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Berliner und anderes Liebeslieben

2025/5/31
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Was liest du gerade?

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
A
Adam Soboczinski
I
Iris Radisch
Topics
Adam Soboczinski: 我认为共产主义者对文学的重视源于他们对作品和真理的无限崇拜,这几乎是一种宗教式的热情。虽然这种热情可能导致他们将文学视为社会结构的反映,而忽略其审美价值,但不可否认的是,共产主义确实赋予了文学一种特殊的地位。 Iris Radisch: 我认为共产主义者对文学的重视,部分源于在共产主义国家,文学经常扮演着反公众的角色,即使它受到国家的限制。然而,两德统一后,许多东德作家感到失落,因为他们不再那么重要。在西方,作家更自由,但影响力更小。总的来说,共产主义与文学的关系是复杂而多面的,既有崇拜,也有利用,既有自由,也有限制。

Deep Dive

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Was liest du gerade? Ein Podcast über Bücher und was sie über die Welt erzählen. Herzlich willkommen zu unserem neuen Podcast Was liest du gerade? Den Bücher-Podcast der Zeit. Ich bin Adam Soboczinski und ich spreche hier über Neuerscheinungen und einen Klassiker zusammen mit Iris Radisch. Ja, hallo. Ich begrüße unsere Zuhörer und Zuhörerinnen auch sehr herzlich. Wir fangen an wie immer.

mit unserem Zitat des Monats und wir sagen wie immer zunächst mal nicht, von wem es kommt. Der erste Satz. Kommunisten sind die einzigen Menschen auf der Welt, denen Literatur wichtig ist. Ja Adam, also Kommunisten sind die einzigen Menschen auf der Welt, denen Literatur wichtig ist. Da will man natürlich hier als

als begeisterter Literaturmensch sofort widersprechen. Aber ist da überhaupt irgendwas dran an dem Zitat? Kannst du dem irgendwas abgewinnen? Naja, du hast es rausgesucht. Ich wunderte mich natürlich schon ein bisschen über dieses Zitat. So wie alle starken Sätze haben ja immer irgendwie, wie stimmen die immer und das Gegenteil auch. Aber was daran stimmt, ist natürlich bei Kommunisten diese Manie des Lesens, die es gegeben hat, vor allen Dingen auch.

In sehr linken Kreisen ist das immer natürlich harte Lektüre, Zirkel gewesen. Allerdings nicht nur Literatur, würde man sagen, sondern natürlich auch Philosophie, geschichtsphilosophische Werke, natürlich die großen Klassiker. Aber natürlich so etwas wie die, natürlich gibt es im Kommunismus eine unendliche Verehrung des Werks und des Wahrheitsanspruchs.

Anspruchs der Schrift, fast schon quasi religiöse. Fast religiös, genau. Und insofern gibt es ein emphatisches Lesen natürlich bei Kommunisten. Ob es jetzt ausgerechnet die Literatur ist, das glaube ich nicht.

Das glaube ich aus einem ganz bestimmten Grund nicht, weil Literatur von Kommunisten häufig, nicht von allen Kommunisten, aber von recht vielen Kommunisten gelesen wird lediglich als Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen, als Abbild irgendeiner Form von Geschichtsphilosophie oder Soziologie.

Das gibt es schon, aber einen Sinn für Ästhetisches beispielsweise oder für die Schönheit eines Satzes, das interessiert natürlich echte Kommunisten nur ganz am Rande. Natürlich interessiert Kommunisten dann eher so etwas wie ein geschichtlicher Prozess, also Dramen bei Heiner Müller können natürlich auch eine poetische Kraft haben. Das können sie schon haben, aber letztlich geht es nicht darum. Hi, ich bin Holger Stark und in der Zeit für investigative Recherche zuständig.

Ich war als einer von ganz wenigen deutschen Journalisten im Gazastreifen und habe dort mit eigenen Augen gesehen, wo die Hamas die Leiche einer israelischen Geisel versteckt hatte. Zusammen mit Kollegen habe ich aufgedeckt, wer hinter dem Anschlag auf Nord Stream steckt. Und Kolleginnen und Kollegen aus meinem Team recherchieren seit Jahren zu Neonazis, Reichsbürgern und der AfD. Investigativer Journalismus kostet Mut, Zeit und Geld.

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Ja, es geht immer um Geschichtsbilder natürlich auch und auch um Ideale. Also nicht nur um die Abbildung von irgendwelchen soziologischen Befunden, sondern sicherlich auch um die ideale Gesellschaft, um den idealen Menschen, um den sozialistischen Menschen. Aber ich glaube, dass nach der Wende bei vielen DDR-Schriftstellern vor allen Dingen, die waren natürlich froh, die waren befreit, das ist keine Frage, aber die hatten auch Verlusterfahrung, weil sie plötzlich merkten, sie sind ja gar nicht mehr so wichtig.

Es rufen keine Staatsmänner mehr an, sie werden nicht mehr so ernst genommen und vielleicht sagen sie, ja Gott, machen wir jetzt eigentlich nur noch, sind wir in der Nische, machen wir nur noch bessere Unterhaltung, zählen wir gar nicht mehr. Also dass Literatur genauso viel zählt wie Politik oder eigentlich...

vielleicht natürlich nicht vergleichbar ist, aber in der Rangordnung ungefähr gleich hoch angesiedelt ist in einer Gesellschaft, das war natürlich sicherlich in den kommunistischen Ländern stärker

Vielleicht so ein bisschen im Abglanz davon auch durchaus in Deutschland, in der Bonner Republik, wenn ich denke an die alten, an die Gruppe 47, dass auch da durchaus in abgeschwächter Form das Bewusstsein schon noch da war, dass man eine echte Alternative zur offiziellen Politik ist, dass man eine Kraft ist, eine wichtige gesellschaftliche Kraft ist.

Das ist wahrscheinlich heute ein bisschen anders. Das stimmt, aber das ist ja durch den Satz nicht gedeckt. Denn die Literatur spielte ja auch in der DDR sehr häufig die Funktion der Gegenöffentlichkeit, könnte man fast schon sagen, obwohl sie staatlich eingehegt gewesen ist. Aber die Bücher wurden daraufhin abgelesen, ja auch ob

nicht irgendetwas Kleines, Dissidentisches vielleicht drin war. Und es war ja ein ständiges Ringen natürlich. Und der Zensor, wo man jeden Satz, wo jeder Satz auf die Waage kam. Ein Heiligtum. Es gibt ein ganz hübsches, kleines, etwas kompliziertes, aber grandioses Buch von

Einem Kulturwissenschaftler, der heißt Boris Greuss, das heißt das kommunistische Postscriptum und der beschreibt das eigentlich sehr, sehr genau, was passiert ist 1989 oder bei vielen, die dann in den Westen gegangen sind.

Da stellten natürlich viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller fest, dass eine Minimalabweichung im Osten der Doktrin sofort für einen Riesenwirbel sorgte. Das heißt, man war sofort eine Staatsaffäre in der DDR. Man hatte eine ungeheure Bedeutung natürlich als Schriftsteller.

Im Westen ist es so, da konnte man natürlich mit jedem Buch auf die Regierung einschlagen, die Gesellschaft kritisieren, die Politik kritisieren und bekam noch von denen, die man kritisiert hat, noch einen Preis. Verliehen. Das heißt, man war harmloser und Bücher waren nicht mehr in erster Linie eine Staatsaffäre, sondern sie waren eine Ware, die sich behaupten mussten auf dem Markt. Und das ist natürlich etwas vollkommen anderes. Das heißt, man war frei.

Aber weniger bedeutend. Ganz genau. Ich glaube, das ist jetzt ein schöner Punkt, wo ich sagen kann, woher dieses Zitat kommt. Natürlich wie immer aus einem ganz aktuellen Roman, der gerade erst erschienen ist, nämlich Sister Europe heißt der. Und der ist von der amerikanischen Autorin Nell Sink. Nell Sink ist eine Autorin, die eigentlich lange in Deutschland lebt und auch gar nicht weit von Berlin in Bad Belzig und Deutschland.

Die hat nun in der Tat auch wirklich mit Sister Europe eine Comedy fast geschrieben oder eine Berlin-Satire geschrieben.

Das ist unendlich satirisch und beschreibt eine Nacht in Berlin ausgehend von einer Preisverleihung. Da sprachen wir gerade von. Es geht um die Verleihung eines Literaturpreises an einen arabischsprachigen Dichter. Und das wird alles durch den Kakao gezogen, wie korrupt, wie langweilig, wie öde dieser Berliner Literaturbetrieb ist.

wie er von irgendwelchen arabischen Prinzen finanziert wird, die mit Privatflugzeugen hier eindüsen und diesen Betrieb mit ihrem Geld, mit ihrem Glamour am Laufen halten. Und dieses konkrete Zitat, das kommt dann auch von jemand, der sich eben nur lustig macht über diese Literaturbetriebsprozesse und von einem kommunistischen Dichter erzählt, der in China lebt.

sofort zum persönlichen Assistenten eines ZK-Mitglieds wurde. Also quasi zum Diktator selber, vom Schriftsteller zum Diktator. Also es wird alles sehr durch den Kakao gezogen. Im Grunde ist in diesem Buch, es ist kein einziger Satz direkt gesprochen. Das ist alles satirische Überhöhung. Über die Qualität dieser Satire scheiden sich, glaube ich, die Geister. Es ist wirklich eine extreme Komödie.

Und ist auch die Frage, ob das so eine, also keine Ahnung, es geht eben vor allen Dingen darum, dass der Betrieb sehr kritisch und dass die Berliner Eliten, die sogenannten Eliten, dass die sehr, sehr kritisch auf sich selber schauen und sehen, wie dekadent sie sind, wie verkommen sie sind, wie viel...

Falscher Reichtum und falsche Ideologien. Also eigentlich wie blöd dieser deutschen Hauptstadtintellektuellen. Das ist eine heftige Satire, die zum Teil lustig ist und zum Teil vielleicht auch ein bisschen überzogen. Sister Europe in der Übersetzung von Tobias Schnettler von Nelzing. Das war unser Zitat und wir kommen zu unserem ersten Satz.

Neuen Buch, über das wir sprechen, ist eine Autorin, die ich schon länger verfolgt habe auch. Anna Katharina Fröhlich heißt sie und in dem Verlag Friedenauer Presse ist ein Buch gerade erschienen, das heißt Roberto und ich. Und

Das ist ein interessantes Buch, eigentlich das, was man ganz klassischerweise einen Schlüsselroman nennen könnte. Es handelt nämlich von ihrem Leben und zwar von einer Liebesbeziehung zu einem Mann,

sehr berühmten italienischen Intellektuellen und Verleger, den es auch gegeben hat. Also wie gesagt, es ist ein autobiografisches Buch. Roberto Calasso ist der Mann, Verleger des ganz legendären Adelphi-Verlages in Mailand, wird häufig mit dem Surkamp-Verlag in Deutschland verglichen, auch was die Zeit auch anbetrifft. Er ist ein wichtiger Nachkriegsverleger.

Verlag gewesen, vor allen Dingen in den 60er, 70er, 80er, 90er Jahren. Jetzt ist er etwas weniger bekannt, würde ich sagen, vor allen Dingen deswegen, weil vieles natürlich ungeklärt ist. Calasso ist vor drei Jahren gestorben und das ist ein ganz, vor allen Dingen in erster Linie, ich finde ein schönes, aber auch ein hoch seltsames Buch anzusehen.

Weil es ganz gegen den Strich geht, sowohl was die Sprache anbetrifft, als auch, sagen wir mal, das gesamte moralische Gerüst, vor dem das geschrieben steht. Also wer hier sozusagen den allerneuesten Feminismus erwartet oder den allerneuesten Theorien zur gesamtgesellschaftlichen, fortschrittlichen Bewusstsein wird hier nicht fündig. Sie ist Geliebte, dieses Roberto Calasso.

Sie verlieben sich auf der Frankfurter Buchmesse und daraus wird eine Art 30-jährige Beziehung. Sie bleibt allerdings ein Leben lang die Nebenfrau, bekommt zwei Kinder von ihm. Das kommt so eher en passant vor. Und die Ehefrau, die kennen wir auch, ist eine schweizerische Schriftstellerin, die auf Italienisch schreibt, Fleur Jägi. Man könnte natürlich auch sagen, wird hier vielleicht in diesem Buch sogar ein bisschen verliebt.

Ja, schmutzige Wäsche gewaschen, Iris. Das finde ich überhaupt nicht, dass hier schmutzige Wäsche gewaschen wird, weil sie ist sehr offen, sie ist sehr, das stimmt, sie hat ja diese barocke, wilde, leidenschaftliche Schreibweise. Wir haben ja hier auch schon im Podcast ihre Erzählung Die Yacht vor nicht allzu langer Zeit mal besprochen, die uns beiden sehr gefallen hat. Und wo Adam, wo du hier in dem neuen Buch sogar, ich glaube, aus unserem Podcast zitiert wirst mit dem schönen Satz,

über die Yacht, diese Novelle ist völlig nutzlos. Sie ist große Kunst. Ja, klar. Also das heißt eben, sie ist, das muss man wirklich sagen, das ist eine Autorin, die in einem altmodischen, emphatischen Sinn der Literatur verschrieben ist. Und ich würde sagen, sie ist der Literatur in einer so absoluten Weise verschrieben,

dass sie versucht, ihre ganze Existenz auch literarisch zu leben. Und das war natürlich der große Augenblick, als Anna Katharina Fröhlich, das ist auch die Tochter eines deutschsprachigen Schriftstellers, als sie mit ihrer Mutter als 23-jährige Studentin

Kommen Sie irgendwie in die Frankfurter Buchmesse und sehen nun diesen großen Grand Seigneur Roberto Calasso an seinem Stand stehen. 30 Jahre älter. Er ist 30 Jahre älter. Er sieht fabelhaft aus. Es ist ein kultivierter, eleganter Herr. Eigentlich hat er alles, was sie sich vorstellt, wie der perfekte Literat sein muss. Gut angezogen, toll...

total gebildet. Und dann noch Italiener und noch gut italienisch. Und ich würde gerne mal, weil man dann so ein bisschen ihren Ton hört, wir machen das ja hier sonst nicht, aber ich würde gerne einfach den ersten Satz vorlesen, weil man dann auch sieht, wie sie in der Mischung aus toller Ironie und Euphorie und Übertreibung, das ist eigentlich auch gleich der Ton des Buches. Also,

Es war etwa zwölf Uhr mittags, als ich in einem käfergrünen, bodenlangen, vielleicht aus einem Gardinen- oder Bezugsstoff genähtem Wollkleid mit Damastmuster, Puffärmeln und einer Reihe grünglänzender Plastikknöpfe unter einem breitrandigen, ebenfalls grünen Filzhut

neben meiner Mutter in Halle 4 der Frankfurter Buchmesse stand. Und jetzt muss man sich vorstellen, in diesem Aufzug ihr gegenüber Roberto Calasso, der Mann ihres Lebens. Und so geht diese große Liebesgeschichte, so geht das immer weiter. Und man sieht sehr schnell, wie gut...

Sie wird natürlich sofort zu einem Dominostein in seinem grand-senieur-haften Leben. Adam, du hast es ja auch schon gesagt, sie bleibt die Zweitfrau und im Grunde bleibt sie, jedenfalls wenn man dem Buch glaubt, das ja ganz autobiografisch ist, bleibt sie eigentlich so etwas wie eine Dienstreisenbegleiterin. Also sie fährt mit auf die Dienstreisen und ist dann immer ganz glücklich in diesen tollen Hotels in London, in Venedig, in Rom und dann

schwirren die Kellner morgens um sie rum mit den Silbertabletts. Und dann erzählt sie immer, wie sie sich monatelang vorbereitet und die Rüschenkleider und die Hüte und so weiter. Es ist rührend eigentlich, wenn man sieht, wie sie sich ein Märchen aus dieser Liebesbeziehung macht. Es ist großes Gefühlskino. Mhm.

Aber, und das hörte man ja auch schon in diesem Satz, sie sieht ihre Rolle und sie sieht auch, sie sieht ihre Aufmachung. Sie schreibt immer, was sie anhat oder welche Hüte und welche Kleider und welche, ich weiß nicht, was hat. Das ist ihr unglaublich wichtig, dass das alles auch eine

eine poetische Inszenierung ist. Und eben eine poetisch-literarische Lebensinszenierung ist. Die schöne Geliebte mit dem kultivierten Schriftsteller in den tollen Hotels. Also es sind alles Kino. Es sind alles Kinoszenen. Kinobilder. Ist auch die Erfindung der romanischen Welt auch noch

Das spielt eine große Rolle. Man hat die ganze Zeit Kinofilme aus Italien und Frankreich. Eigentlich ist es ein großer Visconti-Film. Ja, sowas in der Art. Also man kann sich da sehr schnell natürlich lustig drüber machen. Das sagtest du ja auch.

Also Simone de Beauvoir hätte da... Das hätte das ausgepeitscht, das Buch. Also die würde, also die weiß ich nicht. Also wenn man sich jemanden vorstellt, der sich als das zweite Geschlecht, also das meinte sie ja, das andere Geschlecht hat sie ja, also der französische Titel ist Le Deuxième Sex, das andere Geschlecht auf Deutsch.

Da war ja genau die These, dass das das Schlimmste ist, was eine Frau machen kann, sich in allem nur auf den Mann zu beziehen und die ganze eigene Existenz abhängig zu machen von der überlegenen Existenz eines Mannes. Genau das macht sie hier. Sie studiert, als sie den großen Herrn kennenlernt, studiert sie, glaube ich, noch Philosophie in Mailand. Das Studium bricht sie sofort ab.

Da rät er ihr auch zu. Sie ist ja viel zu intelligent. Sie kann ja viel mehr lernen, wenn sie mit ihm auf Dienstreise ist. Sie braucht gar keine Universität mehr, sie hat doch Roberto. Und im Grunde kreist von da an ihre ganze Existenz um.

um ihre Rolle in seinem Leben. Ja, aber ich finde, es gibt was Tolles daran, weil sie schreibt es so ganz ungeschützt. Es wird auch mit einem gewissen Selbstbewusstsein und Unbeirrtheit. Das heißt, und das macht das Faszinierende aus, und das macht dieses Buch so aus der Zeit gefallen, was aber wieder einen eigenen Reiz hat, weil es quer steht, so ganz viele Minuten. Wichtig ist natürlich, und das betont sie ja hier auch sehr in dem Buch, dass sie natürlich beide dieser Inszenierung folgen.

weil sie der Literatur so versprochen sind. Also sie sehen das natürlich als Teil ihres poetischen Lebens. Es geht ja auch ganz viel, in diesem Buch wird ja ganz viel über Literatur gesprochen eigentlich.

Über seine Bücher, ehrlich gesagt. Kafka kommt vor, es kommen schon ein paar Sachen vor. Sie arbeitet ja ein bisschen mit. Sie übersetzt eines seiner Bücher. Sie prüft auch deutsche Bücher, ob die übersetzt werden sollen. Ganz so ist es nicht. So weit würde ich nicht gehen. Aber es ist ein Leben in Büchern, diese literarische Welt, was einen auch...

natürlich fast schon etwas wehmütig anstrahlt, ist, dass diese Art des literarischen Lebens, was so stark auch noch mit einer bestimmten Lebensform verbunden gewesen ist, muss ja nicht so asymmetrisch sein, wie es jetzt in diesem Buch ist, was Mann und Frau anbetrifft, aber diese starke Erotisiertheit von Literatur und Kunst, die ist uns ja etwas abhandengekommen, nach meinem Dafürhalten. Zumindest hat es nicht mehr diesen Barock,

ein Zauber, auch wenn man jetzt auf Buchmessen reist, das ist alles etwas Geschäftsmäßiges. Entzaubert. Und hier wird es noch einmal als Gesellschaftsleben aufgeführt, mit aller Wucht und mit aller Energie. Deswegen hat das Buch auch etwas Wehmütiges. Auch mit der Lust, zu diesem, sie nennt es glaube ich auch, das große Spiel zu spielen.

Also eben wirklich, ich glaube dieses Gemachte ist und das macht das Buch dann auch für mich letztlich so sympathisch, dass ihr dieses Selbstausgedachte natürlich in jedem Augenblick selbstverständlich ist. Sie schreibt, wie sie sich da vorbereitet und welche Tasche und welche Wimpern, aber sie sieht natürlich auch immer, dass sie hier an einer literarischen Fantasie arbeitet und stellt das mit dar.

Und manchmal sagt sie auch, naja, jetzt habe ich mich aber wieder wie die Odette bei Proust, habe ich mich selbst inszeniert. Oder sie sagt, ach, da war ich ja wieder wie eine Marketenderin. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie so Rollen wie bei Balzac, das Leben der Kortisanen. Ja, das kommt ihr ständig vor. Also sie sieht sich auch selbst wie in einem Roman oder in einem Film agieren. Und da versteht man auch ein bisschen, weil sie ja auch von ihren Eltern spricht.

dass sie da eben auch ein bisschen in einer Familientradition steht. Weil es ist ganz interessant, das mit dazu sich vorzustellen. Man kann das auch im Internet sich angucken. Sie lebt ja in einer ...

Traum, also auch wie in einer selbst hergestellten Märchenwelt durch die Mutter, die am Gardasee ein altes Bauernhaus ganz nach eigenen Vorstellungen eigentlich in eine Märchenkulisse verwandelt hat. Und da lebt sie, so als sie Kalasso kennenlernt, noch mit ihrer Mutter.

Und sagt, das ist doch ein Leben. Andere Frauen meines Alters müssen in irgendwelchen Büros sitzen. Die müssen Bürostunden einhalten. Und ich habe hier die rauschenden Brunnen. Ich habe die zu pressen. Ich höre das Kaminfeuer. Dann gehen wir ein bisschen mit unseren langen Röcken und unseren breiten Hüten mal in den Garten und arbeiten.

Es sind so Kunstfiguren. Sie haben sich eben auch wirklich, und das war ja sicherlich nicht ganz mühelos, weil es scheint nicht, dass das jetzt eine ganz reiche Familie ist, der Vater war.

Schriftsteller von der Mutter ist auch von keiner Berufstätigkeit zu hören. Also das ist sicherlich auch sehr mühsam gewesen, diese Kunstwelt überhaupt zu erschaffen. Und dann ist eben noch etwas, was da, finde ich, ist es natürlich auch ein bisschen tragisch. Sie erzählt immer wieder von der Verlassenheit durch ihren Vater, der früh... Früh gestorben. Nein, der ist früh gestorben, aber er ist noch früher aus ihrem Leben verschwunden. Hat eine neue Familie gegründet. Mhm.

Und da hat sie, also vor allen Dingen ja auch das Kind, ich meine, Väter vergessen immer, dass sie nicht nur die Frauen, sondern ja auch die Kinder eigentlich verlassen. Und dann kommt er eben nur noch am Wochenende und geht dann zu seiner eigentlichen Familie zurück. Da ist sie sehr offen, dass sie also mit diesem Ersatzvater, mit diesem 30 Jahre älteren Ersatzvater und... Und Ersatzvater sagt ihr noch...

Der liest dann nämlich die Bücher ihres Vaters. Und findet sie gar nicht so gut. Ja, leider. Aber dass das ein bisschen auch anscheinend eine Wiedergutmachung ist. Und dann natürlich auch immer wieder, dass die Wunde immer wieder aufreißt. Auch dieser Ersatzvater verlässt sie ja und geht zu seiner eigentlichen Familie. Also diese Wiederholung im Lebensschema ist dann noch mal da. Und dann kriegen die sogar wieder Kinder, wo das wieder so ist. Wieder geht der Vater zurück.

Na, der ist sicherlich immer wieder zu Besuch gekommen in diese Traumkulisse am Garda. Wieder geht der Vater zu seiner eigentlichen Familie zurück. Sie hat also dieses ganze Kindheitstrauma, wie man das ja so oft im Leben macht. Das ist mal eine Privatanmerkung von Frau Radisch.

Seine Fehler immer wiederholen. Oder Kindheitstraumata wirklich nochmal zu reinszenieren. Naja, das kenne ich nicht so. Vielleicht in der Hoffnung, das dadurch zu bewältigen, aber sehr häufig bleibt es auch bei der Wiederholung, ja.

Naja, bei den Mustern ist das immer so, dass die anderen die immer an einem selbst feststellen. Aber sie schreibt das durchaus. Sie schreibt auch immer wieder, und da gibt es auch herrliche Szenen, zum Beispiel eine, da können einem die Tränen kommen. Sie wartet also schon, ich glaube in Mailand oder wo, im Zug,

Sie sitzt schon im Zug. Die Dienstreise ging, glaube ich, nach Neapel oder nach Nizza. Eine dieser Dienste. Und dann kommt die Frau. Und jetzt kommt ihr großer Kalasso und sie sieht, die Frau geht vorne weg und wackelt.

will ihn irgendwie zum Zug bringen. Und jetzt denkt sie, oh Gott, wenn die mich sieht, weiß die doch sofort, dass ich die Geliebte bin. Und oh Gott, oh Gott, Fleur Jägi kommt und rennt auf die Zugtoilette, schließt sich da ein, damit sie sie bloß nicht sieht. Und dann, dass wir nicht so rühren, nimmt ein Buch raus und liest auf der Zugtoilette, wahrscheinlich völlig angefasst und zitternd, Ernst Jünger, Pariser Tatenbuchherr.

Eine herrliche Szene. Ja, das stimmt. Also auch durchaus mit dem Mut zur Komik gespielt. Und dann ist sie auch beleidigt. Es dauert dann auch wieder, bis die Kälte von ihr wegweicht. Das wird allerdings immer nur so dezent angedeutet, dass das Ganze auch mit sehr viel Tragik und sehr viel...

Wut und negativen Emotionen verbunden ist. Es wird immer wieder angedeutet, aber es wird immer übertüncht durch die barocke Welt der schönen Pflanzen, der tollen Hüte und Champagner und Rotwein und wir sind in Venedig. Das stimmt, du hast völlig recht, aber es ist schon auch eben dieser absolute Wille zur Poesie, wo sie dann eben sagt, im Grunde, ich schlucke das alles und

Und auch wenn es wehtut, ich schlucke das alles, weil wenn ich eines nicht will, dann ist es eine mittelmäßige Existenz. Ich will eben diese Oper, ich will diese Gefühlsoper, ich will diese großen Augenblicke und ich will nicht wie die meisten anderen Frauen meines Alters in irgendwelchen Büros, in irgendwelchen Fitnessstudios. Nein, ich will wie in einem Visconti-Film leben und wenn es nur auf vier Dienstreisen im Jahr ist, aber die

sind es daneben. Und dann muss man ja auch sagen... Es waren ja nicht nur die vier Dienstreisen. Zwei Kinder ist ja schon etwas. Es hat ja schon ihre Existenz und ihre Lebensform, glaube ich, vollständig verändert. Vor allem ging es 30 Jahre. Und sie ist in dieser Zeit ja auch zu einer sehr respektierten Autorin geworden.

Du sagtest, es sei ein Schlüsselroman. Nein, das ist eigentlich fast eine Autofunktion. Das wollte ich mich korrigieren. Schlüsselroman ist was Falsches. Hat sie aber auch geschrieben. Und zwar andere. Es gibt ein Buch, das heißt, glaube ich,

Wilde Orangen, wo auch schon diese Geschichten, die hier... Und da ist es dann versteckt. Bei Schlüsselromanen muss ja erstmal enthüllt werden. Da gibt es andere Namen. Da sind andere Namen und da sicherlich auch ein bisschen fiktiv. Das weiß ich jetzt nicht im Einzelnen. Aber das ist ein Schlüsselroman. Dies ist eins zu eins. Das ist wirklich eins zu eins. Alle, auch die Ehefrau Flörjeggi, kommen alle unter ihren...

Klarnamen vor und auch die Geschichte der Eltern, eben vor allen Dingen der Mutter, die ihr, glaube ich, eben auch dieses Spiel mit den Männern, es wird auch immer über die vielen Männer ihrer Mutter, die alle auch schrieben, immer alle auch irgendwas mit Literatur oder Journalismus zu tun hatten und wie sie eben da schon von der Mutter gelernt hat, wie man Männer bei der Stange hält, also so ganz altertümliche Sachen, Männer bei der Stange halten oder sich noch einen Mann in Pette

Es weht einem manchmal etwas sehr Klassisches an. Sie sagt allerdings an einer Stelle, und das ist, ich will nicht sagen verräterisch, sondern eigentlich sehr deutlich, sagt sie, wie ist das mit dem eigenen Leben und der Betrachtung des eigenen Lebens

dass man es natürlich immer sich verschönern muss. Das ist natürlich keine Authentizität. In dieser Hinsicht halten wir nicht aus. So direkt steht es nicht drin, aber das ist jetzt schon eine leichte Interpretation. Also das heißt, der Schmuck ist das ganz Entscheidende in diesem Buch. Ich glaube, das würde sie so nicht nennen. Also ich kann jetzt hier schwer genau ihre Anwältin sein, aber ich glaube...

Sie würde das Schmuck insofern, ja, weil das die Schönheit ist, da hast du natürlich recht. Und den Sprachschmuck gleichzeitig. Sprachschmuck, Schönheit, schöne Kleidung, schöne Situation, Silbertablette im Hotel, das stimmt schon. Aber ich glaube, die Denkrichtung ist eher...

Dass es nicht eine Wirklichkeit gibt und dann schmücken wir hier irgendwie, machen hier ein bisschen... Nein, nein, nein.

Also letztlich die Welt poetisiert. So kann man das sagen. Also eigentlich eine ganz romantische Idee, die sich eben bei Anna-Katharina Fröhlich, die so wuchert, nicht nur in ihren endlosen Sätzen, sondern aus den Büchern raus wuchert ins Leben. Und eigentlich so das Ganze...

nicht nur das Haus, die Kleider, sondern eben auch ihre Lebenskonzepte. Alles soll poetisch werden. Irgendwie rührend, wunderbar. Und offenbar ist es ihr ja auch zu großen Teilen

und keine Ahnung, wie es jetzt weitergeht, welche neuen Bücher jetzt kommen. Wir kommen mal zum dritten Buch, würde ich vorschlagen heute. Ja, magst du es vorstellen? Es ist ja eine ziemliche Sensation, finde ich, dass es das überhaupt gibt. Ja, unser nächstes Buch ist eine richtige Sensation, ganz genau.

Von dem großen Geschichtsprofessor, Journalistenautor Sebastian Hafner, der 1999 schon gestorben ist. War einer der wichtigsten Publizisten nach dem Krieg. Aber vielleicht erzählen wir noch ein ganz kleines bisschen, dachte ich kurz, etwas über sein Leben. War ich gerade dabei. Ja, genau, war ich gerade dabei. Okay, alles klar. Also er ist in Berlin geboren, hat da Jura studiert, ist Jurist, glaube ich, erst mal geworden. Ja.

Er hat in Paris 1934 seine Doktorarbeit geschrieben, hieß damals noch Raimund Pretzel. Und ist dann aber sehr bald, merkte er schon, dass er in Deutschland nicht weiter Jura machen kann. Dass das kujoniert wird, dass das vom Nationalsozialismus abhängig wird und ist nach London gegangen und hat dann das Dritte Reich in London überstanden.

Hat für den Observer dort gearbeitet und ist 1954 dann nach Berlin zurückgekommen und hat sehr viel für deutsche Medien geschrieben, hatte eine Kolumne im Stern, hat in allen großen Medien.

in allen großen Zeitungen publiziert. Und also richtig in mein Bewusstsein ist er eben auch gekommen, auch mit einem Posthum veröffentlichten Buch. Das war die Geschichte eines Deutschen. Das war im Grunde die Vorgeschichte des Nationalsozialismus, die er da beschrieben hat, nämlich die Zeit 1914 bis 1933. Und im Grunde versucht hat, und ich kenne eigentlich nichts Vergleichbares, wo...

so genau und auch mentalitätsgeschichtlich und psychologisch mentalitätsgeschichtlich versucht wurde einzufangen, was ist mit den Deutschen passiert? Dass sie das mitgemacht haben, dass sie da plötzlich alle jubelnd standen. Wo kamen diese Wähler her? Was ist da im Inneren dieser Menschen passiert? War ein Riesen-Bestseller. Ein irres Buch. Halbe Million verkaufte Exemplare, glaube ich. Das waren große Sachen.

Und hat also einen, fand ich, irren Begriff in dem Buch. Der sagte ja, es ist ja so schwer zu erklären. Ja, aber es gibt auch so etwas wie den Zauber des Ekelhaften. Und das ist vielleicht sogar etwas, was wir, es ist fast ein Begriff, wo ich dachte, oh, der passt heute schon vielleicht fast wieder ein bisschen. Zauber des Ekelhaften. Und

Hier haben wir etwas, so kannte man Sebastian Hafner noch gar nicht. Das heißt Abschied ist ein Roman. Ist ein Roman, den er Anfang der 30er Jahre geschrieben hat, wo er eben, wie ich ja schon sagte, auch wirklich in Paris war. Es sind nur ein paar Tage, fährt eben jemand, der ihm sehr ähnelt, ein junger...

Reimund Brezel ist der Name, sein eigentlicher Name. Er hat ja dann später den Künstlernamen Sebastian Hafner angenommen, aber da heißt er noch einfach so. Ganz genau. Und er fährt eben nicht länger nach Paris, er ist hier nur ein paar Tage und ist schrecklich in eine Frau verliebt, die es auch wirklich gab, wie man im schönen Nachwort... Teggy wird sie genannt, Gertrude Josef eigentlich. Ja, das Nachwort ist von Volker Weidemann, unserem Kollegen. Tolles Nachwort.

Servus. Grüezi. Und hallo. Hier sind Florian Gasser aus Wien. Matthias Darum aus Zürich. Und Lenz Jakobsen aus Berlin von Servus Grüezi Hallo, dem transalpinen Podcast der Zeit. Falls Sie nicht nur jeden Mittwoch hören, sondern künftig auch lesen wollen, was in den beiden Alpenländern im Süden so los ist, dann abonnieren Sie doch unsere Newsletter.

den gemischten Satz aus Österreich unter zeit.de slash gemischter Satz oder den neuen Schweiz Newsletter Grüezi and Hello World unter zeit.de slash schweiz-newsletter Ja, und da erfährt man eben, dass es auch die Frau wirklich gab. Also das ist alles, wie du ja schon sagtest, ganz autobiografisch ist. Nur, dass sie hier eben immer nur Teddy heisst. Und es ist in einer hinreißend

Ja, literarisch naiven Sprache geschrieben. Eben so ein junger Mann, der völlig verwirrt ist, der weiß, er liebt diese Frau und er hat jetzt nur noch ein paar Stunden und man hört richtig, es wird auch dauernd die Uhrzeit genannt, mein Zug geht um 22 Uhr, jetzt haben wir noch so und so viele Stunden, jetzt müssen wir noch schnell ins Louvre, jetzt müssen wir noch schnell auf den Eiffelturm und also...

Und ich weiß, dann ist mein Leben mit dieser Frau zu Ende. Es ist ein kleines Augenblicksglück. Wir sitzen noch gerade mal auf einer Bank im Louvre. Wir trinken noch einen Kaffee im Café auf dem Eiffelturm.

Und dann werden wir uns wahrscheinlich für immer verabschieden. Ja, das weiß man natürlich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Es spürt man so. Man spürt, der macht mir keinen Heiratsantrag. Der nimmt sie nicht mit. Das ist die große Liebe, von der man sich... Und die Wege werden sich scheiden. Und dann weiß man eben auch, es sind Anfang der 30er Jahre. Man spürt natürlich auch... Ist auch interessant als Zeitdokument. Man spürt die ganze Zeit eigentlich...

Es wird ja gescherzt auch. Es gibt so eine Person, die sagt die ganze Zeit, es muss bald mal wieder Krieg sein zwischen Deutschland und Frankreich. Das wird natürlich so scherzhaft da gesagt, aber es ist schon so, die Verwirrung wird spürbar an jeder Stelle. Dieser Krieg und Nationalität. Es geht auch im Übrigen an einer Stelle, das ist auch ganz interessant, um sowas wie Nationalkaraktere, um den deutschen Gehorsam, den deutschen Soldaten. Auch das spielt sozusagen immer wieder eine Rolle. Und bei

Es ist ein interessantes Dokument, weil man auch merkt, dass Paris damals eine ungeheure, was das für ein Fixpunkt literarischer schon zu diesem Zeitpunkt gewesen ist. Es ist ja ein Bohème-Leben, was dargestellt wird im Wesentlichen. Dauernd kommt jemand zur Tür, die Türen sind eigentlich die ganze Zeit offen, man hat dauernd irgendwelche Verabredungen, man ist im Café, wie das, was man später dann bei Beauvoir und Sartre und so weiter als

als mittlerweile zu Tode gekautes Klischee des Künstler-Daseins wird da schon ausgebreitet. Und das ist ein wahnsinnig interessantes Buch. Es steht am Ende des Manuskripts, der ist im Herbst 32 geschrieben worden, und zwar vom 18.10. bis 23.11. Das ganze Buch ist in einem Monat etwa geschrieben worden. Und diese Geschwindigkeit merkt man diesem Buch auch an. Im Guten wie vielleicht auch ein bisschen im Schlechten.

Ist trotzdem ein tolles Buch, tolles Dokument. Manchmal merkt man so eine gewisse Geschwindigkeit, so eine Wiederholungssucht von bestimmten Motiven, die fast schon sehr expressionistisch sind. Gefällt mir trotzdem sehr, sehr gut.

Es spielt ja im Wesentlichen, ist das ja fast ein Echtzeitroman. Man braucht ungefähr zur Lektüre so lange, wie die Handlung ist. Glaube ich nämlich, ziemlich genau einen Tag. Das spielt ja im Prinzip an einem Tag. Es ist ein endloser Abschied. Und tolles ästhetisches Experiment, finde ich. Ja, aber ich denke schon, man ist ganz in diesem Augenblick und guckt sozusagen mit immer auf die Uhr. Wann geht der Zug? Wie viel bleibt Ihnen?

Aber dann merkt man eben auch, es gibt ja auch kurze Gespräche. Er sagte mal, ja, übermorgen sitze ich wieder am Alexanderplatz, dann muss ich wieder aufs Gericht und dann ist es wieder so langweilig, dann gucke ich da auf die S-Bahn und bin wieder in diesem Deutschland und Teddy bleibt in Frankreich und bleibt in diesem ja in der Tat.

als Traumstadt beschriebenen Paris. Also das ist auch das Gegenbild. Es heißt immer, in Berlin ist schon fast Winter und in Paris ist alles noch, also kann gar nicht Winter werden. So ungefähr. Also diese beiden Hauptstädte werden da auch kontrastiert und man ahnt ja irgendwie doch schon, dass sich hier eben nicht nur die Wege von zwei jungen Leuten, die

die ineinander verliebt sind, sondern dass sich auch die Wege von zwei Kulturen, die sich hier in der Zwischenkriegszeit nochmal wieder berührt haben, dass das wieder auseinander geht und wieder...

Sagt ja auch der eine, das ist eine hinterreißende Geschichte, dem einen jungen Deutschen, der da mit zu dieser Bohème-Gruppe gehört, dem werden irgendwie die Hosen gestohlen nachts und dann ist er sozusagen ein sans culotte, also einer ohne Hosen eben und die Pariser Polizisten, statt da ordentlich das Protokoll über den Überfall aufzunehmen.

singen und lachen und kommen alle zusammen und singen ewige Lieder über diesen Deutschen, der da ohne Hosen ankommt. Also Frankreich und überhaupt singen die Franzosen ständig in dem Buch. Nicht nur die, die singen eigentlich ständig. Ständig, ja. Gut, die Gesangskunst war, glaube ich, überall weiter verbreitet, ja. Aber in dem Buch wird Frankreich eben als, ist vielleicht auch ein bisschen klischiert, aber als das

die Stadt der Leichtigkeit, der guten Laune. Es wird der Markt in der Rue Muftah mit den Kälbern, den Schweinen, den Gänsen. Überall ist Leben. Überall ist Leben und Weltstadt und

das dreut da hinten so. Man merkt, da muss der gleich wieder hin. Und man spürt schon die Schwere, das Dunkle, die Bedrückung. Und dann gibt es auch ein kurzes Gespräch, wo er sagt, ja, warum kommst du nicht nach Berlin? Naja, da sagt Teddy, naja, in Berlin gibt es zweierlei für mich, verheiratet werden oder ganz kleine Tippfräulein. Ganz genau, das wollte ich gerade erzählen, genau.

Das habe ich mir auch herausgestrichen, weil das natürlich eklatant ist. Nun spricht man ja viel von Berlin der 20er Jahre und dem Aufbruch, den es auch unbestritten gegeben hat. Natürlich, das ist ja auch völlig klar. Es ist nur so, dass in Frankreich das noch eine viel ältere Tradition hat, weil Deutschland natürlich gegenüber Frankreich zwei Traditionslinien nur unvollkommen ausstrahlt.

Es gab kein Hofleben, was sozusagen eine gewisse Höflichkeit, Opulenz, Libertinage im Umgang natürlich überhaupt erst einmal etabliert hat. Also natürlich gab es kleinere Höfe, aber es gab nirgendwo von Wien einmal abgesehen sozusagen kein Versailles. Also das gab es in den allermeisten Städten nicht. Berlin ist eine ganz späte Großstadt, aber

Und Deutschland hatte einfach auch erst sehr spät eine Großstadtkultur. Das ist im 18. Jahrhundert, weil London eine Million Einwohner und ich glaube Berlin, ich weiß nicht, das fand man schon auf der Landkarte, aber war sehr klein zu diesem Zeitpunkt. Und bei Paris ist es natürlich genau dasselbe. Es ist einfach eine ganz andere Tradition mit Fremdheit, mit Großstadt.

Und dementsprechend auch mit Emanzipation natürlich. Und Frauenfiguren und selbstbewussten Umgang zwischen den Geschlechtern. Und das ist natürlich etwas, was in Berlin sich da erst gerade entwickelt hat und dann zertrümmert worden ist. Wenn er 1934 in Paris war, in Berlin gerade... 1932. Wirklich war er 1934. Dann hat er sich hier etwas früher versetzt. Seine wirkliche Aufenthalt war 1934.

Als er da an seiner Doktorarbeit in Paris schrieb. Hafner selbst, meine ich. Ja, ja, okay. Also jedenfalls, auch wenn es 1932 war, war vielleicht schon abzusehen, dass die goldenen 20er Jahre langsam... Mhm.

ihrem Ende zugehen. Also ich finde, von dieser Dunkelheit spürt man etwas wie im Hohlspiegel, wenn er Paris doch ein bisschen fast glorifiziert und das Pariser Leben einfach so ein Tempo, so ein Glück, so eine Sinnlichkeit, so eine schöne Intellektualität ausstrahlt. Da sieht man ein bisschen das Grau

Was aus Berlin da ein bisschen rüber strahlt. Er war wahnsinnig jung. Wie alt war er? Mitte 20 etwa. Ist natürlich einfach ein tolles Zeitdokument. Ganz unabhängig vom Roman. Ist auch interessant. Er besteht ja fast nur aus Dialog. Ja.

Es gibt ja kaum Handlungen, weil ständig jemand reinkommt. Es gibt manchmal so Beschreibungen, dass man in einem China-Restaurant sitzt, was als Exotismus pur gilt zu diesem Zeitpunkt. Und mit Stäbchen, das wird dann auch so beschrieben, dass man da mit Stäbchen isst und solche Sachen, klar.

Also auch ein Internationalismus, den es natürlich in Deutschland in dieser Weise nicht gegeben hat. Ja, und diese kleine Truppe, die da zusammensitzt, das sind eben Deutsche, aber auch durchaus Engländer. Dann gibt es die Franzosen ja sowieso überall. Also im Grunde sitzen da die...

die späteren Kriegsgegner noch auf einer Bettkante und halten Picknick. So ungefähr. Also eben auch dieser schöne letzte Augenblick, wo das noch möglich war. Und eben auch die Freude, das muss man schon auch sagen, die Freude an der Weltstadt. Mhm.

Was ja auch nicht selbstverständlich ist. Wirklich die Weltstadt nicht nur als das verdorbene und verkommene, wie es jetzt wieder bei Nelsink ist, das verkommene Berlin, sondern hier wirklich die Freude daran. Die Freude daran, dass hier Kulturen aufeinanderstoßen, dass man hier die Nächte durchmacht und dass die Zeit so rennt, dass man so viel zu tun hat.

ist, so viel da ist, dass man es gar nicht schafft. Also auch so dieses Gefühl des Überbordenden. Ich finde, das hat eine wunderschöne Stimmung. Ja, dadurch natürlich auch etwas, was

Was auch nicht typisch ist, denn der deutsche Roman hat ja immer eine starke Zivilisationskritik. Natürlich immer traditionellerweise. Auch selbst der moderne Roman sieht in der Stadt natürlich immer vor allen Dingen eine moralische Verkommenheit. Das Schwierige, das Schreckliche, die Armut, der Überfluss und, und, und. Das findet sich seit dem 18. Jahrhundert über.

Und findet sich auch in unserem nächsten Buch wieder, unseren Klassiker. Der Klassiker. Wir haben den ausgesucht, weil der zur fast gleichen Zeit geschrieben worden ist, wie Sebastian Hafners Abschied im Hansa Verlag erschienen. Erich Kästner, wir haben hier die Ausgaben vom Atrium Verlag geschrieben.

Und Fabian, so hieß der Roman, ganz lange Zeit die Geschichte eines Moralisten. Es gibt eine vollständige Fassung, weil ein paar Dinge nie gedruckt worden sind. Ein paar Kapitel, das ist vor ein paar Jahren rausgekommen, der Gang vor die Hunde. Das war Kästners eigentlicher Titel gewesen, der kam dann aber nicht durch gut. Die meisten nennen es Fabian. Ich finde es auch den...

Schickeren Titel eigentlich. Schönerer Titel, moderner. Ja, irgendwie. Es gibt noch einen dritten Titel übrigens, den er auch wollte, der wäre noch schrecklicher. Sodom und Gomorra. Nein, das wäre nicht gut gewesen. Das hatte er auch als Arbeitstitel. Sodom und Gomorra passt allerdings natürlich, weil hier, wie erleben wir hier die Großstadt? Es ist ein ähnlicher Befund natürlich wie bei Sebastian Hafner. Auch hier ist es ein Buch voller Ahnung.

Vorahnung. Vorahnung, ja genau. Vorahnung ist auch veröffentlicht worden noch vor der nationalsozialistischen Herrschaft, kurz vorher erschienen. Aber es steckt schon alles drin. Nicht nur an Krisenbewusstsein, sondern auch, die Nazis kommen natürlich auch schon einfach ganz konkret vor. Also Fabian ist ein

Werbemensch, also er arbeitet für eine Zigarettenfirma und ist dort werbend. Werbetexter, Fjabbein ist sein Nachname, Jakob Fabian heißt er eigentlich. Junger Mann, Mitte 20, der versucht in Berlin sich durchzuschlagen und ist fast auf naive Weise ein netter Kerl. Ja, also ein wirklich guter Mensch und

Lebt so in diesem Sumpf Berlin und drumherum sieht er einfach überall und gerät überall in einen moralischen Verfall. Also Prostitution, wohin man blickt natürlich. Da finden wir übrigens den ganz typischen deutschen Großstadtperspektive. Über die wir gerade sprachen. Ja, die eine lange Tradition hat in Deutschland. Das ist dann nämlich nicht nur...

dass jetzt Politik herzlich kritisiert wird. Bei Kästner findet es, gibt es schon auch eine sehr stark, ganz anders als bei Hafner, eine sittliche Perspektive auf die Stadt, finde ich. Oh ja, oh ja. Also es gibt...

Ja, es wird sozusagen schon sehr beklagt, auch das, was wir jetzt vielleicht im Rückblick viel zu sehr idealisieren, aber diese Promiskuität, die die 20er Jahre mit sich gebracht haben und die Aufbrechen von ausschließlich biederen, kleinbürgerlichen Formen des Zusammenlebens,

Das wird da sozusagen nur als letztlich Verirrung und sowas dargestellt. Also ich finde, das hat fast etwas manchmal... Ich fühlte mich in diesem parodistischen...

wie hier Großstadt karikiert wird, fast auch wieder an diese Nels Zink, die das mit dem heutigen Berlin macht und sich ja da auch lustig macht über junge Transmenschen und irgendwie die gerne irgendwie unter die Haube kommen wollen wieder und lauter solche und sich lustig macht über diese ganzen ja etwas

merkwürdigen, reichen Existenzen. Und hier ist eben dieser, er nennt sich ja auch selbst Moralist, Fabian ist ein Moralist,

Irgendwie finde ich dann schon, dann spricht er über parfümierte Burschen, die mit smarten Engländern in irgendwelchen Clubs rummachen würden. Und das ist schon alles so ein bisschen wie despektierlich. Warum ist das denn nicht verkommen? Dürfen die das? Steht da immer so ein bisschen hinten. Oder blonde Huren, die mit Chinesen rummachen. Ja, mei, sollen sie? Aber hier wird da ein bisschen drauf geguckt, als sei das der Weltkrieg.

Und nur Chinesen steht da. Oder dann gibt es eine Frau, in deren Fänge der gute, brave Fabian kommt, die ihn irgendwie abschleppt, Frau Moll.

Das ist eine Frau, von der ihr Ehemann sagt, ihm sei ihr Unterleib über den Kopf gewachsen, weil die irgendwie so nymphomanisch ist, dass sie dann mit ihrem Mann einen Ehebruchsvertrag aufgesetzt hat, der hält es nicht mehr aus. Ja, das finde ich eigentlich schon lustig. Natürlich ist das lustig. Und der Ehebruchsvertrag sieht vor, dass sie ihrem Ehemann jeden Liebhaber, den sie aufgabelt,

vor Vollzug zunächst mal vorstellt. Das war sehr lustig. Aber nichtsdestotrotz wird natürlich auch das, dass da Frauen so gierig sind, dass sie jeden Mann ins Bett haben müssen. Das wird schon alles...

Aus der guten, braven Kleinbürgerperspektive dieses ein bisschen kleinen Mannes, Dr. Fabian, der eigentlich am liebsten, glaube ich, mit seiner Mama in einer ordentlichen deutschen Kleinstadt leben würde und jeden Morgen sein Frühstücksei bekommen würde. Das ist schon ein moralisierender, kleinstädtischer, kleinbürgerlicher Blick aufs Land.

Auf die Großstadt. Auf die 20er Jahre in Berlin. Also auf dieses Kabarett Berlin. So lustig ich das finde. Es ist ja trotzdem ein sehr gutes Buch. Wahnsinnig cool. Ich musste so laut lachen, wenn ich das...

jetzt nochmal gelesen habe, ich fand es so komisch, aber ich muss zugeben, dass ich diesen Blick auf die Stadt auch ein bisschen spießig fand. Wie ich das übrigens auch bei Nelsink fand. Ich fand dieses sich aufregen über verkommene Berliner Eliten und ich fand das ein bisschen spießig, ganz ehrlich, das finde ich hier auch.

Ich denke mir, was soll denn diese Kleinbürgerperspektive auf die Stadt? Ist das denn nicht auch toll, über was er sich aufregt, über Lesbencafés und so? Ja, was stört ihn das denn? Was soll denn das? Warum kann die Stadt denn nicht so bunt sein, wie sie offenbar in den 20er Jahren auch schon mal war? Ist mir nicht ganz klar. So wie ich bei Nelsink nicht weiß,

Was sie gegen arabische Prinzen hat, die hier Geld sägen auf Literaturpreise. Ja eben, wenn sie das Geld dahin verschwenden. Ich glaube, es ist, ja, das stimmt. Man kann das so kritisch sehen, was du meintest. Ja, wie auch immer. Man kann das so disqualifizieren, ja, vielleicht sogar, aber

Da bin ich mir gar nicht so sicher, denn es ist ja mit einem gewissen Gespür geschrieben, es hat ja trotzdem etwas Endzeitliches. Es gibt ja nicht zuletzt diesen Begriff Distanz auf dem Vulkan in dieser Zeit. Es gibt so etwas Diagnostisches, dass auch dieses Hemmungslose des Feierns,

etwas Dramatisches, etwas Endzeitliches hat. Deswegen natürlich auch. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, Adam. Aber über den man, glaube ich, sehr ernsthaft sprechen muss. Weil das stimmt, er beschreibt das hier wie im Wartesaal und wir denken natürlich sofort mit vor der großen Apokalypse. Das ist ja auch so.

Aber ich weiß nicht, ob diese Diagnose, die dir jetzt so hellsichtig erscheint, dass nämlich erotische, intellektuelle Verrohung und politische Verrohung, dass das ein Dreiklang ist. Ja, ja, das ist interessant. Das ist eine Unterstellung, die übrigens genauso bei Nalsink wirkt. Dass eine erotische und eine politische Verrohung Hand in Hand gehen soll. Ich finde...

Ich weiß nicht, ob das Hand in Hand geht und ich weiß nicht, ob es logisch aufeinander bezogen ist. Es wird hier aber aufeinander bezogen. Das stimmt. Ich meinte das aber viel lockerer. Ich glaube nicht, dass es zwingend zusammenhängt. Das glaube ich nicht. Aber ich glaube, dass es so etwas gibt wie eine Art von

Egal, ob das positiv oder negativ gewertet wird. Aber als eine, wo man merkt, man muss jetzt nochmal eine richtige Party haben. So etwas wie eine gesellschaftliche Stimmung, in der sich so etwas ausbreitet. Das weiß ich nicht. Aber da wird doch unterstellt, dass diese Liberalisierung der Sitten am Ende politisch gefährlich war. Mhm.

Und dass die bereits ein Seismograph für den kommenden Untergraf ist. Ja, Seismograph vielleicht, aber es bedeutet nicht, dass das an sich schlecht ist.

Verstehst du, was ich meine? Ja, aber ich glaube, wenn man es für möglich hält, dass so eine Öffnung der Sitten, so eine Liberalisierung der Sitten, der Körper, der Liebe, dass das am Ende, und das ist in dem Roman so, eine Welt ohne Halt wird, die dann auch keinen Anstand mehr hat und die eines Moralisten bedarf…

Um sozusagen, der die Welt wieder zur Ordnung ruft. Nein, das ist schon richtig, was du sagst. Das ist eine Schwachstelle des Buches. Das ist nicht nur eine Schwachstelle, das ist seine Grundkomposition. Ja, aber es ist trotzdem interessant. Versuchen wir es nochmal anders aufzuziehen. Ich würde dir nicht widersprechen wollen, dass das etwas ist, worüber man sehr ernsthaft diskutieren kann.

Man muss die Rezeption sich aber trotzdem einfach mal anschauen. Und dann wird es noch mal interessanter, denn Fabian wurde ja verfemt und zwar schon vor den Nazis als pornografisches Machwerk. Es wurde verbrannt dann von den Nazis. Es ist auf diesen Bücherscheiterhaufen gelandet. Genau. Richtig. Und der Pornografie-Vorwurf, der war schon vor den Nazis in der Welt. Und das heißt, man könnte fast schon sagen, so wie bei allen großen Filmen,

Moralisten haben sie alles Sexuelle immer sozusagen erst darstellen können, indem sie es moralisch, wie bei den verbotenen Liebschaften von Delacroix beispielsweise, wird eine Moral drüber gesetzt, um dann die Schweinereien zu erzählen. Ja, so in etwa.

Es war ganz offensichtlich, man muss sich wirklich die Rezeption anschauen, auch offensichtlich ein Wagnis. Das heißt, ich fragte mich an einer Stelle, ob dieses moralische Gerüst, was da eingesetzt worden ist, ob das nicht fast schon strategisch eingesetzt worden ist, um es überhaupt rezipierbar zu machen. Ja gut, das ist eine Wollte, aber...

Ja, du meinst, er hatte eigentlich so eine Lust, dieses Sodom und Gomorra zu schildern, dass er den Moralisten erfunden hat, um das schildern zu dürfen. Das glaube ich. Es ist eine schöne These, aber ich glaube ihr ehrlich gesagt nicht. Und man kennt ja auch ein bisschen Erich Kästner. Man kennt seine lyrische Hausapotheke, man kennt seine Briefe an die Mama. Ja, es gibt dieses putzige...

Was schön ist, finde ich, in diesem Buch, ist diese sehr neue Sachlichkeit, Sprache, dieses Kühle, dieses Kurantenreiche. Es gibt auch tolle Szenen, die humoristisch total sind. Es ist nicht durchgängig. Ich glaube auch, dass es fehl geht, wenn man jetzt sagen würde, das ist einfach ein biederes Buch. Nein, es ist auch todkomisch. Es ist auch todkomisch. Es zeichnet auch eine Welt, die interessant ist. Natürlich auch dieser...

Auch im Übrigen, auch hier wieder natürlich eine junge Frau mit interessanten zeitgenössischen Problemen. Kann man interessanterweise mit Sebastian Hafner auch nochmal vergleichen, wenn man möchte. Sie ist eine Juristin, also auch da sind Frauen nicht etwa sozusagen an den Herd gefesselt, sondern sie will dann aber eine Karriere machen beim Film und

Aber so ist die Welt dann aus Erich Kästners Sicht, diese schlimme Großstadtwelt, sie muss dann halt sich prostituieren und mit dem Filmdirektor schlafen, um überhaupt vorzukommen. Also eigentlich auch. Um Schauspielerin zu werden. Typische MeToo-Affäre eigentlich. So ungefähr, nicht? Und natürlich steht bei Erich Kästner fast schon so im Raum, ob es dann...

so eine kleine, solide, biedere Hochzeit dann nicht doch die bessere Wahl gewesen wäre. Ja, das schwingt mit, das ist einfach so. Aber trotzdem stellte ja diese Zeit ja nun einmal da. Im Übrigen habe ich letztens gesehen, gibt es eine grandiose Verfilmung von Dominik Graf

Fabian oder der Gang vor die Hunde ist der Film. Der ist sagenhaft gut. Ja, toll. Okay. Nein, wunderbares Buch. Genau. Mich ärgert es, Iris, weil jetzt ist dieses irgendwie auch tolle Buch von Kessner, was wir so gerne lesen, ist jetzt so in diesen Strom der Piefigkeit geraten. Irgendwie passt das auch nicht. Damit fühle ich mich nicht wohl. So richtig.

Weil es doch irgendwie auch wieder so eine ganz große Qualität hat. Ja, ich sag dir, was dagegen spricht. Er ist nicht piefig, weil er einen anarchischen Humor hat. Er ist dieser Moralist, man muss das ja nicht piefig nennen, aber dieser Moralist, der sagt das Einfache, wir möchten doch lieber kleinstädtische Küsse und wir möchten lieber die Mama als die Hure. Und so, schade, das hat er alles schon. Aber dann hat er eben diesen anarchischen Humor.

Und ich glaube, das ist es, dass es so ein Lesevergnügen ist. Und was so einen Spaß macht wie dieser Anarcho-Humor, das ist auf keinen Fall ein schlechtes Buch. Was liest du gerade? Ein Podcast von Zeit und Zeit Online. Produziert von Polartis.