Deutschlandfunk, Büchermarkt. Ein vierjähriges Kind stellt im Durchschnitt etwa 400 Fragen am Tag. Da sind viele banale dabei, aber auch viele tiefgehende, bei denen selbst die Bezugspersonen ins Nachdenken geraten.
Der Comic-Künstler Charles Berberien, 1959 geboren in Bagdad, ist vor allem für die in Zusammenarbeit mit Philippe Dupuy entstandene Reihe Monsieur Jean bekannt. Allein in Frankreich haben sich davon über 120 Alben verkauft. Darin bewegt sich der mit 30er Monsieur Jean durch seinen chaotischen Alltag zwischen Freiheitsdrang und Elternschaft.
Nun hat Berberien ein Bilderbuch veröffentlicht. Großwerden heißt es. Im Zentrum steht ein beinahe beiläufiges und dennoch verbindendes Gespräch zwischen einem fragenden Kind und einer geduldigen Mutter. Sigi Seuss hat sich das Buch angesehen. Was für ein schöner Tag. Ich bin so froh, heute mit dir hier zu sein. Eine junge, elegant, lässig gekleidete Mutter und ihr neugieriger Kleidersohn wandern durch einen betörend frühlingsfrischen Wald.
Sie trägt einen Strohhut und der Junge eine Baseballkappe. Mit einem abgebrochenen Ast in der Hand wirkt er wie ein wackerer Ritter, jederzeit bereit, sich und seine Mama gegen alle möglichen Waldgeister zu verteidigen.
Und so ganz nebenbei kommen die beiden ins Gespräch. Mama, heiraten Bäume eigentlich auch und bekommen Kinder, die dann groß werden? So ähnlich. Also ja oder nein? Ja und nein. Die kleinen Bäume kommen von den großen Bäumen, aber nicht so wie bei uns Menschen. Der französische Comic-Künstler Charles Berberion zeichnet mit kräftigen und zarten Aquarellfarben einen mächtigen Wald mit uralten Bäumen.
Selbst das Flirren des Sonnenlichts zwischen den Stämmen, im Wechsel von hell und dunkel, glaubt man vor den Augen zu sehen. Mitten in diese zauberhafte Welt des Waldes setzt der Illustrator Mutter und Kind. Zwei flott schwarz-weiß gezeichnete Comicfiguren. Beide werden von einem langschneuzigen Hündchen begleitet, das eifrig seinen eigenen Plan verfolgt. Die natürlich vergebliche Jagd nach einem kleinen roten Vogel.
Die Mutter trägt ein Bündel mit einem Baumsetzling, den sie an einer lichten Stelle pflanzen möchte. Und warum pflanzt du einen Baum?
Weil ich Opa versprochen habe, einen Baum für ihn zu pflanzen, wenn er einmal nicht mehr da ist. Die naturfarbenfrohe Waldatmosphäre korrespondiert auf den meisten der jeweils gegenüberliegenden Seiten mit Schwarz-Weiß-Illustrationen des Geschehens, mit Szenen, die das Augenmerk des Betrachtenden eher auf den Dialog von Mutter und Sohn richten.
Daraus entsteht ein zauberhaftes Wechselspiel von Worten und Bildern, hinter dem weit mehr aufleuchtet als das simple Ereignis eines Spaziergangs durch die Natur. Jedes Bild scheint von der Einzigartigkeit des Augenblicks zu leben und gleichzeitig von den Kräften, die im Verborgenen wirken, vom Stetenwerden und Vergehen, vom Fluss des Lebens und der Zeit.
Der Künstler vermittelt dabei das Geschehen aus dem Blickwinkel eines spielerisch fragenden Kindes, das gleichermaßen neugierig und fasziniert die großen Geheimnisse der Natur bestaunt. Die Mutter hat dem Kleinen erklärt, wie die Bäume zu ihren Kindern kommen, wie ein winziger Spross zu einem Baum heranwächst. Das Opa-Bäumchen ist gepflanzt, die Sorgen des Sohnes sind fast zerstreut, bis auf die Frage, ob sich das Bäumchen nicht verlassen fühlt.
Im Wald ist ein Baum niemals allein. Um ihn herum wachsen ja überall andere Bäume. Ach so, der Wald ist wie seine Familie. Schon legt sich die Abenddämmerung über den Wald. Berberillon malt sie wie einen Teppich aus ineinanderfließenden Farben über die Landschaft.
Von den letzten orange schimmernden Lichtflecken über matte Grüntöne und rosarote Himmelstreifen am Horizont bis hin zum Nachtblau, das sich langsam über Bäumen, Gräsern und Büschen ausbreitet. Bleibt für den kleinen Jungen nur noch eins zu sagen. Mama, ich hab jetzt Hunger. Sigi Seuss hat das Bilderbuch Großwerden vorgestellt. Von Charles Berberian. Aus dem Französischen von Anja Kurz. Aladin Verlag, ab 4.