarben des Inferno sind lichten Tönen gewichen.

Die völlige Hoffnungslosigkeit, die in der Hölle herrschte, macht nun im Purgatorio der unerschütterlichen Hoffnung auf Glückseligkeit Platz, die die Seelen, trotz härtester Strafen auch hier, nach ihrer Läuterung im Paradies erwartet. Es ist der erste Gesang, den wir im Purgatorio lesen. Zuvor hatte Dante erneut die Musen um Beistand angerufen.

Die Segel hisst mein Geistesschifflein jetzt zu besserer Fahrt.

und lässt ein wildes Meer, durch das ich es gesteuert habe, zurück. Und singen will ich von dem Zweiten Reiche, wo sich die Menschen geistig reinigen und Himmel anzusteigen würdig werden. Erhebe sich vom Tod jetzt meine Dichtung. Ihr heiligen Musen, helft eurem Sohn. Und du, Calliope, Muse der Dichtung, begleit mein Lied mit hohem Klang. Musik

Die Comedia, eigentlich das ganze Werk von Dande, zeichnet sich durch ein unglaubliches sprachliches Wissen.

können aus. Und bei der Komedia nochmal doppelt, einfach weil alles metrisch ist und weil er dafür die Form der Terzinen gewählt hat. Also es sind nicht nur immer drei Verse und dann kommt die nächste Strophe, sondern es ist ein ganz komplexes Reimschema, dass sich immer drei Reime aufeinander reimen, also A, B, A, B und dann verschränkt es sich mit C.

Das hat zur Folge, dass das Ganze einen richtigen Drive hat, so eine Dynamik nach vorne. Und das zieht sie mit. Das ist ein Text, der erzählt, auch wenn alles in metrischer Form ist.

Das andere ist, dass die Sprache einerseits, wie er das selbst nennt, Dolce sein kann, also sanft, süß, lieblich. Und dann gibt es aber auch Passagen, die er selbst als acerbo, also als herb, als scharf, als missklingend, bewusst nennt.

Also auch das Wort Merda, Scheiße, kommt vor. Und die Sprache vom Vokabular her ist von den höchsten Latinismen bis in die tiefste Vulgärsprache. Also das ist eine Sprache, die hat wirklich die ganze Bandbreite, die möglich ist im Italienischen der damaligen Zeit. Und das hat es so nicht wieder gegeben. Dantes Sprachkraft verleiht nicht allein den drei Kantikel seiner Comedia einen jeweils besonderen Klang.

Der Dichter gibt auch dem Purgatorio, wie schon dem Inferno, eine besondere Gestalt. Keine Feuerhöhle im Inneren der Erde, wie es sich das Mittelalter ausmalte. Dantes Purgatorio ist ein gewaltiger Berg mit sieben ringförmigen Terrassen, die die Seelen auf ihrem Weg ins Paradiso emporzusteigen haben.

Dieser Reinigungs- oder Läuterungsberg liegt auf der anderen Seite der von den Menschen bewohnten nördlichen Erdhälfte, auf der für die geografische Vorstellung der damaligen Zeit nur von Wasser bedeckten südlichen Hemisphäre. Als Lucifer vom Himmel auf die Erde hinunterstürzte, hatte er jenen trichterförmigen Höllenkrater in die Erde gebohrt.

Die Erdmasse, die er dabei verdrängte, trat auf der anderen Erdseite als riesiger Berg aus dem Wasser heraus, an dessen Fuß die Wanderer nach ihrem Aufstieg aus dem Inferno nun stehen. »Wir sahen hier den Fels so schroff sich heben, dass noch so flinke Beine ihn nicht zwängen. Der wildeste und steilste Pfad der ganzen Küste in Ligurien wäre eine Treppe, behaglich gangbar im Vergleich damit.«

Der Weg diesen Berg hinauf, so viel ist jetzt schon klar, wird für die beiden kein behaglicher Spaziergang werden. Nicht lange jedoch verweilen sie bei der Betrachtung des himmelansteigenden Felsens und des himmlischen Gestirns über ihnen. Denn nun gilt es, sich für den Aufstieg bereit zu machen. Als ich von ihrem Anblick mich getrennt, richtete ich mich auf und sprach kein Wort und wandte ganz mich zu dem Führer. Mein Sohn, begann er.

Folge meinen Schritten, wir müssen hier zurück uns wenden, diesem Hange nach, der ebenmäßig sich zum Meere senkt. Vom Morgenstrahl getroffen floh und schwand die Dämmerstunde schon, und in der Ferne erkannte ich den Spiegelglanz der See. So gingen durch das stille Land wir hin, gleich Wanderern, die den rechten Weg gefunden, und denen sinnlos scheint der alte Pfad.

Als wir an eine Stelle kamen, wo der Tau dem Sonnenstrahl noch widerstand und halb im Schatten langsam nur verdampfte, da legt mein Meister seine beiden Hände sacht ausgebreitet auf das feuchte Gras. Und ich verstand, was er im Sinne trug, und hielt ihm hin die tränenfeuchten Wangen. Da wusch er jene Farbe wieder frei, die mir der Höllendunst so ganz verdeckt.

Dann kamen wir zum einsamen Gestade, des Wasser niemals eines Menschen Schiff gesehen, der nachher wieder heimgekehrt. Dort gürtet er mit Binsen mich. Oh Wunder! Wo er einen wählt, der schlichten Binsenhalme, wuchs ein jeder nach, als bald am Orte, wo er ihn ausgerissen. »Venimo poi in sulito deserto, che mai non vide navigar sue acque, homo che di tornarsi a poscia esperto«.

Qui vi mi cinse, si com altrui piacque, o maraviglia! Che quale li scelse, l'umile pianta, cotal si rinacque, subitamente la onda la velse. Ed ecco qual, so appreso dal mattino, per i grossi vapor Marte roseggia, giù nel ponente soffra al sul marino.

Und sieh, wie gegen Morgen hin der Mars durch dichten Nebel rötlich schimmernd steht, gen Westen über der Meeresfläche hin erschien ein Licht mir, und es nahte übers Meer viel schneller sich als jeder Vogelflug. So dann erschien mir rechts und links an ihm ein unbestimmtes Weißes,

Und bald darauf erglänzte drunter noch ein Weiß. Mein Meister hatte noch kein Wort gesprochen, bis aus dem Weiß zwei Flügel wurden. Als er den Fährmann nun erkannte, rief er, schnell, beuge deine Knie. Es naht der Engel Gottes. Von jetzt an siehst du solche Diener. Sieh, wie er jedes Menschenwerk verschmäht. Er will kein Ruder, will kein ander Segel als seine Flügel für die weite Fahrt.

Wie er uns nah und immer näher kam, der Gottesvogel, leuchtete er heller. Mein Aug ertrug den nahen Glanz nicht mehr. Ich senkte es, und jener kam zum Ufer mit einem Schifflein, schlank und leicht beschwingt, das kaum ins Wasser tauchte seinen Kiel. Der hohe Fährmann auf dem Hinterschiff trug Seligkeit an seiner Stirn geschrieben, und um ihn saßen mehr als hundert Geister.

Dann schlug er segnend über sie das Kreuz, worauf sie alle an das Ufer stürzten, und er, so schnell wie er gekommen, abfuhr. Die dagebliebene Schar sah landfremd aus und blickte sich nach allen Seiten um, wie Leute, denen die Umgebung neu ist.

Eine Terra Incognita ist das Purgatorio in der Tat für alle. Für die mit dem Schiff frisch angekommenen Seelen, wie für die Jenseitswanderer Dante und Vergil, die gerade dem Inferno entstiegen sind. »Indes die Seelenschar über das Land hin auseinanderstob, zum Berg der mühevollen Reinigung, hielt ich mich an den trauten Weggenossen. Wie hätte ich gehen können ohne ihn? Wer hätte nach dem Gipfel mich gebracht?«

Lassen wir den Sinnenden eine Weile am Fuß des Läuterungsbergs zurück. Denn eine Terra incognita ist es nicht nur für den Jenseitswanderer Dante, sondern ebenso für den Jenseitsdichter, der den Aufstieg zum Purgatorio nun auch sprachlich zu bewältigen hat.

Neuland ist es gleichfalls für die von ihm gewählte Sprache, das Italienische, seine Muttersprache. Denn Jenseitsbelange wurden zu seiner Zeit hauptsächlich in lateinischer Sprache abgehandelt. Dante schreibt die Comedia in der Volkssprache Vulgare genannt.

Ehrlich gesagt würde ich auch gerne wissen, warum er das getan hat. Er hat sich nicht dazu geäußert, aber er hat immer wieder betont, wie wichtig für ihn dieses Volgare ist. Er hat angefangen, im Volgare zu schreiben und man kann natürlich auch mit einer bösen Zunge behaupten, dass er des Lateinischen nicht so mächtig gewesen wäre, wie er des Volgare mächtig war.

Er beschreibt im Convivio, dass er seine Geburt letztlich dem Volgare verdankt, denn seine Eltern seien in der Sprache des Volgare zusammengekommen. Also es ist ein inniges Verhältnis. Diese meine Volkssprache war die Vermählerin meiner Erzeuger, die sich in dieser Sprache verständigten, so wie das Feuer die Vorbereitung des Eisens für den Schmied ist, der das Messer macht.

wodurch offensichtlich ist, dass die Volkssprache meiner Zeugung beigestanden hat und so eine Ursache meines Seins ist. Weiter hat sie mich in den Weg der Wissenschaft eingeführt, insofern ich durch die Volkssprache in das Latein eintrat. So ist deutlich, dass sie mir gegenüber die größte Wohltäterin gewesen ist.

Mit diesen Worten stimmt Dante in seiner Schrift Convivio, dem Gastmahl, ein Dankeslob auf seine Mutter- und Vatersprache an. Das Werk ist unvollendet geblieben. Es ist gleichfalls während seines Exils entstanden, in den Jahren zwischen 1304 und 1307, und gleichfalls in Volgare, in der Volkssprache, verfasst.

Dante verteidigt darin Bedeutung und Wert dieser Sprache. Selbst oder gerade dann, wenn es um sogenannte hohe Themen geht. Es gibt die Überlegung, dass er es getan hat. Also Boccaccio schreibt das, weil er gesehen hat, dass die Herrscher und die Leute, die er erreichen will, dass die alle nicht mehr gut Latein konnten und folglich musste er wohl Gardisch schreiben.

Aber man sieht schon in den letzten Lebensjahren das Protest von einem Rhetorikprofessor aus Bologna kommt, Giovanni del Virgilio, der ihm sagt, übersetzt das doch bitte alles ins Lateinische und dann kriegst du in Bologna einen Lobbekranz aufgesetzt. Und du kannst doch nicht so große Dinge wie diese Doktrinen des Paradieses vor die Säue werfen, sozusagen im Volgade ausdrücken.

Dante hat sich dagegen verwehrt und hat das immer wieder zurückgewiesen. Dieses Werk ist im Volgade geschrieben und ich glaube auch, dass wenn es nicht im Volgade geschrieben worden wäre, hätte es nicht diese Rezeption gehabt. Dante bewies mit Erfolg, dass man mit ihr jeden erhabenen Gegenstand behandeln könne und machte vor allen anderen unsere gewöhnliche Sprache berühmt. Hebt Giovanni Boccaccio in seinem Traktat das Leben Dantes hervor.

Denn warum sollte man mit Geringschätzung behandeln, worin man aufgewachsen ist? Zwar gleiche die lateinische Sprache einer Sonne, hält Dante im Gastmahl fest, aber sie ist eine Sonne, die nur wenigen Menschen scheint, während das Volgare allen, die in ihr aufgewachsen sind, Licht bringt. Der Dichter schließt das erste Buch seines Convivio mit den geradezu prophetischen Worten

»Diese Sprache wird das neue Licht sein, die neue Sonne. Sie wird dort aufgehen, wo das bisher Gewohnte untergehen wird. Es wird denen Licht geben, die in Finsternis und Dunkelheit sitzen, wegen der bisherigen Sonne, die ihnen nicht leuchtet.« So macht es allen Sinn, dass Dante für seine Comedia diese Sprache wählt. Schließlich will er mit seinem Weltgedicht so viele Menschen wie möglich erreichen.

Und für ihn selbst liegt Volgare ohnehin nahe. Denn in ihr kann er ohne Umweg von seinem persönlichen Erlösungsweg erzählen und seine ureigensten Gefühle, seine Ängste und Hoffnungen, seine Dunkelheiten und Helligkeiten zur Sprache bringen. Und vom ersten bis zum letzten Vers kann in ihr sein Ich zu Wort kommen. Das Ich des Jenseitswanderers sowie das Ich des Dichters.

Dafür wird ihm auch Francesco Petrarca, eine Dichtergeneration später, in einem Brief an seinen Freund Boccaccio die Anerkennung nicht versagen. »Du wirst mir Glauben schenken, wenn ich es beschwöre. Ich bin vom Stil und vom Genium dieses Mannes entzückt.«

Das Einzige, was ich gelegentlich Leuten zur Antwort gegeben habe, die mich eingehender ausgefragt haben, ist das gewesen. Er sei sich selbst nicht immer gleich gewesen. Denn in der Dichtung, in der Volkssprache ist er herrlicher und höher aufgestiegen als im lateinischen Gedicht und in lateinischer Prosa.

Es war schon dann, als die Wünsche, die die Sehnsüchte und das Herz der Sehnsüchte, die Wünsche, die die süßen Freunde zu Gott gesagt haben, und das Neue für den großen Lieben, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche, die Wünsche,

Er kam und legte beide Palmen, schlug die Augen nach Osten, als ob er Gott sagte, nichts anderes, nicht ruhig. Er schlug sie an, ja, mit Freude, und mit so schönen Noten, dass es mir in die Hand ging.

So klingt eine Abendstimmung in der Sprache des Dichters. Auf dem Weg den Läuterungsberg hinauf, nach ihrer anfänglichen Landfremdheit sind die Wanderer bereits ein gutes Stück vorangekommen, hört er, bevor es dunkel wird, wie eine Stimme anhebt zu singen. Schon war die Stunde, da auf hoher See den Schiffer Heimweh fasst und er zurück sich wendet zu dem Tag, da er die lieben Freunde ließ.

Es war die Stunde, da im Pilgerneuling Liebe sich entzündet, wenn er von Weitem hört die Abendglocke, die den sterbenden Tag beweint, als ich nach einer Seele sah, die sich erhoben und stille mit der Hand gebot. Sie faltete und hob die Hände aufwärts, die Augen richtete sie gen Osten, als wollte sie zu Gott sagen, »Nur dich hab ich im Sinn. Te lucis ante, dich vor des Lichtes Untergang«,

kam ihr mit so innig süßen Tönen von den Lippen, dass ich mich darüber ganz vergaß. Musik

Keine Schmerzensschreie der Verdammten wie im Inferno dringen hier im Purgatorio an sein Ohr. Stattdessen ist die Luft erfüllt von freudigen Gesängen und Gebeten der reumütigen Seelen. Die anderen Seelen folgten sanft und fromm, den ganzen Hymnus singend, Vers für Vers, den Blick erhoben zu den oberen Sphären.

Neuland werden Dante und seine Divina Comedia aber noch in ganz anderer Weise betreten. In den folgenden Jahrhunderten bei jeder Übersetzung, die sein Werk in ihre je eigene Landessprache hinüberbringt. Und damit auch hinüberbringt in ihre je eigene Kultur und in ihre je eigene Zeit.

Es gibt, glaube ich, keine schriftliche Sprache, in die Dantes Comedia nicht übersetzt worden wäre. Also es gibt auch eine Fassung im Swahili, es gibt Fassungen im Chinesischen, Japanischen, also große Sprachen, aber auch kleine Sprachen.

Ich meine, es sind über 14.000 Verse und die Reimworte innerhalb der Comedia bilden auch nochmal ein System aus. Also das ist schon eine unglaubliche sprachliche Macht. Und das sind alles Dinge, die sind wahnsinnig schwer zu übersetzen. Also von der Metrik angefangen, aber auch von diesem reichen Vokabular Formulierungen.

Und trotzdem gibt es eben Dutzende von Übersetzungen. Und das muss mit dem Reiz dieses Werkes begründet sein, dass es uns einerseits sehr fremd ist und andererseits Dinge enthält, die uns nahe sind und die uns auffordern, in unsere Zeit, in unsere Sprache übersetzt zu werden. Seit dem 19. Jahrhundert existieren allein in deutscher Sprache mehr als 50 Übersetzungen der Diviner Comedia.

teils in Versform, teils in Prosa. Dazu kommen noch etliche Teilübersetzungen sowie eine nacherzählende Prosa-Fassung des ganzen Werks.

Ich würde zu diesen sprachlichen Übersetzungen noch die Übersetzung ins Bildliche nehmen. Also das ist ein ganz eigener Strang, den man überall hin verfolgen kann, der sprachlich und bildlich abläuft. Und bei den Bildern kann man sogar sehen, den Illustrationen, die seit dem 14. Jahrhundert die Comedia begleiten, dass die nochmal in sich eine Tradition ausbilden.

Und im 19. Jahrhundert wird das dann Gustave Doré sein und ohne den können sie wieder die Comics nicht verstehen. Also die bilden nochmal in sich eine Tradition. Werfen wir wieder einen Blick zurück auf die beiden Jenseitswanderer. Noch befinden sie sich in der schroffen Felsengegend des sogenannten Vorpurgatoriums, das wie die Vorhölle im Inferno vor dem eigentlichen Purgatorio liegt.

Ein großes Tor verschließt seinen Zugang und erst ab da nehmen die verschiedenen Läuterungsstufen ihren Anfang. Sie sind nach den sieben Hauptlastern der Menschen gestaffelt. Dem Stolz, dem Neid, dem Zorn, der Trägheit, dem Geiz, der Gefräßigkeit und der Wollust. Alsbald kommen auch Dante und Vergil zu diesem Tor.

Wir traten näher auf den Eingang zu, und wo zuvor nur eine Bresche mir erschien, ein Spalt, der in der Mauer klafft,

sah ich ein Tor, zu dem drei Stufen stiegen. Davor ein Wächter, der in Schweigen harrte. Er hielt ein nacktes Schwert in seiner Hand, das seine Strahlen so auf uns zurückwarf, dass öfters ich umsonst den Blick hinwandte. »Bleibt stehen und sagt von dort aus, was ihr wollt«, rief er uns an. »Und wer geleitet euch?« »Vom Himmel eine Frau, der all dies wohl bekannt«, antwortet mein Meister.

»Möge sie zum Guten eure Schritte lenken«, begann aufs Neue der freundlich ernste Wächter. »So kommt denn her nach vorn zu unseren Stufen.« Wie recht war's mir, als mich hinauf mein Meister die Stufen zog und sprach, »in dem Mut sollst du jetzt bitten, dass das Torschloss dir sich öffne.« Ich warf mich fromm zu Engels Füßen hin, fleht um Erbarmen, dass das Tor eröffne.

Da schrieb er sieben P auf meine Stirne mit seines Schwertes Spitze, sprach, sieh zu, daß du dich drin von deinen Sünden reinigst. Dann stieß er auf das Tor der heilgen Pforte und sprach, so tretet ein, doch warn ich euch, hinaus muß wieder gehen, wer rückwärts schaut.

Denn ab jetzt muss es ohne Zaudern aufwärts gehen. Der Buchstabe P, der siebenmal auf der Stirn des Wanderers prangt, steht für Pekavi. Ich habe gesündigt. Dantes Stolz, seiner Selbstüberheblichkeit, seinem Jähzorn sind wir bereits begegnet. Auch erinnern wir uns an seinen Schock angesichts der ewigen Höllenpein, womit die sündige Leidenschaft von Francesca da Rimini und Paolo bestraft wurde.

Dante weiß um seine dunklen Flecken. Doch anders als im Inferno, wo die vollzogene und nicht bereute Tat unaufhebbarer Verdammnis anheimfällt, geht es im Purgatorio um sündige Neigung, der gefolgt zu sein, Reue nach sich zog und deshalb gesühnt werden kann. Musik

Siebenmal wird ein Engel mit seinen Flügeln ein P von der Stirn des Wanderers wischen und damit den Aufstieg zur nächsthöheren Stufe freimachen. Musik

Es kam das schöne Wesen auf uns zu, in weiß gekleidet, strahlend das Gesicht, dem flimmernden Gestirn des Morgens gleich. Er tat die Arme, tat die Flügel auf und führte uns zum nächsten Einschnitt in den Felsen.

Dort streift er mit den Flügeln mir die Stirne und hieß mich sicher meines Weges wandern. Und mir kam's vor, als stieg ich sehr viel leichter. Drum wandte ich mich zum Meister. Sag, was ist mir für ein Gewicht genommen worden, dass ich beim Gehen kaum noch Müdigkeit verspüre? Und er...

Wie schon im Inferno steht auch hier Vergil Dante zur Seite.

Er führt seinen Schützling die Läuterungsstufen hinauf, führt ihn vorbei an den Stolzen, die von der Last schwerer Steinplatten auf ihrem Rücken fast zu Boden gedrückt werden. Vorbei an den Neidischen, deren missgünstiger Blick anderen ihr Glück und Gut vergelte, weshalb ihnen das Augenlicht genommen wurde. Und wie zum Blinden keine Sonne dringt, so bleibt den Schatten dieser Büßenden das himmlische Licht versagt.

Weiter geht es durch dunkeldichten Rauch, der den Zornigen alle Sicht nimmt.

so wie blindwütiger Zorn den Geist verdunkelt und das Herz verdüstert. Nicht höllendunkel, noch die Nacht des Himmels, wenn kein Gestirn zu sehen, haben mein Auge je so dicht umschleiert, wie dieser Rauch, der uns umhüllte und rau sich fühlbar machte und so beizend, dass man das Auge nicht offen halten konnte. Daher mein treuer, zuverlässiger Lehrer näher trat und seine Schulter bot. Und wie der Blinde seinem Führer folgt,

So ging ich durch die scharfe, schmutzige Luft. Dann folgt die Hitze eines allen versengenden Feuers, dem die Wollüstigen, die der Glut ihrer sinnlichen Begierden erlagen, so lange standhalten müssen, bis ihre Seelen geläutert sind. Auch im Purgatorio sind die Strafen also nicht zu unterschätzen. Jahrhunderte kann deren Buße dauern. Eine Nichtigkeit dennoch angesichts ewiger Glückseligkeit, die sie am Ende erwartet.

Dante erkennt in all dem seine eigenen Schwächen wieder, deren Makel er Stufe für Stufe tilgt. Doch nicht mehr lange wird der römische Dichter Vergil an seiner Seite sein, denn schon finden wir die beiden ganz oben im Purgatorio angekommen. »Como la scala, tutta sotto noi, fu corsa e fummo in sul grado superno, in me ficco Virgilio li occhi soi, e disse, il temporal fuoco, l'eterno veduto hai, figlio«,

Als unter uns die Treppenstufen alle im Lauf entwichen und wir oben auf der letzten standen, blickt Vergil mich an und sprach, »Mein Sohn, hier stehst du jetzt, und hier ist meine Wissenschaft am Ende. Bedacht und eifrig brachte ich dich herauf, nun überlasse ich dich dem Trieb des Herzens.«

Die steilen Pfade liegen hinter dir. Sieh dort, die Sonne leuchtet dir ins Antlitz. Und wiesen dort und Blumen und Gehölz, was alles Reich die Erde schenkt. Im Grünen sitzend oder wandelnd, harrst du der Frau mit ihren frohen, schönen Augen, die weinend mich zu dir gerufen hat. Erwarte Leere nicht, noch wink von mir, denn frei, gesund und aufrecht ist dein Wille.

Und Irrtum wäre es, jetzt ihn noch zu zügeln. Du sei dein eigener Kaiser und dein Papst. Der Abschied ist also nah. Aber noch ist Vergil an seiner Seite, als sie nun das höchste Plateau erreicht haben. Es ist das irdische Paradies, das Dante auf die Spitze des Purgatorio verlegt.

Süße Lüfte, duftende Blumen, lieblicher Vogelgesang, ein klarer Wasserlauf. All dies genießt der Staunende hier. Auch sieht er eine wunderschöne junge Frau, singend und blumenpflückend entlang des Baches wandeln. Sie erklärt dem Wanderer, »Die Dichter, die im Altertum besangen die goldene Zeit und deren reines Glück, sie scharten vom Parnass hierher in Träumen.«

Hier war des Menschen Ursprung ohne Schuld und ewger Frühling ist und immer Ernte und Nektar dieses vielgelobte Nass. Also es hat sonst niemand so gedacht. Da nimmt er den Garten Eden. Das heißt, wenn man das ganze Purgatorium durchlaufen hat und sich geläutert hat, landet man dort, wo die Menschen seit Adam und Eva rausgeworfen worden sind.

Also es ist Dante, der dem Purgatorium seine plastische Gestalt gibt und diese Idee hat, dass man über die Läuterung der eigenen Seele gewissermaßen wieder ins irdische Paradies kann. Und dieses irdische Paradies hat er dann gleichgesetzt mit den antiken Vorstellungen vom goldenen Zeitalter. Und da sagt diese wunderbare Figur der Matelda, die ihm da in diesem irdischen Paradies als Erste entgegenkommt und Blumen sammelt,

sagt ihm, ja, die alten Dichter haben das geahnt. Also da wird Christentum und Antike noch mal gebündelt, bevor dann Vergil entlassen wird und man sich dann dem Höheren zuwendet. Denn jetzt ist es soweit. Noch halb verborgen unter einem weißen Schleier tritt ihm nun jene beseligende Frau, tritt ihm seine früh verlorene Liebe, tritt ihm Beatrice entgegen. Musik

»War doch mein Lebensgeist so lange schon nicht mehr von ihrer Gegenwart erfasst, nicht staunend mehr von ihr erschüttert worden. Doch ohne dass er sehend sie erkannte, nur durch verborgene Kraft, die von ihr ausging, verspürt er alter Liebe Allgewalt.«

»Sobald bei ihrem Anblick mich ergriff die hohe Kraft, die schon mich ganz durchdrungen, bevor ich noch der Kindheit war, entwachsen, wandte ich mich um, voll scheu nach meiner Linken, so wie das Kindlein zu der Mutter läuft, wenn es sich fürchtet oder Kummer hat, um zu Vergil zu sagen, kein Tropfen Blut ist mir geblieben, der nicht bebt. Das sind, ich kenne sie, des alten Fiebers Zeichen. Vergilius aber hatte uns verlassen.«

Vergil, mein Vater, nicht mehr da. Vergil, dem ich zur Rettung mich doch anvertraut. Da half auch nicht das Paradies, um mir vor bitteren Tränen die taugewaschenen Wangen zu bewahren. Du sollst nicht weinen, Dante, weil Vergil hinweggegangen ist.

Hört er Beatrice schließlich sagen. Es ist das erste und das einzige Mal, dass in der ganzen Comedia sein Name fällt. Er soll nicht weinen, soll lieber seinen Blick auf sie, die eigens für ihn herabgekommenen, richten. Schau mich nur an. Ich bin es wirklich. Bin wirklich Beatrice.

Dante macht aus ihr eine großartige Gestalt. Sie wird gemeinhin als eine Personifikation der Theologie betrachtet.

Aber sie ist eben mehr als eine Personifikation. Sie bleibt Beatrice, die Florentinerin, die aber jetzt mit diesen unglaublichen Heilsvorstellungen verbunden ist und Dante alles im Paradies erklärt, was er wissen will und was gut zu wissen ist. Und bis zur Gottesvision geleitet sie ihn dann. Nun wird es Zeit für die letzte Etappe seiner Reise.

Am frühen Morgen des Ostersonntags waren er und Vergil am Läuterungsberg angekommen. Vier Tage brauchten sie für den Aufstieg und den Aufenthalt im irdischen Paradies. Am Donnerstag in der Osterwoche geht es für ihn und Beatrice empor ins himmlische Paradies. Rein und bereit zum Aufstieg in die Sterne. Rein und bereit ist er auch als Dichter.

Rein und bereit für den letzten und schwierigsten Teil seiner Comedia. Zuvor jedoch warnt Dante seine Leser. »Die ihr bisher in eurem kleinen Nachen, um zuzuhören, hinter meinem Schiff, das singend weiterzieht, einhergefahren, kehrt um zu euren heimatlichen Ufern. Begebt euch nicht aufs hohe Meer. Mag sein, ihr könntet euch, verliert ihr mich, verirren.«

Ich nehme einen nie befahrenen Kurs. Minerva schenkt den Wind, Apollo lenkt die Fahrt. Neun Musen weisen mir des Nordpols Sterne. Ihr anderen wenigen, die ihr bei Zeiten das Haupt erhobt zu jener Engelsspeise, wohl könnt aufs hohe Meer hinaus ihr lenken, euer Boot, wenn meiner Spur ihr folgt, bevor das Wasser wiederum sie glättet.«

Man spricht da von dem Romanso Theologico, also dem theologischen Roman, der da überhand nimmt. Das interessiert natürlich nicht den normalen Leser. Dante hat das selbst gesagt, dass die, die nicht theologisch bewandert sind, sollten jetzt lieber am Ufer bleiben und diesen letzten Weg nicht mitgehen.

Während Dante die anderen Jenseitsreiche durchwandert hat mit seinen Füßen, gelegentlich wird er auch mal hochgetragen, aber hier wird er gebeamt, würde ich sagen. Also er schaut auf Beatrice, ihre Augen, und dann merkt er gar nicht, dass er auf den nächsten Planeten hochkatapultiert wird. Beatrice blickt nach oben, ich auf sie, und dann ist es so,

Und in der Zeit nur, die ein Bolzen braucht, der einschlägt, fliegt und sich vom Boden löst, sah ich mich an einem Ort, wo Wunderbares mein Auge auf sich zog, worauf denn sie, der meine Regung nicht entgehen konnte, zu mir gewandt, so freudvoll wie schön sprach, »Hebe dankbar deinen Sinn zu Gott, der mit dem ersten Stern uns hat verbunden.«

Mir war's, als hüllt uns eine Wolke ein, hell, dicht und fest geballt und rein wie Diamant, vom Sonnenlicht bestrahlt. In ihrem Innern nahm die ewige Perle uns auf, so wie das Wasser aufnimmt den Strahl des Lichts und bleibt doch ungeteilt.

Er nimmt die Planeten, wobei nach der damaligen Vorstellung auch die Sonne ein Planet war, die die Erde umkreisen. Und die geht er langsam hoch und er sieht fast eigentlich niemand mehr außer Beatrice.

Er sieht Lichter der unterschiedlichsten Art. Und da sind Glaubensritter, Kreuzzugsritter oder es sind also die Leute, die für den Glauben gekämpft haben. Oder es sind kontemplative Seelen oder es sind Weisheitslehrer. Man könnte ja jetzt annehmen, dass das Paradies jetzt wiederum so eine Hierarchie ist von leicht zu schwer bzw. von schwer zu leicht.

Es wird eigens gesagt, jeder Ort ist Paradies. Also er muss ausschließen, dass es unter den Seelen eine Hierarchie gibt. Sie haben unterschiedliche Arten Gott, dieses Licht zu sehen, aber jede ist mit der Art vollkommen zufrieden und glücklich. Insofern kommt kein Wettbewerb und kein Neid im Paradies auf. Neun Himmelssphären sind es insgesamt, die Dante mit Hilfe der erleuchteten Beatrice hochgebeamt wird.

Die Sphären von Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn, der Fixsternhimmel und die Kristallsphäre, die als äußerste Sphäre alle Sphären mitsamt der Erde umschließt. Den zehnten Himmel bildet das Empyreum, die wandellose, ewige Sphäre Gottes und der Seligen. Diese Himmelssphären schweben sie nacheinander hinauf. Musik

Lichter und Lichter wird es um ihn, je höher sie aufsteigen. Lichter und Lichter wird auch sein Blick. Er leuchtet da sein Geist mit jeder Sphäre, die er vom Blickstrahl und vom Liebeslächeln Beatricis geleitet erreicht. Schließlich gelangen sie ins Empyreum, in den zehnten und letzten Himmel. Dort erklärt Beatrice ihrem Schützling, Wir sind nun übergegangen zu dem Himmel aus reinem Licht, geistigem Licht, voll von Liebe und Liebe.

Liebe zum wahren Guten, voll von Freude, Freude, die jede Wonne übersteigt. Eine weitere Steigung hinauf und eine weitere Steigerung in seinem Verlangen, sich dem Göttlichen zu nähern, gibt es nicht. Beatrices Mission ist beendet.

Sie kehrt zu ihrem Sitz im Empyreum zurück. Doch diesmal empfindet Dante keinen Schmerz, wie beim Abschied von Vergil. Ihn erfüllen Freude und Dankbarkeit gegenüber seiner Retterin Beatrice. Als sie, die Beseligende, ihren Sitz bei den anderen Seligen wieder eingenommen hat, richtet er an sie die Worte »O Donna, in cui la mia speranza vige, e che soffristi per la mia salute in Inferno lasciar le tue vestige«

Die Tante Cose, quant io ho vedute, dal tuo Podere e dalla tua Bontate, riconosco la Grazia e la Virtute. Herrin, auf die sich meine Hoffnung stützt, die du für meine Rettung dich nicht scheutest, der Hölle deine Fußspur einzuprägen, von allem, was ich habe sehen dürfen, verdanke ich deiner Macht und deiner Güte, was mir an Kraft und Gnade daraus zuwuchs.

»Du hast mich aus der Knechtschaft in die Freiheit auf allen Wegen und mit allen Mitteln gebracht, die du dazu verwenden konntest. Bewache, was du Großes schufst in mir, dass meine Seele, heil durch dich geworden, dir wohlgefällig sich vom Körper löse.« So flehte ich, und sie, sofern sie schien, schaute mich an und lächelte.

Und ganz am Schluss, da übergibt Beatrice ihm den heiligen Bernhard von Clairvaux und der richtet dann ein Gebet an die Jungfrau Maria, dass ihm eine Gottesvision eröffnet wird und dass bei dieser Vision seine Sinne nicht zerstört werden. Also bei zu viel Licht könnte ja der Sehnerv kaputt gehen, das wird eigens dazu gesagt worden.

Und was er dann am Schluss sieht, sind sozusagen Lichter, Kreise, drei Ringe, wieder die Trinität und am Schluss bildet sich eben ein menschliches Anblitz. Also die Ebenbildlichkeit spielt eine Rolle, bevor er dann rauskippt und sozusagen wieder im Kreisen drin ist und damit hört die Komedia auf.

Im tiefen und klaren Wesen des hohen Lichts erschienen mir drei Kreise, an Farbe dreifach, doch von einem Umfang. Du, ewig Licht, ruhst in dir selbst allein, verstehst, erkennst dich, bist erkannt, verstanden in dir und lächelst dir in Liebe zu. Nella profonda e chiara sussistenza.

Der Kreis, der wie zurückgestrahltes Licht in dir sich zeigte, schien mir in seinem Innern bemalt mit unserem eigenen Ebenbild. Drum ruhte einzig nur auf ihm mein Auge.

Ich wollte sehen, wie dieses Bild zum Kreise passt und wie es sich ihm einfügt. Doch dazu reichten meine Flügel nicht, bis plötzlich mir der Geist getroffen wurde von einem Blitzstrahl, der dem Sehen half. Hier aber schwand dem hohen Flug des Schauens alle Kraft. Doch wie ein Rad, das sich im Gleichmaß dreht, bewegte nun den Wunsch und Willen mir die Liebe, die die Sonne führt und die anderen Sterne.

Mit diesem Lobpreis auf die alles bewegende göttliche Liebe klingt Dantes Comedia aus. Und so wie die letzte Verszeile des Inferno und des Purgatorio, endet auch der 33. Gesang des Paradiso mit dem Wort »Stelle«.

Kurz, wenige Stunden nur, währt sein Aufenthalt im Paradies. Dann kehrt der Jenseitswanderer ins Diesseits auf die Erde zurück. Dort erwartet den Dichter nun die große Aufgabe, sein Weltgedicht zu schreiben. Man nimmt an, dass Dante um das Jahr 1315 mit dem Paradiso, dem dritten Teil seiner Comedia, beginnt und diesen kurz vor seinem Tod abschließt.

Rund 15 Jahre hat es insgesamt gebraucht, bis die Comedia mit ihren drei Kantike in der endgültigen Fassung vorliegt.

15 Jahre für sein Jahrtausendwerk, das tatsächlich seinen Gang durch die Zeiten, Epochen und Kulturen angetreten hat. Rezipiert von seinen Lesern wurde vor allem das Inferno, das Purgatorio und mehr noch das Paradiso gelten nicht zuletzt für die modernen Leser als schwer zugänglich. Inferno ist in der Tat der Teil, der am meisten gelesen worden ist und manchmal ist auch nur das übersetzt worden und der Rest fällt weg.

Das Purgatorium ist eine sehr viel abstraktere Sache. Da gibt es ganz tolle Stellen natürlich drin und natürlich auch Begegnungen, wo Dante sich unterhält.

Aber in dem Sinne nimmt er sich nicht die Freiheit so vollkommen wie im Inferno. Das Paradies kommt auch nicht vor. Wobei man sagen muss, es gibt jetzt in der modernen Kunst so Lichtinstallationen, wo man versucht, das Paradies nachzustellen. Und es gibt diese Ausstellung über Afrika von afrikanischen Gegenwartskünstlern,

die auch gerade sich für das Paradies interessiert haben. Also vielleicht ändert sich da jetzt was dran. Franziska Mayer. Ich fand es sehr interessant, dass eben in dieser Ausstellung, die von afrikanischen Gegenwartskünstlern gemacht worden ist, da sollte man nun denken, da wird das Inferno genommen, um dann alle möglichen Missstände anzuklagen. Nein, sie interessieren sich genau für dieses Paradiso und

Und sie interessieren sich für die Vorstellung, dass sie ihre eigenen Leute im Paradies platzieren können. Dante hat nichts anderes gemacht. Das sind nicht die üblichen Heiligen, die man sonst so aus der christlichen Tradition kennt, die da oben sind, sondern seine Leute sozusagen, wen er interessant fand.

Schließlich hat Dante sich nicht gescheut, jener jungen, früh verstorbenen Florentinerin, seiner geliebten Beatrice, einen prominenten Platz in seinem Paradiso einzuräumen. Ganz oben im Empyreum, in der Himmelsrose, dem Sitz der Seligen.

Es ist eine Art Amphitheater aus reinem Licht mit mehr als tausend Stufen, auf denen die Seligen, Männer und Frauen aus allen Zeiten, in gleißendes Weiß gehüllt, zu ewiger Gottesschau versammelt sind. Musik

So sah ich ringsumher das Licht in mehr als tausend Stufen sich spiegelnd, sie alle, die von uns zurückgekehrt nach droben. Ich führt die Augen über all die Stufen, bald auf, bald ab und rings im Kreis herum. Sie soprastando all'lume intorno, intorno, vidi specchiarsi in più di mille solie,

Gesichter sah ich, die von Liebe zeugten, verklärt von höhem Licht und eigenem Lächeln. Und Würde zierte jegliche Gestalt. Wo ist sie? sprach ich rasch.

Blickst du hinauf zum dritten Kreise des höchsten Rangs, wirst du sie wiedersehen. Hoch oben auf dem Thron, den die Verdienste ihr bestimmt. Ohn Antwort hob ich meine Augen auf und sah sie, die einen Kranz sich schuf aus Strahlen ewigen Lichts. Kein sterblich Auge ist so weit entfernt, selbst wenn es sich ins tiefste Meer versenkte, wie mein Auge entfernt von Beatrice war. Mich stört es nicht.

Ihr Bild floss unberührt von trüben Mitteln rein zu mir herab. Musik

Dann würde ich noch einen Punkt hinzunehmen, das ist das Exil Dantes und diese Figur eines vogelfreien Menschen, großen Dichters, der vom Rande her ein großes Werk sozusagen über die ganze damalige Welt schreibt und sich damit ins Zentrum einer Kultur katapultiert.

Und das hat für viele, man kann das jetzt seit 80 Jahren verfolgen in der Postcolonial-Literatur, wird das immer wieder, sei es nun für Afroamerikaner oder auch für jemand wie Derek Walcott oder auch in Afrika, dann

Das ist sozusagen ein Modell, mit dem Dichter von Ländern, die sich zum Rande der Welt zählen, leider immer noch zählen, ein Modell finden, um sich ins Zentrum vom Westen dominierter Kultur zu schreiben. Und das ist etwas, was ihn dann eben auch plötzlich für Schwarze im Ghetto in Amerika interessant macht. Also man begegnet ihm in diesen Adaptionen in den unwahrscheinlichsten Plätzen wieder.

Was Exil und Randexistenz bedeuten, was es heißt, ein ungesichertes, vogelfreies Leben zu führen, hat Dante, verstoßen aus seiner Heimatstadt Florenz, 20 lange Jahre bis zur Neige erfahren müssen. Hat erleben müssen, wie das Brot der Fremde so salzig schmeckt, wie es der Dichter selbst in Worte gefasst hat.

In seinem Traktat »Das Leben Dantes« richtet Giovanni Boccaccio eine heftige Anklage gegen Dantes Heimatstadt Florenz. »O undankbares Vaterland, welcher Wahnsinn, welch ein Unverstand besaß dich, als du deinen teuersten Bürger, deinen vornehmsten Wohltäter, deinen einzigen Dichter mit unerhörter Grausamkeit fliehen hießest.«

Nach Jahren wechselnder Aufenthalte in Italien und wechselnder Abhängigkeiten vom Wohlwollen anderer finden wir den über 50-jährigen Dante zuletzt in Ravenna. Es war zu jener Zeit Guido da Polenta der Herr von Ravenna, der berühmten und alten Stadt der Romagna.

Wie es nun zu seinen Ohren gekommen war, dass Dante jeder Hoffnung war, sich in der Romania befände und in verzweifeltem Zustand, beschloss er, ihn aufzunehmen und ihm Ehre zu erweisen. Seit etwa 1319 hält sich der Dichter dort bei dem Fürsten auf, vielleicht als dessen Sekretär oder als Lehrer für Poetik und Rhetorik. Man weiß es nicht genau.

Im Spätsommer 1321 reist Dante als Gesandter Guido da Polentas nach Venedig. Auf dem Rückweg erkrankt er und stirbt am 14. September 1321 in Ravenna. Dort findet der Dichter auch seine letzte Ruhe statt. Bis heute liegt er in Ravenna begraben. Mitten in seinem 56. Lebensjahr erkrankte er.

Und nachdem er dem christlichen Glauben gemäß in Demut und Andacht die Sakramente empfangen, übergab er seinem Schöpfer den vielgeplagten Geist, von welchem ich nicht zweifle, dass er empfangen ward in den Armen seiner edlen Beatrice, mit der er im Angesicht dessen, der das höchste Gut ist, jetzt freudig lebt.

Gönnen wir seinem Geist diese himmlische Freude. Und gönnen wir uns die irdische Freude an seiner Diviner Comedia, die erschreckend beginnt und beglückend endet. Ja, es wäre ein persönlicher Herzenswunsch, dass dieses Werk weiter wirkt, weiter uns anregt.

Ich mache mir jetzt keine Illusion, dass das Dante ja dazu führen wird, dass alle diese Diviner Comedia kaufen und da einen Blick reinwerfen. Aber es zeugt von einer anderen Zeit, es zeugt von einem ganz großartigen, genialen Gedanken. Und an dem kann man sich meines Erachtens aufrichten. Überlassen wir das letzte Wort dem Dichter.

Wissend um die Schwere seiner Aufgabe, die ihm bevorsteht, hatte er zu Beginn seiner Diviner Comedia die Musen mit den Worten angerufen. »Es neigte sich der Tag, die Dämmerung brach ein, sie nahm den Wesen, die auf Erden leben, all ihre Mühsal ab, und ich allein macht mich bereit, das Ringen zu bestehen des schweren Wegs. O Musen, hohe Geisteskräfte, helft mir!«

Und du, Erinnerung, die aufschrieb, was ich sah, jetzt zeige deinen Adel. O Muse, o alto Ingenio, or ma aiutate, o mente che scrivesti, ciocchi o vidi, qui si parra la tua nobilitate. O Mose, o alto Ingenio, or ma aiutate, o mente che scrivesti, ciocchi o vidi, qui si parra la tua nobilitate.

Vom Inferno zum Paradies. Eine lange Nacht über Dante und die göttliche Komödie von Astrid Nettling. Es sprachen Marc-Oliver Bögl, Vittorio Alfieri, Walter Gontermann und Edda Fischer. Ton und Technik Hendrik Manuk und Wolfgang Rixius. Regie Burkhard Reinharz. Redaktion Monika Künzel.

Nächste Woche erwartet Sie an dieser Stelle eine lange Nacht über eine erstaunliche Konstante des menschlichen Lebens, über alle Zeiten und über alle Erdteile hinweg, über den Gesang. Singen macht glücklich, so ist unsere lange Nacht überzeugt. Seien Sie gespannt.

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