Was liest du gerade? Ein Podcast über Bücher und was sie über die Welt erzählen. Ja, herzlich willkommen zu unserem Podcast Was liest du gerade? Mein Name ist Adam Soboczinski und Sie hören wie immer auch Iris Radisch. Hallo Iris. Hallo. Ja, wie immer beginnen wir mit einem Zitat, einem unbekannten Zitat, jedenfalls für Sie Zuhörerinnen und Zuhörer. Das geht folgendermaßen.
Der erste Satz.
Die Kinder müssen entscheiden, welches Geschlecht sie haben. Ob sie überhaupt eines haben oder vielleicht mehrere. Und später müssen sie entscheiden mit Menschen, welchen Geschlecht sie Geschlechtsverkehr haben wollen, wie sie verhüten oder ob sie nicht lieber ganz auf das Kinderkriegen verzichten sollten, um das Klima zu schützen. Und auch, weil sie nicht mit Sicherheit sagen können, ob es bis ihr Kind erwachsen ist noch eine Welt gibt, in die es sich lohnt, hineingeboren zu werden.
Ja, das ist das Zitat, das wir gerade gehört haben. Ein ganz kleines bisschen gekürzt haben wir es ausgesucht. Sagt dir das irgendetwas, Iris? Ja, das ist natürlich sehr lustig, obwohl es von einer eher traurigen Überforderung der heutigen Kinder redet. Durch die Dichte und natürlich auch ein bisschen durch die Übertreibung ist es schon komisch. Aber es erinnert mich in der Tat sehr an diesen, wie ich immer fand, Witz-
über heutige Kinder, wenn die zu ihrer Kindergärtnerin so ganz traurig sagen, müssen wir jetzt denn schon wieder spielen, was wir wollen? Also, dass Kinder im Grunde von dieser totalen Freiheit, das Machen-Dürfens, was sie wollen und alles Selbstbestimmen-Dürfens, dass sie in der Tat natürlich, zumindest wenn sie wirklich klein sind, davon überfordert sind.
Und eigentlich ganz gerne ein paar Eckpunkte haben oder vielleicht auch gesagt bekommen, was man denn Schönes spielen könnte und machen könnte. Also dieser Preis der Freiheit, der in der Überforderung besteht, ist da ganz gut aufs Korn genommen. Und ich habe das Gefühl, da steckt schon auch ein Körnchen Wahrheit drin. Ja, ja, es spricht hier eine ältere Person, so viel kann ich schon verraten. Und wenn man zurückblickt, ist es ja auch noch gar nicht so lange her, dass es...
sagen wir mal, sehr strikte bürgerliche Normen gab, wie man zu leben hat. Natürlich heterosexuell, natürlich in die Ehe und natürlich eine Ehe, dass man auch eine gute Partie macht. Und dementsprechend war sehr, sehr vieles vorgegeben, wie man zu leben hat. Und man wurde auch entsprechend sanktioniert, wenn man nicht so gelebt hat. Das hatte einen gewissen Preis. Man wurde dann meistens Künstlerin oder Künstler oder sowas, wenn man sich nicht daran gehalten hat.
Nur, das Problem ist natürlich, dass die Befreiung immer...
immer auch mit Schattenseiten notwendigerweise verbunden ist, weil es sozusagen eine Optionalität ins Leben setzt, wo die Freiheit dann wieder als Unfreiheit erlebt wird. Es gibt ja so eine Dialektik in diesen Dingen, wobei man natürlich trotzdem konstatieren muss, dass diese Freiheit, in der wir leben, vermutlich mehr Vorteile als Nachteile hat, oder? Ja, ich glaube, ja. Natürlich ist Freiheit immer besser als Unfreiheit. Das ist ja wohl keine Frage.
Und diese Vorschriften, von denen du redest, wenn sie wirklich restriktiv sind, das ist natürlich alles wie immer im Leben eine Frage der Balance und des Maßes. Also wenn sie erdrückend sind, ist das schrecklich. Wenn sie vielleicht aber so ein bisschen was wie einen Lebensrahmen bieten, in dem man sich aufgehoben und vielleicht auch, Stichwort, geborgen fühlt. Weil die totale Freiheit kann natürlich auch etwas Ungeborgenes haben, weil man so überhaupt nicht weiß, wo sind die Leitplanken.
Und wo kann ich mich zur Not auch mal festhalten? Letztlich kommt man immer bei dieser spießigen Wahrheit an, dass die Dinge eine Frage des Maßes sind. Ganz sicher ist aber die Alternative eines völlig geregelten und restriktiven Aufwachsens für Kinder, die ist sicherlich nicht besser. Also insofern stimme ich dir völlig zu. Ja, das Zitat ist aus einem Buch, das aktuell...
erfolgreich ist. Die Autorin ist auch eine sogenannte Erfolgsautorin, könnte man sagen. Katharina H. Gehner. Viele kennen ihren sehr bekannten Roman Der Geschmack von Apfelkernen. Jetzt kam ihr neues Buch heraus Flusslinien bei Kiwi im Kiwi Verlag und das ist ein recht typisches, schönes Buch der Autorin, nämlich geht es wieder um Menschen unterschiedlicher Generationen, die
sich erinnern, die schicksalshaft, könnte man sagen, miteinander verbunden sind und die in ein bestimmtes Beziehungsgeflecht miteinander geraten. Aber es geht hier in diesem Roman schon noch einmal einfach um auch eine sehr alte Person, die sehr, sehr viele Erinnerungen hat. Und davon ist dieses Buch belebt. Und ja, ich finde es sehr schön. Und deswegen wollte ich dieses Zitat auch unbedingt heute hier mit drin haben.
Dann kommen wir doch einfach mal zu unserem ersten Buch. Das ist eigentlich schon so ein bisschen unter dem Stichwort, ja, jetzt kommen die Sommerferien, jetzt macht man Reisen, jetzt plant man Reisen. Das ist nämlich eine historische Reisereportage, könnte man sagen, ein Reisetagebuch und zwar von Ré Suppôt.
Ré Soupault, da ist ein relativ, jedenfalls für Eingeweihte vielleicht, ein bekannter Name. Soupault, das war so ein großer Surrealist. Philipp Soupault, mit dem Ré Soupault auch in der Tat verheiratet war. Sie selber ist aber nicht Französin, obwohl das sehr französisch jetzt natürlich klingt. Sie ist Deutsche, hieß auch ursprünglich Ré.
Richtig schön deutsch, Erna. Erna Niemeyer. Kam aus Pommern und hat eine sehr bewegte, interessante Lebensgeschichte. Die ist nämlich ganz jung, schon mit 20 Jahren ans Bauhaus gekommen.
Und war da zusammen mit Paul Klee, Walter Gropius, Vasily Kandinsky, wurde Künstlerin, wurde Textilkünstlerin, wurde dann in Berlin Modejournalistin, wurde dann Korrespondentin in Paris für Mode, hat Kleider entworfen und, und, und. Also wirklich ein sehr bewegtes Leben.
Bis sie Philippe Soupault kennengelernt hat und dann mit ihm ewig auf Reisen war. In Tunis, bei Reportagen, sie wurde Fotografin. Also was hat sie nicht alles gemacht? Jetzt hier erwischen wir sie auf einem Fahrrad, kann man sagen. Also das ist so eine frühe Form des E-Bikes vielleicht, wird aber noch mit Benzin angetrieben. Und mit diesem Fahrrad fährt sie durch die Provence.
Und zwar ist das nach dem Krieg. Sie ist knapp 50 Jahre alt, hat sich von Philippe Sopo getrennt, ist zurück nach Europa. Sie haben also während des Krieges, das habe ich jetzt ausgelassen, haben sie in New York gelebt, ist zurück und macht jetzt diese Sorge.
Fahrradreise und schreibt jeden Tag auf, was sie auf diesem Fahrrad erlebt. Das Buch heißt Café mit Croissant in Avignon, weil das ist der Ausgangspunkt ihrer Reise. Sie fährt von Avignon los und macht dann eine lange Tour mit dem Rad über die Côte d'Azur.
Bis tief nach Frankreich, bis nach Besançon und Richtung Basel wieder. Das Buch war, glaube ich, nie zur Veröffentlichung gedacht. Das ist auch der große Charme, finde ich. Das hat sie buchstäblich auf den Knien. Nach dieser Radtour jeden Abend hat sie das aufgeschrieben, was sie erlebt hat, wie sie Frankreich findet, wo sie in ihrem Leben steht.
Und das ist ein wunderbares Protokoll. Einmal dieser Provence-Reise Anfang der 50er Jahre, aber auch über das Leben einer Frau, die so in der Schwebe ist nach dem Krieg, gar nicht weiß, wie das Leben weitergehen soll. Und von dieser Leichtigkeit und Offenheit haben diese Notate eine ganze Menge.
Ja, mir hat das auch sehr gefallen. Herausgegeben hat das übrigens Manfred Metzner, der sich überhaupt sehr verdient gemacht hat in dem Wunderhorn Verlag um ihr Werk und auch letztlich dazu beigetragen hat, dass sie auch wiederentdeckt worden ist vor ein paar Jahren. Lange Zeit hat man sie, wie auch im Übrigen viele,
viele Frauen dieser Generation auch schlicht vergessen. 1901 ist sie geboren worden. Sie starb, glaube ich, 1996 in Versailles. Sehr alt geworden. Und
spielte dann auch eine ganz große Rolle. Ja, was zeichnet das aus? Also ich meine, es ist tatsächlich diese vollständige Beiläufigkeit. Sie erlebt ja durchaus einiges. Diese Art motorgetriebene Fahrrad, so ein bisschen wie diese E-Bikes jetzt heute, wo man sich erschreckt, wie schnell man da sein kann. Man wird da ja manchmal richtig überrollt fast.
Und da ist das natürlich so ganz toll, wie sie diese Einzelbeobachtung beschreibt. Also sie ist an der Côte d'Azur beispielsweise, sie in der Provence und besichtigt auch durchaus so etwas wie eine
von Gesamt, ja, von Gesellschaft, von Gesellschaftsschichten. Diese Paläste sind nicht mehr bewohnt, ja, von Großfamilien, also das Großbürgerliche, ja, oder das quasi Aristokratische, was es dort gegeben hat, ist einfach abhandengekommen, ja, da werden jetzt Wohnungen draus gemacht oder die Dinger stehen leer. Gleichzeitig beobachtet sie, wie hier schon wieder das Geld neu hineinzieht, ja, wie der Tourismus auch schon beginnt, diese Orte zu verwandeln, ja,
Und was amüsant ist, ich mag ja diese Art von Tagebucheinträgen grundsätzlich, weil da so Banalitäten drinstehen, wie teuer hier wieder eine Pension gewesen ist und wie unfreundlich wieder hier irgendjemand gewesen ist zu einem und wie freundlich dann wieder an anderer Stelle und so. Das heißt, es lebt auch ganz viel von grundsätzlichen Reflexionen, die es gibt und dann auch Banalitäten, Alltagsbanalitäten. Also was mir sehr aufgefallen ist, das ist wirklich, dass sie einen Blick zurücknehmen,
für Frauen hat. Das fällt richtig auf, also fast ein bisschen als roter Faden. Sie spricht zum Beispiel von dem Typ,
Typus der alten Frau in der Provence. Oder auch ihre Wirtinnen. Und sie erzählt die Schicksale dieser Frauen und findet die häufig sehr menschlich. Sagt, das sind sehr menschliche, sehr einfache Frauen. Dann sieht sie auch wieder junge Frauen. Sie sieht Kinder. Also man sieht wirklich, dass sie einen...
einen vielleicht sogar auch durch ihre Fotoreportagen geschulten Blicker. Das halte ich nicht für ausgeschlossen, weil auch in Tunesien auf der Reise hat sie bereits sehr viel verarbeitet.
Frauen fotografiert. Das war ihr wahrscheinlich als weiblicher Fotografin, da war sie immer unterwegs, für die Reportagen ihres Mannes die Fotos zu machen. Und ihr war es eben wahrscheinlich möglich, auch Kinder und Frauen auf diesen Reisen zu fotografieren. Das spürt man auch hier, wie sie schreibt. Also das finde ich, ist etwas, was sehr raussticht. Und dann natürlich auch, wie sehr sie den Süden liebt.
dass es eigentlich ein Dauerthema ist für sie. Frankreich, das Italienische. Sie überlegt sich, wo möchte ich überhaupt hin? Man darf nicht vergessen, sie ist hier wirklich buchstäblich im Nichts ihres Lebens. Sie hat ihre Ehe aufgekündigt, sie ist aus Amerika gekommen. Sie weiß überhaupt nicht, wo sie leben soll. Sie weiß nicht, wovon sie leben soll. Das ist so eine richtige Nullpunktsituation Anfang der 50er-Jahre.
Und sie sucht dann hier rum in den Dörfern, fragt rum, wo sie vielleicht wohnen könnte. Ja, überlegt auch ein Haus zu kaufen. Also ganz mittellos scheint sie nicht zu sein im Übrigen. Das finde ich ganz interessant. Es gibt also offenbar ein paar Möglichkeiten. Sie wird ja dann schließlich vor allen Dingen Übersetzungen auch machen, nicht? Ja.
wird für sie sehr wichtig sein. Interessant finde ich, wie beiläufig, also klar, sie etabliert sich ja dann neu und sie hat übrigens auch, was ihre künstlerische Arbeiten anbetrifft, auch durchaus ein
Schicksalsschläge erleben müssen, nicht? Denn gerade die Fotografien, von denen du sprichst, in Tunesien, da sind ja sehr viele verloren gegangen. Auf ganz tragische Weise, auch wieder wegen politischen sozusagen Umwälzungen musste ihr Mann und sie das...
sehr schnell verlassen und dementsprechend ist auch vieles verloren gegangen. Manches wurde dann später wiedergefunden. Und dann eben im Wunderhorn Verlag sind auch Fotobände rausgekommen. Im Übrigen diesen weiblichen Blick, dann gibt es natürlich bei ihr, weil dieses Sujet sie natürlich interessiert hat, sie hat in Tunesien Fotos gemacht, was damals noch vollständig undenkbar gewesen ist, von verstoßenen Frauen, von Männern, verstoßenen Frauen beispielsweise. Da gibt es eine ganze Fotoserie, die
sensationell gewesen ist. Was ich so interessant fand, mir fiel die ganze Zeit noch eine Parallelfigur auf aus der Zeit, nämlich Anne-Marie Schwarzenbach. Und ihre tollen Reisen. Und ihre tollen Reisen auch in Nordafrika, die auch im Übrigen sehr flüchtig dahin geschrieben sind. Das sind auch fast Tagebuchartige Aufzeichnungen. Ein bisschen verformter. So,
als die hier, aber letztlich ähnlich. Figuren, die müssen mich nicht alles täuschen, fast in ähnlicher Zeit da gewesen sein in der Gegend. Auch Fotografin natürlich und den Mitgliedern der Familie von Thomas Mann ja auch sehr gut befreundet, verbunden und so. Und das sind so diese, ja, interessant, weil das wirklich eine Generation ist,
Wo zum ersten Mal in einer großen, breiten Wirksamkeit Frauen als Künstlerinnen in Erscheinung treten, habe ich das Gefühl. Naja, also der große Aufbruch war ja hier eben noch natürlich in der Zwischenkriegszeit.
Also sie war eben diese moderne Frau, die das Transformationskleid entworfen hat. Sie hat sich auch für Mode sehr interessiert. Genau, das war ein Kleid, mit dem man sowohl ins Büro als auch abends in die Oper gehen konnte. Also die ganz praktische Frau. Und sie verkörperte natürlich auch ein bisschen diesen Typus der Garçonniere, also mit den kurzen Haaren und so unglaublich...
zäh irgendwie. Und das ist eine Frauengeneration und vielleicht auch ein Frauentypus, für den es damals ja gar kein Vorbild gab. Also diese Frauen haben so viel experimentiert, so viel zum ersten Mal, also eine alleinreisende Frau, ganz allein, also Schwarzenbach in ihren tollen Autos und sie hier wirklich auf dem Fahrrad. Also das sind
So neue Erscheinungsformen, die haben wirklich etwas ausprobiert, was es so noch nicht gab und unbedingt
Hinweisen müssen wir aber auch noch auf den auch schon erschienenen zweiten Band ihrer Fahrradreisen. Der heißt nämlich überall Verwüstung abends Kino. Und das ist eine Reise, die sie kurz nach dieser Frankreichreise gemacht hat und die führte sie eben auch 1951, aber dann im Herbst nach Süddeutschland.
Und das ist ein sehr viel, ich würde schon sagen, weniger leicht geschriebenes, etwas traurigerer Bericht, weil sie natürlich durch ein immer noch sehr zerstörtes Deutschland fährt, durch ein Deutschland, das sie deprimiert mit Menschen, mit Deutschen, die auf sie einen eher schrecklichen Eindruck machen. Deutschland ist für sie etwas...
wo sie sich nicht vorstellen kann, länger bleiben zu wollen. Es ist zerstört, es ist deprimierend, die Leute sind deprimierend. Es gibt auch, was man fast erschütternd liest, auch einen enormen Franzosenhass. Es gibt auch... Nicht bei ihr, sondern bei den Deutschen, die sie da trifft. Es ist ein ganz interessantes Buch. Ich finde, dieses Buch über Verwüstung abends Kino ist faszinierend.
Vielleicht noch etwas aus unserer Perspektive zumindest noch etwas interessanter, weil diese Nachkriegszeit mir persönlich beispielsweise immer noch am dunkelsten ist. Wir haben ja diese, wir haben hier ja eine Epoche, die vor dem Wirtschaftswunder noch besichtigt wird. Sie spricht ja von enormer Armut auch, das wird ja auch immer wieder gezeigt. Überall Flüchtlinge noch, es ist so schrecklich und dann
fügt sie immer wieder ganz interessante Reflexionen ein. Also, das schreibt sie an einer Stelle, da geht es schon um Mentalitäten und diese Dinge, die natürlich noch so stark sind. Habe Sehnsucht nach Italien. Immer geht es mir so, wenn ich in Deutschland bin. Hier strömt der Osten über. Ja, das ist sozusagen das Problem. Also, nicht? Das ist...
Es ist weniger und weniger das auf Rom gegründete Europa und wir gehören diesem Kulturkreis an, nicht dem asiatischen und so weiter. Und dann auch interessant, obwohl sie aus Amerika kommt, als verhängnisvoll empfinde ich den Einfluss des Amerikanismus.
Ja.
Also es ist auch noch so, wie soll ich sagen, es ist noch nicht so formiert. Aus heutiger Sicht würde man sagen, naja, die Westbindung, im Nachhinein wissen wir es, war nun die beste Entscheidung, die sozusagen in Westdeutschland getroffen werden konnte. Ja, das war
Ich glaube, sie hat nichts gegen die Westbindung, wenn sie nur bis zum französischen Atlantik gegangen wäre. Also sie ist einfach, das sieht man, sie ist so von der romanischen Kultur geprägt. Sie ist zum Beispiel auch ganz entsetzt, dass sie den Verleger Pieper trifft, wo sie sagt, der ist nicht mal bereit, die Tagebücher von Gilles zu veröffentlichen, die findet er zu leer.
Und Reflektionen über die Deutschen, die einfach keine Eleganz im Sprechen haben. Die sich nicht bemühen, wenn sie sprechen, dass es unterhaltsam, dass es wohlgefährlich ist. Sondern die immer nur auf den Zweck, auf die Effizienz ihres Sprechens aus sind. Also solche Überlegungen durchaus zum deutschen und romanischen Charakter strengt sie da schon an. Und sie ist auch sehr, sie spürt auch schon, du sagst, es ist natürlich vorm Wirtschaftswunder,
Stimmt schon, 51, aber sie spürt schon, sie sagt, dieses Gefühl von Schaffensfieber schon wieder bei den Deutschen. Das findet sie entsetzlich. Dass sie also kaum aus den Ruinen auferstand, schon wieder im Schaffensfieber. Und das alles macht sie sehr deprimiert. Und sie sagt, ich fühle mich hier oft so verloren, dass ihr das Leben völlig sinnlos vorkommt. Und dann ist eben immer wieder Italien oder Südfrankreich passiert.
Der Referenzpunkt, der Hauptreferenzpunkt. Ja, und das Licht des Südens. Auch die armen Deutschen, was sind das für arme Menschen, die ohne das Licht des Südens leben müssen. Das ist trauriger Norden, schreibt sie. Diese düstere Kälte. Und dabei ist sie im September unterwegs. Dieses traurige Land.
Diese traurigen Menschen, das schreibt sie im September 1951 in München. Es wird dann ein bisschen differenzierter hier und da. Wenn sie dann so im Süden von München ist und so, dann wird es auch ein bisschen milder, ihr Blick und so. Es ist nur erst einmal ein Kulturschock und ich glaube in der Zeit ein besonderer Kulturschock, wieder zurückzukehren. Das darf man auch nicht vergessen. Das ist sozusagen nochmal eine
Das harsche Urteil. Weil das Interessante ist, dass sie kaum einmal, wenn dann nur ganz am Rande über die Verbrechen spricht. Das wird ausgeklammert. Und das geht alles nur über so eine kleine Mentalitätsbeschreibung. Da ließe sich noch viel anderes Schreckliches sagen. Das ist eigentlich interessant. Aber gut.
Nun darf man nicht vergessen, sie hat jetzt keine Abhandlung geschrieben, sondern es sind diese flüchtigen Notizen. Naja, und eben auch, um nochmal dran zu erinnern, nicht für die Nachwelt, sondern eigentlich sind es private Notizen für den Augenblick. Und dafür sind sie doch erstaunlich reflektiert und auch wirklich sehr, sehr gut lesbar heute. Ja, auf jeden Fall. Ja, sehr schön. Kommen wir zum nächsten Buch. Und das Buch ist...
von einem Autor, den ich sehr mag. Der heißt Stieg Dagermann. Der ist nördlich von Uppsala geboren worden, 1923. Und ist mit nur 31 Jahren gestorben, weil er Selbstmord gemacht hat. Der war damals einer der größten Hoffnungen, könnte man sagen, der europäischen Literatur. Er wurde wahnsinnig gefeiert.
Schon mit seinem ersten Roman, existenziellen Roman, Die Schlange. Dann hat er Die Insel der Verdammten geschrieben. Eine ganz große literarische Hoffnung der Zeit. Und dann brach das im Wesentlichen ab, dadurch, dass er immer stärker in Depressionen abgeglitten ist und sich schließlich umgebracht hat. Ich bin zuerst auf ihn aufmerksam geworden, weil...
aufgrund eines Buches im Gugolz Verlag,
Deutscher Herbst heißt das, ist vor wenigen Jahren erschienen und das sind Reiseberichte gewesen, Reportagen aus dem zerstörten Nachkriegsdeutschland. Da sind wir wieder bei dem letzten 10.10.1946. Etwas früher. Fünf Jahre vor Ressourc. Und die sind sagenhaft stark. Das ist ein sagenhaft starkes, interessantes Buch gewesen und
Wir haben jetzt hier ein kleines Buch dieses schwedischen Autors aus dem schwedischen Übersetz von Paul Berf, Trost. Und dieses kleine Bändchen im Fischer Verlag erschienen, das ist auch noch angereichert worden von einer Art interessanten Erwiderung der Schriftstellerin Felicitas Hoppe. Finde ich sehr, sehr schön.
wird das durch seinen kleinen Lebenslauf. Ein ganz hübsches kleines Bändchen zum Mitnehmen, wenn man schwermütig ist und nach Trost sucht. Vielleicht nicht zwingend. Ich bin mir nicht sicher, ob man Trost aus diesem Buch findet. Aber es ist auf jeden Fall irgendwie, irgendetwas hat mich daran tatsächlich fasziniert. Vor allen Dingen, glaube ich, dieser wirklich wunde, existenzielle und irgendwie sehr authentische Ton. Man kann es ja ein bisschen begreifen, wie
oder so ist es, glaube ich, auch begriffen worden damals, wie ein A-Testament, eines seiner letzten Texte, also 51 geschrieben, 54 geschrieben.
Ist er dann gestorben und es geht natürlich um seine Verzweiflung. Es geht darum, dass er keinen Halt hat, keine festen Orientierungspunkte, keinen Gott und auch sonst nichts, was ihn auf dieser Welt hält. Und das ist, glaube ich, ein bisschen mehr unerlässlich.
als die Unsicherheit, die wir in unserem Eingangszitat besprochen haben. Also nicht nur der Preis einer zu großen Freiheit, sondern hier geht es wirklich darum, um eine existenzielle Angst zu haben,
vor dem Tod, davor, ins Nichts zu stürzen, davor, dass nichts bleibt. Also das sind wirklich die ganz großen Schicksalsfragen, die ihn umtreiben. Und wenn man sich seinen Lebenslauf anguckt, dann sieht man ja auch, dass er vielleicht auch ein bisschen prädestiniert war, sich solche großen Fragen zu stellen, weil er hat seine Mutter sehr früh verloren, die hat die Familie verlassen, der Vater hat ihn zu den Großeltern irgendwie ins...
ins Nichts, aufs Land gegeben. Dann ist der Großvater, als er noch recht jung war, ermordet worden. Ein Freund, mit dem er beim Wandern war, ist tödlich verurteilt.
Ja, da kam ein bisschen was zusammen. Da kam ein bisschen viel zusammen. Und das muss man nicht unbedingt wissen, aber wenn man das weiß, merkt man natürlich, dass so eine Tiefe wirklich in den Grundfesten, dass eigentlich die Grundfesten weggebrochen sind. Und er nun eben überhaupt nicht weiß, wo kann man Trost finden. Und dann finde ich aber sehr toll an diesem Text,
Dass er natürlich auch sagt, ja, aber falschen Trost will ich jetzt auch nicht. Obwohl er das Ganze lange umwälzt und immer wieder erklärt, wie ausgesetzt er sich fühlt. Und das ist natürlich auch in der Zeit, also Anfang der 50er Jahre, das ist ja auch die Zeit, in der die Existenzialisten von der Bodenlosigkeit der Existenz, also das ist die Zeit, in der...
der Sisyphus von Camus ja auch erschienen ist. Ja, das ist genau die Zeit. Also das spielt natürlich alles rein. Und er sagt ein bisschen, wie Camus eben auch sagt, einen falschen Trost lassen wir uns aber nicht andrehen. Letztlich halten wir diese Ungeborgenheit lieber aus. Das ist eigentlich das, was er einem hier anbietet. Er sagt, nein, und wenn wir noch so viel Angst haben, noch schlimmer als die Angst ist ihre Verleugnung.
Ja, ja, ja, klar. Nein, es geht schon ganz stark um Autonomie. Mich hat es auch stellenweise auch natürlich an Cioran erinnert, Emile Cioran, dessen Werk ja auch im Wesentlichen um den Selbstmord kreist, beständig und
Hier geht es ja auch um diese Kraft, sozusagen die Selbstbestimmung zu haben über sich selbst. Das ist das, was ihm am Ende des Tages den größten Tod, äh, Trost gibt. Tod allerdings auch, ja. Das ist das Problem. Und ich finde, was toll ist, es gibt
Es gibt ein paar sehr magische Sätze da drin, finde ich. Vielleicht sagst du, liest du die vor, weil das ist immer schön. Naja, ich meine beispielsweise, manches kann man ja auch spontan nachvollziehen. Nicht, wenn er sagt, ich kann im geborgensten aller Zimmer vor dem Kaminfeuer sitzen und plötzlich spüren, wie mich der Tod umgibt. Er ist im Feuer, in allen scharfen Gegenständen ringsum, im Gewicht der Decke und der Masse der Wände. Er ist im Wasser, im Schnee, in der Hitze und in meinem Blut.
Was ist die menschliche Geborgenheit dann anderes als ein Trost dafür, dass der Tod dem Leben am nächsten steht? Und welch ein schwacher Trost, der uns einzig daran erinnert, was er uns vergessen lassen will.
Also ich kann das ja nachvollziehen, wenn man sich erst einmal darauf konzentriert, wo überall um einen herum die Gefahr ist und lauert und wie eng man verbunden ist mit dem Dahinscheiden, da wird man natürlich verrückt. Interessant ist natürlich, dass dieser Existenzialismus, der hier sehr deutlich zum Tragen kommt,
Dass der offenbar nicht einfach eine französische Spezialität gewesen ist, sondern stark angetrieben wird. Natürlich von dieser Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, der Umwälzung, die es gegeben hat. Das ist ja genau der Autor, der sozusagen durch Deutschland gereist ist nach 1945, der sozusagen diese maximale Trostlosigkeit gesehen hat in den Weltkriegen.
dieses Massensterben. Wie Réseau-Po, die so verzweifelt auf ihrer Deutschlandreise war. Nur nicht so existenzielle Schlussfolgerungen daraus. Für ihn ist das ja auch schon ein...
mehr als eine historische Katastrophe, sondern aus der historischen Katastrophe erwächst für diese Existenzialisten eben eine metaphysische Katastrophe. Also die rechnen das hoch auf das große Ganze. Das muss man schon sagen, dass er hier nicht sagt, das ist eine Zeiterscheinung, sondern dieses haltlos Erstehen
seelisch haltlos im freien Raum sich fühlen, das ist eigentlich Beckett. Das ist ja auch der Autor dieser Zeit. Und auch noch ohne den Humor, den Beckett ja immer noch hat. Ja, in anderen Texten ist er durchaus humorvoll. Das ist eben gerade jetzt natürlich nicht dieses Sujet gewesen, was er gewählt hat, wenn es um diesen kleinen Essay geht. Dabei sollte dies, obwohl wir das jetzt noch gar nicht erwähnt haben, er hat ja eigentlich...
versucht, hier Hoffnung zu beschreiben. Er sagt schon, ja, es gibt schon Hoffnung, wenn wir nur aufhören, uns mit der Zeit zu beschäftigen und sagen, wir müssen in der Zeit leben. Wenn wir sagen, nein, der Augenblick reicht uns. Und zwar, das ist ja im Grunde auch ein klassischer Topos, die Seligkeit des Augenblicks, die Schönheit des Augenblicks, das Sein ohne Dauer.
Und dann brauchen wir natürlich auch nicht mehr an Leistung zu denken, nicht mehr an Ruhm zu denken. All das spielt ja für den Augenblick überhaupt keine Rolle. Dann gäbe es vielleicht Trost, aber das ist natürlich kein haltbarer Trost. Also dieser Aporie bleibt erst stecken. Und was glaube ich hier auch für ihn...
Er hatte ja auch immer wieder große Schreibkrisen offenbar. Also er konnte ganz schnell ganz viel und dann ewig gar nichts schreiben. Und hier spürt man schon auch, wie er vor seiner eigenen Begabung Angst hat. Also indem er eben zum Beispiel sagt, dass ihn auch sein Talent versklavt. Und zwar, weil er dann immer Angst hat, es zu...
Es verloren zu haben und deswegen will er es überhaupt nicht gebrauchen, weil er Angst hat, dann hat er es nicht mehr. Also so Ängste, dass dieses Wunderkindhaftige, was ihm ja auch sicherlich zu Recht immer wieder nachgesagt wurde, dass er das nicht halten kann. Dass er dieses Wunderkind, was er war, nicht bleiben kann. Also ein bisschen ja auch...
Dieses tragische Schicksal der Frühvollendeten, weil er eben schon mit Anfang 20 den maximalen Erfolg hatte. Ja, ja, ich glaube, es ist ein ganz kleines bisschen, ich mag auch die Erwiderung von Felicitas Hoppe sehr, muss ich sagen. Ich will nicht sagen, sie macht sich über ihn lustig, aber ein ganz kleines bisschen erdet sie ihn an einigen Stellen, indem sie so ein bisschen...
das ist jetzt zu flapsig von mir gesagt, natürlich sagt, naja gut, es gibt halt sozusagen, natürlich man will halt einfach sehr wirken mit den Worten, die man hat. Man will auch als Schriftsteller Erfolg haben und das ist und er hat und beschreibt ein bisschen mit welchen ungeheuerlichen Ansprüchen Dagermann ans Leben getreten ist. Dementsprechend auch das Scheitern dann auch ein ganz kleines bisschen auch
fast schon notwendig hat machen lassen. Ja, was sozusagen so...
Aber ja, schön. Also es ist eine sehr aufwühlende Lektüre, muss ich sagen. Trotz aller Zeitbedingtheit und weil man natürlich schon sieht, wo das literaturgeschichtlich hingehört, kann man nicht umhin zu sagen, ja, aber das sind nun mal die großen Fragen. Wir würden sie heute ein bisschen anders verpacken. Wir hätten wahrscheinlich nicht mehr dieses Pathos. Wir sind ja einfach Ironie durchsetzt und würden das nie mehr so
so direkt angehen, diese großen metaphysischen Fragen. Aber davon gehen sie ja nicht weg. Nein, nein, davon gehen sie nicht weg. Nun sind sie anders, obwohl wir jetzt mit sehr vielem Schrecken um uns herum wahrnehmen, sind es unseren Biografien natürlich nicht.
diese existenzielle Erschütterung widerfahren, weltpolitisch wie diesen Figuren natürlich. Das ist etwas vollständig anderes. Ich kann das nochmal veranschaulichen, was Felicitas Hoppe geschrieben hat, wo sie ein bisschen so wendet oder kritisiert. Denn in Wahrheit ist nicht unser Bedürfnis nach Trost, sondern unser Wunsch nach menschlicher Anerkennung und Bedeutung unstillbar. Musik
Hallo, ich bin Maria Rossbauer. Und ich bin Florian Zinnecker aus dem Hamburg-Resort der ZEIT. Wir machen einen Podcast namens Elbvertiefung. Da sprechen wir jede Woche über das, was Hamburg bewegt. Mal über Fahrradwege, Wohnungsbau oder Kiezkultur. Und mit dem Elbvertiefungs-Newsletter bekommen Sie von Montag bis Samstag alle News aus der Stadt direkt morgens um 6 Uhr in Ihr Postfach. Jetzt anmelden unter zeit.de slash hamburg minus newsletter. Und natürlich reinhören in den Podcast. Musik
Kommen wir zu unserem sogenannten Klassiker, der diesmal so klassisch vielleicht gar nicht ist, aber immerhin doch einen bereits verstorbenen Autor.
nämlich Philippe Jacotet, der in diesen Tagen Ende Juni nämlich 100 Jahre alt geworden wäre, wenn er nicht 2021 hochbetagt gestorben wäre. Und nach wie vor erscheinen also
Seine kleinen, schmalen Bände, sie sind bisher immer in den schönen Übersetzungen von Elisabeth Edel und Wolfgang Matz im Karl-Hanser-Verlag erschienen und erscheinen inzwischen aber bei Wallstein. Das Buch, um das es jetzt geht, ist in der Edition Petraka im Wallstein-Verlag erschienen.
Philippe Jacoté, Bonjour Monsieur Courbet. Das sind kleine Porträts, größere Porträts seiner Freunde, seiner Künstlerfreunde. Und das ist ganz schön, finde ich, weil man ihn da sozusagen im Spiegel all seiner Freunde und all dieser Maler, die er verarbeitet.
so geschätzt hat und die er natürlich deswegen so geschätzt hat, weil sie, das wäre meine These, weil sie ihm so ähnlich sind oder weil sie eine Ästhetik gefunden haben, die in irgendeiner Weise korrespondiert mit seiner Art zu schreiben.
die ganz einzigartig und auch gar nicht so leicht zu charakterisieren ist. Er ist natürlich einerseits Philipp Jacotet ein Dichter, aber das ist immer mehr im Lauf der Jahre, und er hat ja fast 60 Jahre lang veröffentlicht und geschrieben, ist das immer mehr so eine Hybridform geworden, wo sich Poesie, Prosa und Philosophie so vermischt hat. Es war ein ganz...
Er ist ja ein großer Liebhaber der deutschen Romantik und vor allen Dingen auch von Novalis. Also das waren dann eigentlich so Art Blütenstaubfragmente, die er geschrieben hat. Und da mit einer ganz eigenen Ästhetik des Stillen, des Zurückgenommenen, des Betrachtenden. Und da ist jetzt eben interessant, dass er hier, wenn er seine Malerfreunde sieht,
porträtiert sich eben vor allen Dingen solche Maler ausgesucht hat, die auch eher still, eher zurückgenommen, eher ein bisschen asketisch arbeiten. Das sind eben durchaus die Maler,
Ja, die Werte, die für ihn ganz, ganz wichtig waren. Ja, das stimmt. Im Übrigen haben wir es hier wieder mit diesem Fall zu tun, dass wir es mit einer, ja, Hybridinteresse zumindest, wenn nicht Doppelbegabung sprechen kann, wie bei Sopin, die Künstlerin gewesen ist, Fotografin, Modemacherin,
haben wir es hier mit einem Dichter zu tun, der in der gesamten Malerwelt natürlich beheimatet ist, im künstlerischen Ausdruck und davon auch sehr viel Inspiration gewonnen hat und immer wieder ganz massiv. Ganz wichtig. Also immer diese Medienwechsel, mit denen wir es heute sehr stark zu tun haben und
Ich finde, das sind ganz bezaubernde kleine Texte, die wir hier vor allen Dingen finde ich sehr, sehr schön. Die Beschreibung von Alberto Giacometti, dem Bekannten, die finde ich ganz toll. Diese Beschreibung von ihm, weil sie so...
Er beschreibt so ganz eindringlich, wie, jetzt sind wir wieder, verbindet sich heute alles, wie bei Stieg Dagermann geht es und bei Giacometti, in jedem Bild, wenn man es sich genau anschaut, wirklich in jedem um die Flüchtigkeit des Augenblicks, dem schon der Tod eingeschrieben ist.
ist die Vergängnis, das ist kaputt, das ist schon nicht mehr. Und das beschreibt er so wunderbar, finde ich, in diesem Text. Ja, ganz toll, wie er dann sagt bei Giacometti, er spricht so von dessen Verbissenheit. Das weiß man ja auch. Giacometti konnte ja nicht aufhören. Dem musste man ja geradezu die Zeichnungen, die Skulpturen wegziehen, weil er ja ewig weiter an denen gearbeitet hat. Es war ja für ihn nichts Falsches.
Nichts konnte je zur Vollendung kommen. Und diese Verbissenheit, sagt Giacometti, die war, und da sehe ich die Parallele ganz genau wie du, auch angetrieben vom Tod, von einer Todeserfahrung. Und wenn man sich diese Porträts von Giacometti, die ja völlig...
verzeichnet sind. Also in diesen Gesichtern sind ja Landschaften eingezeichnet. Da sind natürlich auch, da ist immer der Tod eines Menschen mitzusehen. Völlig richtig. Er beschreibt ja auch fast von einem biografischen
Einmal soll Giacometti, als er konfrontiert worden ist damit, dass man ja auch ein Kind haben könnte oder sowas, reagierte er mit heftiger Ablehnung. Mit dem Geständnis wohl neben weiteren Gründen, er würde ständige Angst verspüren beim Anblick der Prüfung.
der pulsierenden Venen des Kindes direkt unter der Haut, unter der viel zu dünnen kindlichen Haut. Einmal mehr die Herrschaft des Todes, der Zerbrechlichkeit des Menschen. Das ist überhaupt das Stichwort, die Zerbrechlichkeit des Menschen. Das ist, glaube ich, auch was Jacoté so beeindruckt hat. Und natürlich auch das...
Ja, das aufs Wesentliche konzentrierte, was in diesen Skulpturen ja vor allem, die ja jeder vor Augen hat, diese völlig ausgemergelten kafkaesken Figuren, die, glaube ich, Jacotés Gefallen gefunden haben, weil er auch
ein Dichter war, der ganz gegen Opulenz war. Das hat ihn nicht interessiert. Das kann ich vielleicht noch... Er ist sehr stark mit Landschaftsbildern. Genau, das wollte ich gerade noch einflechten. Der ist eben...
Jacoté sehr verbunden mit einer südfranzösischen Landschaft, in der er eben wirklich über 60 Jahre gelebt hat, nämlich mit dem kleinen Dorf in der Drome, das heißt Grignan. Da ist er ganz jung mit seiner Frau hingezogen, aus Paris, weil sie eben dieses Großstadtleben nicht wollten.
Und das ist ein wunderschönes mittelalterliches Dorf, was unter so einer großen Schlossanlage so sich so irgendwie an den Berg schmiegt und das ist wirklich wie aus der Zeit gefallen, wenn man da in diesen Gassen ist und
Und sich Jacoté da vorstellt, wie er da auf diesen uralten Steinen jeden Tag rumgetappert ist. Das war eine Welt, in der er archaische und urtümlich poetische Erfahrungen machen konnte, die sein Werk wahnsinnig geprägt haben. Er war gegen jede Opulenz in der Rhetorik, in der Bildlichkeit. Er suchte eigentlich immer das...
Ja, er das Reduzierte, das, was fast schon verschwindet, was so ein bisschen eben aufs Wesentliche reduziert ist. Und da war einer seiner ganz wichtigen Vorbilder und Künstler selbstverständlich auch Giorgio Morandi. Mhm.
Wenn man dessen Bilder vor Augen hat. Der wichtigste vielleicht für ihn. Vielleicht einer der wichtigsten. Wenn man diese ja irgendwie grau in Sandfarben, dieses völlig, also fast ganz in die Erde zurückgenommene, diese einfachen
Gemälde von Morandi, die ja auch nichts Spektakuläres zeigen. Eine Vase, drei Flaschen, die einfachen Gebrauchsgegenstände des Menschen. Und das...
Das ist etwas, was ihn, glaube ich, zutiefst... Ich weiß nicht, ob es ihn... Er hatte noch andere Lehrmeister. Auch in der Literatur hatte Jacoté natürlich große Lehrmeister. Aber diese Ästhetik, die er auch, glaube ich, viel von Cézanne übernommen hat, dieses Gedämpfte, dieses eher Verhaltene, ein bisschen ärmlich, demütige, aber doch...
Selbstbewusstheit. Das ist etwas, was ihn, glaube ich, unglaublich gut genutzt hat. Ja, es ist eine Selbstcharakterisierung. Wenn er über Morandi schreibt, es gibt darin weder Ereignisse, ob mythologisch oder sonst etwas, noch weite Landschaften, noch die Gegenwart von Menschen und schon gar keine Symbole. Und seine Malerei ist dadurch nicht weniger menschlich. Und dann, er beruhigt wie das Tischgebet. Ja, ja, ja. Ich glaube, also...
Jacques Coutet, der natürlich sehr offen war, hat ja auch sehr viel übersetzt, muss man sagen. Also vor allen Dingen Musiel, er hat den ganzen Mann ohne Eigenschaften ins Französische übertragen. Also er war auch ein großer Übersetzer. Hölderlin hat er übersetzt, aber auch aus dem italienischen Ungaretti. Auch ein Dichter, der ihn, glaube ich, sehr beeinflusst hat. Aber hier eben für ihn so wichtig eine Ästhetik, wo der Mensch nicht so im Vordergrund steht. Und das ist auch sein...
prägt auch sehr sein Schreiben. Was natürlich immer ein dichterisches Paradox ist, weil natürlich spricht der Dichter, wenn er spricht, aber der Versuch sozusagen, sich ganz zurückzunehmen, die subjektive Stimme so weit wie möglich zurückzunehmen und die Welt sprechen zu lassen, sicherlich ist das nur eine Vorstellung, aber eine, die eben für ihn poetisch sehr fruchtbar geworden ist.
Es sind noch wunderschöne andere Dichterporträts. Ich mochte eben auch gerne die, die von seinen unmittelbaren Freunden kommen. Es gibt ja auch zwei Dichter, die sich in Grignon angesiedelt haben, weil sie mit ihm befreundet waren. Einer hieß Gérard de Palicieux.
Die beiden sind, glaube ich, der hat sich denn richtig in diesem mittelalterlichen Dorf da auch ein Haus restauriert und hat dann da gemalt. Und das war, glaube ich, wirklich eine richtige Künstlerfreundschaft. Die sind täglich miteinander umgegangen. Die haben zusammen, weiß ich nicht, was gemacht. Die wohnten ein paar Schritte voneinander entfernt. Und wie er ihn beschreibt, das merkt man eben auch, dass er...
er sagt, er malt Landschaften wie ärmliche Zimmer. Und man könnte eben auch sagen, Jacoté beschreibt auch Landschaften wie ärmliche Zimmer, wenn er da diese Steineichenlandschaften oder diese Lavendelfelder, wenn er das...
Auch in der Kargheit, die das in der Droben hat, beschreibt, kann man auch sagen, es hat eben diese poetische Ärmlichkeit, die er auch bei seinen Freunden wieder gefunden hat. Das Grau, dieses vergilbte Grün, das Erdige dieser Welt, das hat der...
hat der Palissieu eben versucht, malerisch umzusetzen und Jacoté hat es versucht, literarisch umzusetzen. Wobei es nie was Tristes hat, nicht? Überhaupt nicht. Also das ist jetzt nicht sozusagen...
Hat jetzt nichts mit deutscher Lyrik zu tun, direkt nach 1945? Gar nicht, nein. Weil es ist nicht in diesem Sinne reduziert, so Günther Eichmäßig. Überhaupt nicht. Es schwelgt aber in dem, was man sagt, es schwelgt in dem, was da ist. Also es ist ja wirklich, wenn man, ich
Ich kenne diese Landschaft etwas aus, wenn man da dieses Silbergrau des Felsens sieht. Wenn man diese Steineichen sieht, wenn man dieses Violett, dieser Lavendelfelder sieht. Das sind keine, das stimmt schon, dass man immer so das Gefühl hat, ja, das ist so ein bisschen alles wie in einem silbernen Schimmer. Das sind nicht diese Farben der Côte d'Azur, wie man sie bei Matisse zum Beispiel sieht, dieses Schimmel.
kräftige, vollkommen fast übertriebene, artifizielle, sondern es ist alles ein bisschen sandig, erdig, hat etwas Archaisches, auch ein bisschen was Vormodernes drin.
Aber das Interessante ist eben, dass es dabei sehr avantgardistisch ist. Das ist fast so ein bisschen wie das Zusammentreffen von Vormoderne und Avantgarde, weil Morandi auch, das ist ja eigentlich Avantgarde, hat aber was unglaublich, also da ist ja nichts Modernes drauf.
Doch ist die Art, wie er es malt, auf einmal wieder modern. Dieses ganz Reduzierte, das hat natürlich was vollkommen Modernes. Es ist interessant, dass wir heute, ist vielleicht ja auch für den Sommer sehr schön, wir haben, finde ich, eigentlich jetzt am Ende drei Figuren gehabt, mit Rizopong, mit Dagermann und jetzt mit
die alle so emphatische Künstlerfiguren gewesen sind, finde ich. Also die tatsächlich das Schreiben bei Sopo natürlich viel wichtiger ihre andere auch künstlerische Betätigung, aber die sich in so einem ganz emphatischen Sinne als Künstler umsetzen.
und Künstlerinnen begriffen haben, wie es heute fast schon etwas selten geworden ist, habe ich das Gefühl. Es gibt ja den Punkt, wo es keine ironische Distanz gibt zu dem eigenen Werk, sondern das wird mit tiefster Ernsthaftigkeit bezogen. Ja, vor allen Dingen ist, glaube ich, für alle wichtig, dass sie, indem sie sich so tief in künstlerische Fragen begeben, in Fragen der Existenz begeben. Also es ist etwas, was eben...
mehr als ein schönes Kunstwerk ist. Es ist etwas, was über die Welt spricht, was die großen Fragen des Lebens berührt. Also dieses, ja, fast modern-metaphysische Pathos, das haben sie alle, das stimmt. Ja, so, jetzt Iris, damit wir die nächsten Folgen sehen,
Auch Bücher haben, über die wir sprechen können, müssen wir auch ein wenig lesen im Juli und verreisen und auch sogar ein ganz kleines bisschen Urlaub machen. Deswegen werden wir eine Ausgabe aussetzen, müssen unsere kleine Sommerpause einlegen im Juli und Sie hören von uns wieder im August.
Und in der Zwischenzeit hören Sie natürlich in unserem Podcast Was liest du gerade? unsere Kolleginnen und unseren Kollegen vom Sachbuch. Und da werden Sie bestimmt Anregungen bekommen, um die Durststrecke zu überstehen. Danke Ihnen sehr. Tschüss. Was liest du gerade? ist ein Podcast der Zeit, produziert von Pulatis.